Aus der Arbeit der Roten Hilfe: „Wer im Stich läßt Seinsgleichen, der läßt ja nur sich selbst im Stich!“

Der 18.März wurde bis in die 1920er Jahre hinein als ,,Tag der Pariser Commune" begangen. Am 18. März 1871 hatte die Nationalgarde in Paris die Macht ergriffen und läutete somit den Beginn der Pariser Commune ein. Der ,,Tag der Commune" war aber immer zugleich auch ein Gedenktag an die blutige Niederschlagung und die folgende Repression. Die Rache der Reaktion kostete 25000 Menschen das Leben, 3000 starben in den Knästen, 13700 wurden verurteilt, die meisten zu lebenslänglichen Strafen. So wurde die Erinnerung an den ersten Sieg der kommunistischen Bewegung, in dem die Perspektive einer herrschafts- und ausbeutungsfreien Gesellschaft als konkrete Möglichkeit aufgeschienen war, zugleich zu dem Tag, an dem die Solidarität mit den Opfern der staatlichen Repression demonstriert wurde.

1922 wurde auf dem IV. Weltkongress der kommunistischen Internationale die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet und u. a. die Ausrufung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen beschlossen, der am 18. März 1923 erstmals durchgeführt werden konnte. Mit diesem Tag sollte vor allem das Bewusstsein für die Lage der politischen Gefangenen weltweit erzeugt und verankert werden und die Solidarität mit ihnen praktisch zum Ausdruck kommen. An diesem Tag gingen in den 1920er Jahren in allen Ländern Menschen für die Opfer politischer Justiz auf die Straße, beispielsweise für die unschuldig in den USA zum Tode verurteilten Anarchisten Sacco und Vanzetti. Diese Tradition des ,,Tags der politischen Gefangenen" wurde seit 1996 von der Initiative ,libertad‘ und der Roten Hilfe wieder aufgegriffen, nicht zuletzt auch, um auf die Situation der politischen Gefangenen in der BRD hinzuweisen.

In diesem Jahr steht für uns insbesondere die konkrete Forderung nach Freilassung der verbliebenen Gefangenen aus der RAF auf der Tagesordnung. Das gilt insbesondere angesichts der Medienkampagne, die derzeit durch Zeitungen und Fernsehsender schwappt. Wenn dieser Tage von der ‚Bild-Zeitung‘ bis hin zu Sabine Christiansen eine Stimmung gemacht wird, die die niedrigsten Instinkte des Volkszorns mobilisiert und die die Aktionen der ehemaligen Mitglieder der RAF aus jeglichem politischen und gesellschaftlichen Kontext reißt, so spricht das ein weiteres Mal der Mär von den ,,ganz normalen Gefangenen mit ganz normalen Verfahren und ganz normalen Haftbedingungen" Hohn.

Die Gefangenen aus der RAF sind immer politische Gefangene gewesen, deren Urteile nach politischen Maßgaben gefällt wurden. Wie andere Angeklagte sind die Gefangenen aus der RAF zu keinem Zeitpunkt behandelt worden. Von Anfang an wurden sie verschärften, zum Teil buchstäblich zerstörerischen Haftbedingungen unterworfen, es wurden eigens auf sie zugeschnittene Sondergesetze erlassen, eigene Gerichts- und Gefängnisbunker errichtet und die Verteidigungsrechte in geradezu grotesker Weise eingeschränkt. Konkrete Tatnachweise sahen die Gerichte in den meisten Fällen als überflüssig an: Wem Mitgliedschaft in der RAF vorgeworfen wurde, dem wurden regelmäßig alle Aktionen der RAF aus dem fraglichen Zeitraum zugerechnet.

Wenn heute von den letzten verbliebenen Gefangenen ,,Reue" gefordert wird, offenbart sich damit tatsächlich ein wesentlicher Zweck ihrer Inhaftierung: es geht um die Auslöschung linker Geschichte, um die Verleugnung und Verurteilung eines revolutionären Aufbruchs und nicht zuletzt darum, den Willen der Gefangenen zu brechen.

Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt sitzen seit mittlerweile 24 Jahren, Eva Haule seit 21 Jahren und Birgit Hogefeld seit 14 Jahren im Knast. Die Solidaritätsbewegung hat in all diesen Jahren nicht geschafft, die notwendige Breite und Stärke zu entwickeln, die notwendig gewesen wäre, um die Freilassung der Gefangenen zu erreichen. Wir freuen uns über die bevorstehende Entlassung Brigitte Mohnhaupts. Es wird aber Zeit, dass auch Christian, Eva und Birgit endlich rauskommen.
Die Forderung nach Freilassung der Gefangenen aus der RAF ist für uns mehr als nur eine Frage der Humanität oder der Rechtsstaatlichkeit, sondern eine Notwendigkeit für eine Linke, für die Solidarität kein Fremdwort ist.

Gleichgültig, wie man zur Entscheidung der RAF für den bewaffneten Kampf gestanden hat: Es bleibt festzuhalten, dass diese Entscheidung im Kontext eines weltweiten Aufbruchs der Linken und des Widerstands gegen die imperialistische Kriegspolitik der USA und Westeuropas fiel, die nicht nur in Vietnam tagtäglich Menschenleben forderte. Solidarität kann deswegen auch nicht allein eine Angelegenheit derer sein, die damals die Politik der RAF unterstützten. Die Freilassung der Gefangenen aus der RAF wäre 30 Jahre nach dem, was als ,Deutscher Herbst‘ in die Geschichte einging und 10 Jahre nachdem die RAF ihre Auflösung erklärt hat, auch ein Zeichen der ansatzweisen Aufarbeitung eines finsteren Kapitels der BRD-Geschichte, in dem Grundrechte massenhaft außer Kraft gesetzt wurden.

Der 18. März ist aber auch schon immer ein Tag der internationalen Solidarität gewesen. GenossInnen aus ganz unterschiedlichen Bewegungen sitzen in allen Teilen der Welt hinter Gittern, weil sie für Befreiung und Gerechtigkeit aufgestanden sind. Wir wollen dafür sorgen, dass sie nicht vergessen werden und dass die Forderung nach Freilassung der politischen Gefangenen unüberhörbar wird. Ohne, dass wir den notwendigen gesellschaftlichen Druck aufbauen, wird sich an ihrer Situation nichts ändern.

Eines der wichtigsten Prinzipien der Roten Hilfe ist das der strömungsübergreifenden Solidarität. Bei der Verteidigung gegen die Angriffe der staatlichen Repression kommt es für uns nicht darauf an, ob wir die ideologische Ausrichtung der Betroffenen teilen, oder ob wir ihre politischen Handlungen im Einzelnen sinnvoll finden. Uns geht es weder um Abgrenzung noch um bedingungslose Loyalität, sondern darum, den gemeinsamen Gegner genauso wenig zu vergessen wie die kritische Auseinandersetzung.

Nicht nur am 18.03. gilt es, unserer Forderung Gehör zu verschaffen: Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe

 

 

Sonderausgabe der Roten Hilfe Zeitung
zum 18. März 2010 – dem Tag der politischen Gefanfenen,
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