G-20-Gipfel in London und Pittsburgh: Der Traum vom gebändigten Finanzkapital

Korrespondenz: Für die Vertreter des imperialistischen Systems verbreiten die Hoffnung auf einen organisierten und stabilen Finanzkapitalismus.

Der Glaube daran bleibt des Weiteren bei denjenigen bestehen, die den Kapitalismus sozial, demokratisch und ökologisch reformieren wollen. Die Krise drängt zum Handeln. Im September fanden zwei Gipfeltreffen statt, mit der Zielsetzung, dass internationale Finanzkapital zu zügeln. Was ist dabei herausgekommen?

„Es ist möglich den Finanzkapitalismus zu ändern.“
(Nicolas Sarcozy)

Mit der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise und seinen Folgen stellte sich unter bürgerlichen Politikern und Ökonomen der Ruf nach Regulierung und Kontrolle ein.

Insbesondere der Bankensektor sollte im nationalen sowie im internationalen Rahmen schärferen Regeln, unter Aufsicht und Kontrolle staatlicher und überstaatlicher Institutionen unterstellt werden. Strengere Regeln, Vorschriften und Gesetze mit Überwachungsmaßnahmen, so die Hoffnung der Akteure des Finanzkapitals, sollten die Anarchie des Kapitals zügeln und das Weltfinanzsystem insgesamt stabiler und berechenbarer werden lassen. Naturgemäß stellt sich jetzt, wo sich auch wichtige Vertreter des Finanzkapitals nach außen hin einsichtig und besonnen zeigen, in bestimmten Kreisen Hoffnung ein, die das kapitalistische System sozialer und demokratischer mitgestalten wollen. So zeigt sich etwa der Mitbegründer des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac Deutschland, Peter Wahl, über die Zusammenarbeit der G20- Staaten mit dem Internationalen Währungsfonds und Weltbank hoffnungsvoll. In einem Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland äußert sich Peter Wahl u.a. positiv über die Rolle des amtierenden IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn als Krisenmanager: „Der amtierende IWF- Direktor Dominique Strauss-Kahn ist ein Kumpel von Oscar Lafontaine. Zusammen haben sie 1999 den Vorschlag gemacht, einen Wechselkurskorridor einzurichten, um die Währungsspekulation zu begrenzen. Sie sind auf Ablehnung gestoßen. Strauss-Kahn war damals Finanzminister in Frankreich, ist Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs und dürfte einer Finanzaktionssteuer nicht völlig abgeneigt gegenüber stehen. … Er gehört jedenfalls zu dem Teil der Funktionselite, der am weitest gehenden die Tiefe und Ernsthaftigkeit der Krise begriffen hat.“  [Neues Deutschland vom 06.10.2009] Nicht nur Peter Wahl von Attac Deutschland, sondern viele weitere Personen und Organisationen verbreiten die Hoffnung, das imperialistische System könne unter Kontrolle gebracht und daraufhin sozial, ökologisch und demokratisch gestaltet werden, wenn man dies nur ernsthaft will. So etwa die Grünen, die in den Wahlkampf mit dem platten und mit dem von ihnen selbst längst verbrauchten Slogan „aus der Krise hilft nur grün“ durch das Land zogen. Mit Vorschlägen wie von attac oder den Grünen versucht ebenso der DGB, Wege aus der Krise aufzuzeigen: „Der Kapitalismus muss stärker sozial und ökologisch reguliert werden. Wir brauchen neue Regeln für die Finanzmärkte. Realinvestitionen sind zu fördern, Spekulationen zu unterbinden. Prävention, Haftung und Langfristorientierung müssen gestärkt werden. Ein TÜV für Finanzprodukte, striktere Eigenkapitalanforderungen und eine ‚Schufa für Banken’ helfen, um künftig besser vorzubeugen….“  [DGB- Broschüre „Das Spiel ist aus“, Ursachen und Wege aus der Finanzkrise.] Schöne Märchen bekommt man da vom DGB aufgetischt, die nichts mit der Realität zu tun haben, ein Kapitalismus etwa, ohne Spekulationen. Wer soll den TÜV für Finanzprodukte leiten? Vielleicht führende Gewerkschaftsfunktionäre in Zusammenarbeit mit der führenden Finanzoligarchie? Für wen  ist die Hoffnungsmacherei eigentlich bestimmt, wer soll diese Märchen glauben, etwa die eigenen Mitglieder des DGB, die Arbeiter und Angestellten? In der Bevölkerung dürften die G-20-Treffen in London und Pittsburgh wenig Interesse ausgelöst haben, weil keinerlei Mitbestimmung und Einfluss möglich war. Und was ist bei diesen Treffen letztendlich herausgekommen?

 
Zielsetzungen und reale Ergebnisse

„Wir wollen Ergebnisse, die die Welt verändern.“
(Angelika Merkel auf dem G-20- Gipfel in London)

Mit der Zielsetzung, dass sich solch eine Wirtschafts- und Finanzkrise nicht wiederholt wurden im September von den zwanzig „wichtigsten“ Staaten (G-20) zwei Gipfeltreffen durchgeführt. Der erste Gipfel in London Anfang September stellte dabei einige Richtlinien für den Finanzmarkt auf, die dann auf dem Ende September stattfindenden Gipfel in Pittsburgh festgeschrieben werden sollten. Das herausgekommene Ergebnis in Pittsburgh wird nun jedoch höchst unterschiedlich beurteilt, selbst innerhalb der bürgerlichen Kräfte. Positiv äußerte sich etwa Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und auch der Bankenverband. Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann etwa bezeichnete die Beschlüsse „insgesamt gesehen als sehr verantwortungsvoll.“ [Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.09.2009]

Dagegen äußerten sich Oppositionspolitiker in Deutschland als auch viele bürgerliche Ökonomen höchst skeptisch. Kritisiert wurden die windelweichen Beschlüsse u.a. vom Ökonom Martin Faust. Zwar sei vieles angedacht, aber noch fast gar nichts umgesetzt worden, so Martin Faust. [ebenda] Mit den Zielen ein globales Frühwarnsystem zu schaffen, die Banken zu mehr Risikovorsorge zu zwingen oder wenigstens die hohen Bonuszahlungen an die Manager zu beschneiden, waren die Treffen angesetzt worden. Doch diejenigen Subjekte, die sich für Mindestlöhne bei Arbeitern und Angestellten stets hartnäckig verweigern, wollen für ihre eigenen Gehälter keine Maximal bzw. Höchstgrenzen festgelegt wissen!

 
Das Treiben geht munter weiter…

„Eine neue Blase mitten in der Rezession? Ja das ist denkbar.“
(Kommentar in der Süddeutschen Zeitung
07.09.2009 von Markus Zydra)

„Ich sehe das Monster noch nicht auf dem Weg der Zähmung.“
(Bundespräsident Horst Köhler beim Festakt zum 60. DGB-Jubiläum)

Während noch darüber diskutiert wird, welche kosmetischen Mittel, die bisher festgelegt worden sind, überhaupt als wirksame Mittel gegen die bisher unkontrollierte Spekulation angesehen werden können, geht das Treiben auf den Finanzmärkten weltweit munter weiter. So sind etwa wieder, Mitten in der Krise, hohe Bonuszahlungen wie eh und je an Bankmanager ausbezahlt worden. Nur nach einem Jahr, nachdem im Herbst 2008 die Lehmannbank zusammenkrachte und Ökonomen, Politiker und Manager gleichermaßen aufschreckten, schwindet anhand von einigen positiv gedeuteten Konjunkturdaten und der Erholung von einigen Großbanken die Bereitschaft strengere Regeln zu formulieren. Durch die staatlichen Rekordzahlungen an das Finanzkapital sowie den Niedergang konkurrierender Banken konnten mittlerweile einige Banken wieder Milliardenprofite einstreichen. Freilich brachten die laxen Vorsätze, die auch in Pittsburgh wiederholt wurden, keine Veränderungen der gängigen Praxis. So ist der in Pittsburgh wiederholte Vorsatz, die Bonuszahlungen sollten sich an  der langfristigen Wertschöpfung orientieren, nicht ernst zu nehmen. Denn noch mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise fallen die Bonuszahlungen insgesamt höher aus als jemals zuvor! So schätzt etwa das Wall Street Journal die Prämien- und Lohnzahlungen der 23 größten US- Finanzinstitute auf 140 Milliarden Dollar in diesem Jahr. Damit wird der Spitzenwert aus dem „Boomjahr“ 2007 um zehn Milliarden Dollar übertroffen! Einige bürgerliche Kritiker klagen diese Zahlungsmoral an, einige sehen in überhöhten Gehälter und Bonuszahlungen gar den Hauptgrnd für die Wirtschafts- und Finanzkrise. In einem Artikel aus der Süddeutschen Zeitung heißt es diesbezüglich: „Überhöhte Gehälter und Boni gelten als eine der Hauptursachen der Finanzkrise, da die Banken vor allem jene Mitarbeiter belohnten, die große Risiken eingingen.“ Wenngleich die hohen Gehälter und Bonuszahlungen die Krise zusätzlich angefacht haben, so gelten diese nicht als einer der Hauptursachen. Einige bürgerliche Politiker, Journalisten und Wirtschaftsfachleute haben diese These längst instrumentalisiert, um die Illusion für ein gezähmtes Finanzkapital weiter am Leben zu halten. Demnach lassen sich zukünftig Krisen vermeiden, wenn nur der Gehalt- und Prämienanreiz der leitenden Manager kontrolliert „niedrig“ gehalten wird. Dieser Meinung ist u.a. der Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann von der Universität St Gallen: „Die Krise ist im Kern eine gigantische Kapitalblase, die ohne Boni nie hätte erzeugt werden können. Die hohen Boni sind ein deutliches Indiz dafür,  dass die Finanzbranche bereits die nächste Blase erzeugt.“
(Süddeutsche Zeitung vom 15.10.2009,

„Boni machen Mitarbeiter zu Marionetten“

Und weiter meint Ulrich Thieleman, zur These, dass die hohen Bonuszahlungen Hauptursache für die Wirtschafts- und Finanzkrise sind: „Sie waren das entscheidende Mittel der Banken, um ein falsches Unternehmensziel durchzusetzen, nämlich das der Gewinnmaximierung.“ (ebenda)

Nun ist es raus, die Gewinnmaximierung ist angeblich ein falsches Unternehmensziel! Sicherlich können Reformisten aller Couleur dem jederzeit zustimmen.

Doch die Gewinnmaximierung, unterstellen wir einmal, dass Thieleman dies mit Profitmaximierung gleichsetzt, ist kein zeitlich begrenzter oder ein zufällig entstehender Auswuchs des Finanzkapitals. Das Streben nach Profit ist die ökonomische Haupttriebkraft des kapitalistischen Systems, fester Bestanteil ist ebenso der Maximalprofit, gehört also zum Wesen des Finanzkapitals.

Das Treiben des Finanzkapitals, soviel ist klar, geht unverändert weiter…bis zum nächsten Knall!  

                                                                                                                               ab

Quellen:
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28.09.2009,
DGB- Broschüre „Das Spiel ist aus“,
Ursachen und Wege aus der Finanzkrise,
Neues Deutschland vom 06.10.2009,
Süddeutsche Zeitung vom 07.09.2009 und vom 15.10.2009.