Klassenkampf im „Ländle“ – Der Plan der Esslinger IG Metall schien ehrgeizig, konnte aber nicht aufgehen!

Am Dienstag, dem 13.05.2009 trafen sich über 1000 Kolleginnen und Kollegen der in der Index-Gruppe vereinigten Werkzeugmaschinenbau-Firmen Index und Traub vor dem Index-Werkstor in Esslingen zu einer öffentlichen Mitgliederversammlung der IG Metall, einer Kundgebung zum Protest dagegen, dass aufgrund der Nichtgewährung von Krediten durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Existenz von ca. 1000 Index- und Traub-Arbeitsplätzen auf dem Spiel steht.

Die LBBW steckt selbst in der Finanzkrise, brauchte vor Monaten plötzlich ein 5-Mrd.-Euro teure Kapitalerhöhung durch die Eigner, das Land Baden Württemberg, die Stadt Stuttgart, die allein eine Milliarde aufbrachte, sowie durch die Sparkassen der Region. Laut Spiegel vom 19. Oktober sitzt die LBBW nach wie vor selbst auf faulen Krediten (so genannten „strukturierten Krediportfolios“) in Höhe von mehr als 20 Mrd. Euro.

Die Index-Gruppe zählt zu den weltweit größten Herstellern von CNC-Drehmaschinen und hatte zu Beginn der Krise ca. 1700 Beschäftigte, davon allein knapp 140 Auszubildende!

Anfang 2009 brach die bis dahin gute Auftragslage schlagartig zusammen.

Bereits im Januar versuchte die Geschäftleitung über 500 Kollegen zu entlassen, der Betriebsrat war drauf und dran, dabei mitzuspielen. Man muss der IG Metall Esslingen das Verdienst lassen, hier eingeschritten zu sein, eine Solidaritätskampagne losgetreten und einen Aufschub der Maßnahmen bis zum Beginn 2010 erreicht zu haben.

So schleppt sich die Belegschaft mit Kurzarbeit bis heute durch, aber nun droht die Entlassung der rund 1000 Kolleg/innen. Die Esslinger Metaller/innen sehen den Maschinenbau im Land auf der Kippe.

Von der Kundgebung zogen die 1000 Index-Traub-Kollegen zur S-Bahn und fuhren – tatsächlich in einem Zug! – nach Stuttgart. Dort war neben dem Hauptbahnhof, unmittelbar vor der Zentrale der LBBW bereits ein Infostand der Esslinger IG Metall aufgebaut. Die Index-Kollegen stiegen im Hauptbahnhof aus und ergossen sich förmlich auf den Vorplatz der LBBW. Hier gab es eine lautstarke Protestkundgebung und die Übergabe eines Forderungskatalogs an den Bank-Vorstand. Zugleich übergaben die Kollegen einen Brief an die LBBW-Beschäftigten mit der Ansage, dass die Aktion sich nicht gegen sie richte.

Bis zum nächsten Tag ließen die Indexler eine Mahnwache vor der LBBW, an der auch Kolleginnen und Kollegen anderer Firmen der Region solidarisch teilnahmen, so dass zwischen 30 und 50 Teilnehmer in strömendem Regen vor der LBBW kampierten. Aber die IG Metall hatte mit Zelten vorgesorgt. Die Polizei hielt sich nach einigen vergeblichen Versuchen, die Kollegen einzuschüchtern, zurück.

Die Planung der Esslinger IG Metall war so, das die Index/Traub-Mannschaft am 14.10. von Kolleg/innen der Nürtinger Maschinenbaufirma Heller abgelöst werden sollten, die wiederum mit einer Wache den nächsten Mittag erreichen sollten, um dann von Stuttgarter Firmen abgelöst zu werden, auch Betriebe aus Göppingen, Ludwigsburg sollten die Bewegung bis zum Wochenende fortsetzen.

Dies gelang nicht. Bereits am zweiten Tag, dem Heller Aktionstag, kamen mit ca. 350 bis 400 Teilnehmern deutlich weniger als erwartet (Vergleiche auch den Bericht zu dieser Aktion in dieser Nummer), die ihre Aktion am frühen Abende abbrachen, allerdings am Morgen wieder aufnahmen. Am Abend des dritten Tages dagegen war niemand mehr vor Ort, d.h. vor der LBBW-Zentrale.

So begrüßenswert die Aktion der bedrängten Kollegen auch sein mag, so entschieden man sich mit ihnen solidarisiert – eines ist nicht zu übersehen: Gravierend sind die Schwächen, die zu diesem unbefriedigenden Verlauf führten.

Wie ist der ökonomische Hintergrund? In der Maschinenbauindustrie, sind Eigenkapitalquote und Liquidität ins Bodenlose gefallen. In der Konsequenz werden immer die Kollegen gefeuert! Und es ist nur zu verständlich, dass sie – man muss es zum Teil so sagen! – verzweifelt nach Auswegen suchen. Schon zu Beginn des Jahres versuchten die Mahle-Kollegen in Alzenau mit einer Betriebsbesetzung, an der sie schlussendlich die IG Metall hinderte, ihre Arbeitsplätze zu verteidigen. Sie stemmen sich dem gesetzmäßigen Verlauf kapitalistischer Krisen entgegen.

Die LBBW steht hier nur für viele Banken: Kredite an solche Firmen in der Krise, zur Stützung der Liquidität, gibt es nur zu gegenüber „normalen“ Zeiten verdreifachten „Risiko-Zinsen“, wenn die Firmen überhaupt Kredit genießen. Sieghard Bender, der erste Bevollmächtigte der IG Metall Esslingen schimpft über Zinssätze von bis zu neun Prozent, aber auch das nur unter der Voraussetzung, dass die Firmen von irgendjemand Bürgschaften erhalten. „Die Chancen der Firmen auf Kreditverlängerungen sind also gleich Null!“. Bender warnt: „Vor diesem Hintergrund reden wir nicht nur von Krise, sondern von Deindustrialisierung einer ganzen Region…“

Die Bemühungen der Esslinger IG Metall sind folgerichtig von einer seltsam gebremsten Kraft gekennzeichnet. Am 17. Juni 2009 zogen anlässlich des „Aufstandes der Anständigen“ (ja, so nannte die Esslinger IG Metall das!) „nur“ zweitausend statt der erwarteten 6 bis 8000 Metaller durch die Esslinger Altstadt zur Filiale einer bekannten Bank. Auch die neuen Aktionen im Oktober waren durchaus beeindruckend, genossen jedoch nicht die erhoffte breite Unterstützung!

Die Gründe dafür werden in den gewerkschaftlichen Gremien der Gewerkschaftsbasis heftig diskutiert. „Kredite her!“, „Auflegung eines Regionalfonds zu kurzfristigen Sicherung der betrieblichen Liquidität!“  – das sind IG-Metall-Forderungen (ja, tatsächlich), die verzweifelte Hoffnungen und Illusionen ausdrücken, aber nicht das Vertrauen der Kollegen gewinnen. Sie spüren, dass nicht sie den Nutzen davon haben werden. All diese Kredite, kämen sie denn, wären Kapital, und das dient zur Ausbeutung, zum Hinaus-Rationalisieren der Kollegen usw.!

Aus Beiträgen betrieblicher Funktionäre der IG Metall Esslingen auf einer Funktionärskonferenz im Juli 2009:

„Besonders schwierig bei der Mobilisierung war aber die Tatsache, dass es bei den grundsätzlich aktionsbereiten Kolleg/innen, gerade auch bei Vertrauensleuten Probleme gab. Ein Kollege brachte es so auf den Punkt, dass er sagte: >Ich demonstriere nicht vor der Bank für billige Zinsen für die Chefs!< Der Aufruf der OV wurde nicht als Ausdruck unserer Interessen als Arbeiter und Angestellte empfunden. Es fehlt besonders die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich.“ Oder „Die Forderungen sind den Kollegen nicht verständlich zu mache. Einer sagte: Ihr fordert einen Fond“ (Die IG Metall spricht von einem „public equity-fund“), „aber damit hat die Krise doch gerade angefangen!“

Wir haben bereits erklärt, dass wir Forderungen nach verlängertem Kurzarbeitergeld, nach Steuerfreiheit für Kurzarbeitergeld unterstützen, einfach weil das Kollegen in der Krise über Wasser hält. Wenn aber Bevollmächtigter Bender vor der LBBW erklärt, man demonstriere nicht gegen die „eigene Firma“, sondern gegen die Bank und ihren Unwillen, Kredit zu gewähren, dann versucht er nicht nur durch plumpe Augenwischerei die wahren Verhältnisse zu verbergen, die die Kollegen intuitiv erfassen, er behindert auch die Erkenntnis, dass auch die Index-, die Traub-, die Heller-Kapitalisten, die sich zur Zeit lammfromm aufspielen, klare Gegner der Arbeiter/innen und Angestellten sind, Ausbeuter, die nur überwintern wollen, bis sie wieder profitable Geschäfte machen können. In keinem der Krisenbetriebe kamen die Kolleg/innen bislang um massive Opfer zu Gunsten „ihrer“ Kapitalisten davon.

Schlussendlich werden sie alle wieder ihr wahres Gesicht zeigen, die ihre eigenen Kapitalien und Renditen retten wollen – und das heißt nicht zuletzt Entlassungen, ja Betriebsschließungen.

Da kann es kein Rezept sein, auf Kredite der Banken zu hoffen, zu pokern, für sie zu demonstrieren, da muss entschlossen gekämpft werden gegen die, die die Betriebe ganz oder teilweise schließen, die Kolleg/innen hinausfeuern wollen. Das schließt dann natürlich auch die Banken mit ein, aber auch „die eigenen Kapitalisten“. Dann sind Betriebsetzungen gefragt, da braucht es Faustpfänder in der Hand der Belegschaften, da ist Solidarität aller anderen Kolleg/innen von Nöten.

Da muss die Frage der massiven Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung! Wir erinnern nochmals an die Tatsache, dass diejenigen Betriebe und Unternehmen am besten aus der Krise herauskommen und die geschätzte Konkurrenz hinter sich lassen werden, die auf Teufel komm raus durchrationalisiert haben, die Produktivität hochgetrieben haben. Gestiegene Produktivität ist im Kapitalismus niemals ein Segen, sondern eine gesellschaftliche Geißel, die gesetzmäßig Erwerbslosigkeit nach sich zieht, und dagegen muss innerhalb kapitalistischer Verhältnisse der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich geführt werden!

Lösbar ist das Problem innerhalb des Kapitalismus bekanntlich nicht! Hier treten wir aller Illusionsmacherei entgegen.

Wir fordern aber alle fortschrittlich oder klassenkämpferisch gesinnten Kollegen, unsere Genossen und Sympathisanten auf, sich trotz aller Probleme aktiv in diese Auseinandersetzungen einzumischen und sie mit zu tragen. Es gilt, die Solidarität mit den kämpfenden Kollegen zu organisieren, auch wenn man Kritik an den politischen Illusionen des Reformismus hat. Wir tragen die Kritik in die unvermeidlichen Debatten zwischen den Kolleginnen und Kollegen hinein und versuchen, die Erfahrungen de Kollegen weiter zu entwickeln bis zur Erkenntnis dass es im Kapitalismus keine Lösung diese Probleme gibt, sondern nur in dessen Beseitigung!

ft