„Parlamentarische Demokratie“ – Die Linke musste Saal verlassen

Bundestagspräsident Norbert Lammert hat heute unmittelbar vor der
Bundestagsdebatte über die Aufstockung der deutschen Truppen in
Afghanistan für einen Eklat im Parlament gesorgt.  Er verwies die
Abgeordneten der Fraktion der Linkspartei des Saals und schloss sie von
der Debatte aus.

Vorwand für diese „Seuberungsaktion“ war der berechtigte Protest der Abgeordneten der Linkspartei gegen die Beteilgung der Bundesrepublick am Afghanistankrieg. Auf Schildern waren die Namen der Opfer des Luftangriffs von Kundus zu lesen, den die Bundeswehr angeordnet hatte. Gegen die Stimmen der Linkspartei beschloss das Parlament dann mit großer Mehrheit die Erhöhung der Mandatsgrenze um 850 auf 5350 Soldaten. Die zusätzlichen Truppen sollen afghanische Soldaten ausbilden.

„Deutschland ist an einem Krieg gegen die einfache Bevölkerung in Afghanistan beteiligt“, kritisierte die Linkspolitikerin Christine Buchholz in der Debatte. Unmittelbar nach ihrem Beitrag erhoben sich zahlreiche Linkspolitiker und hielten Spruchbänder mit Namen, Alter und Beruf der Toten von Kundus in die Höhe. Wegen Verstoßes gegen die Geschäftsordnung schloss Lammert die Abgeordneten daraufhin von der Sitzung aus. Die Linksfraktion verließ nach mehrfacher Mahnung geschlossen das Plenum. Zur Abstimmung wurden die Abgeordneten der Linken – entgegen den üblichen Gepflogenheiten – auf Beschluss der übrigen Fraktionen jedoch wieder zugelassen.

Lammert nannte sein hartes Vorgehen alternativlos und begründete es mit ähnlichen Aktionen der Linkspartei in der Vergangenheit. Die Linke verstoße damit gegen eine Vereinbarung aller Fraktionen, wonach Demonstrationen im Plenarsaal mit der Ordnung des Hauses unvereinbar seien. „Im Deutschen Bundestag hat es in allen Legislaturperioden immer einen Konsens darüber gegeben, dass die Regeln dieses Hauses ausnahmslos für alle gelten“, sagte Lammert unter lautem Applaus der verbliebenen bürgerlichen Parlamentarier. Mit Verweis auf die deutsche Vergangenheit mahnte er, gerade im Bewusstsein der historischen Erfahrungen sei die strikte Einhaltung dieser Regeln unverzichtbar.

Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele stellte sich dagegen hinter die Linkspolitiker. Sie des Saals zu verweisen, weil sie an die Opfer des Bombardements in Kundus erinnerten, sei das völlig fasche Signal nach Afghanistan, kritisierte er. Die FDP-Politikern Elke Hoff dagegen nannte es unerträglich, wenn die Linkspolitikerin Buchholz die deutschen Soldaten darstelle, als würden sie „einfach so Zivilisten umbringen“. Der Unionspolitiker Jürgen Hardt warf der Linken vor, die zivilen Opfer, die alle beklagten, für die innenpolitische Debatte zu instrumentalisieren.

Trotz Gegenstimmen von Linkspartei und Grünen-Politikern beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan. 429 Abgeordnete stimmten für die Erhöhung der Mandatsobergrenze um 850 auf 5350 Soldaten. 111 Parlamentarier votierten dagegen. Dies waren 16 Ja-Stimmen weniger als bei der letzten Mandatsverlängerung im Dezember.

Damit sind die Profite der Waffenindustrie weiter gesichert und die Hoffnungen des internationalen Kapitals auf neuen Einflusssphären und billigen Arbeitskräften nicht verworfen. Nur wie kommen sich nun die Tausende von Wählern vor, die der Linkspartei hoffnungsvoll ihre Stimme gaben – wenn es so leicht ist ihren Abgeortneten den Mund zu verbieten.