Zusatzbeiträge, Kopfpauschale – die weitere Privatisierung im Gesundheitswesen rollt!



In Riesenschritten geht die Zerstörung der bisherigen gesetzlichen Krankenversicherung voran. Die letzte so genannte Gesundheitsreform, über die wir bereits öfter berichteten, hat dafür den Grundstein gelegt. Bewusst wurden die Einnahmen so niedrig kalkuliert, dass die Krankenkassen gezwungen werden, die nun erlaubten Zusatzbeiträgen zu erheben. 14 Krankenkassen erheben diese bereits ab 1. Januar oder haben eine solche Erhöhung beschlossen bzw. angekündigt. Mindestens 10 weitere teilweise große Kassen haben es offen gelassen, ob sie Zusatzbeiträge erheben werden.

Damit ist die so genannte paritätische Finanzierung, die sowieso schon ausgehöhlt war, noch einen Schritt weiter zerstört. Denn das Kapital wird so entlastet, während Arbeiter, Angestellte, Rentner usw. belastet werden.

In der Planung der Herrschenden ist das jedoch nur ein erster Schritt. Große Versicherungskonzerne stehen bereits in den Startlöchern, um den Gesundheitsmarkt (ja für sie es ein Markt, auf dem sie nur ein Ziel haben: Profit) aufzurollen. Nicht umsonst hat sich der Allianz-Versicherungs-Konzern nach der letzten „Gesundheitsreform“ von SPD/CDU/CSU die große gesetzliche Krankenkasse KKH einverleibt. Man will als einer der ersten dabei sein, wenn die bisherige Sozialversicherung in eine Privatversicherung umgewandelt wird.

 

Lauter Streit – schrittweise Umsetzung

Nun wird eine Kopfpauschale vorbereitet. Bereits im November dämpfte der neue Gesundheitsminister Rösler (FDP) die Hoffnungen des Kapitals auf eine schnelle Einführung seiner Pläne:

Wir müssen in dieser Legislaturperiode den Einstieg finden, das Ziel erreichen wir erst später.“

Er möchte also mit Salamitaktik die Zeile der Konzerne erreichen. Erst lässt man derzeitige Gesundheitswesen immer schlechter werden und die Beiträge ungebremst steigen, um dann „gute Argumente“ für eine endgültige Zerschlagung zu haben. Deshalb unternimmt Rösler auch nichts, aber auch gar nichts gegen die Zusatzbeiträge. Sie kommen ihm gerade recht. Und Schritt für Schritt werden immer mehr Elemente der Kopfpauschale eingeführt und die Menschen daran gewöhnt, immer mehr selbst zu zahlen.

Trotz viel öffentlichem Geschrei sind FDP und CDU/CSU im Grunde einig. Beide wollen den Umbau der gesetzlichen Krankenversicherungen zu profitorientierten Privatunternehmen.

CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sagte dem Politikmagazin „Cicero“, die Union plane keinen „Totalumbau“ des Gesundheitswesens. „Der Union ist wichtig, dass es mit uns nur Evolution geben kann, keine Revolution“, sagte er. „Wir gehen schrittweise vor, so dass wir die Menschen mitnehmen … können.“

Also: auch hier ist ein schrittweiser Umbau geplant. Das große öffentliche Geschrei soll den Blick auf die Ziele vernebeln und den Menschen den Eindruck vermitteln, dass es Politiker gibt, die sich für ihre sozialen Interessen einsetzen.

 

Alles wird teurer!

Dabei ist das Geschwätz kurios. Rösler z. B. verspricht, dass es „billiger“ würde, eine gleich hohe Kopfpauschale für alle einzuführen. Für viele Menschen mit niedrigem Einkommen, Rentner usw. bedeutet jedoch eine solche Kopfpauschale eine Verdoppelung oder Verdreifachung ihres bisherigen Versicherungsbeitrages.

Gesundheitsexperte Wasem: „Eine Friseuse oder ein Rentner mit 600 Euro im Monat zahlen heute nur 48 Euro, im neuen Modell ohne Sozialausgleich aber das Doppelte.“ Dabei geht er von ca. 100 Euro Kopfpauschale aus. Das erscheint sehr optimistisch. Andere Berechnungen nennen 145 Euro, wieder andere fast 200 Euro. Für den Sozialausgleich, der geplant ist, wären nach ersten Schätzungen dann noch einmal bis zu 39 Milliarden Euro aus dem Staatshaushalt nötig.Für die großen Gesundheitskonzerne und Versicherungen wäre das ein tolles Geschäft, für die Steuerzahler jedoch eine Katastrophe. Da die FDP das ganze auch mit gleichzeitigen Steuersenkungen machen will, geht das nur indem in anderen sozialen und kulturellen Bereichen massiv gespart wird.

Unterstützung erhalten Rösler und die FDP deshalb vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der im Februar forderte endlich im Gesundheitswesen „wettbewerbliche Strukturen zu schaffen“.

 

Eigenverantwortung heißt: Selber zahlen!

Gleichzeitig fordert Gesundheitskonzernminister Rösler mehr „Eigenverantwortung der Versicherten“. Er will „gesundheitsbewusstes Leben“ belohnen. Wir kennen diese alten Kamellen. Und sie entsprechen den Interessen der großen Konzerne, die nun diesen Versicherungsmarkt ganz in ihre Hände bekommen wollen.Denn Eigenverantwortung heißt im Klartext: selber zahlen. Und „gesundheitsbewusstes Leben“ belohnen, heißt im Klartext: für schwer kranke Menschen wird es teurer.

Wer heute als Selbständiger auf eine private Krankenversicherung angewiesen ist, der kennt das bereits. Denn schwer kranke Menschen müssen entweder höhere Beiträge zahlen, einen so genannten Risikoausschluss akzeptieren (das heißt für die schwere Krankheit, die man bereits hat, erhält man von der Versicherung keinen Schutz und muss selber zahlen.) oder er wird erst gar nicht versichert. Da ein private Versicherung die Menschen nicht versichert, um sie gesund zu machen, sondern um Profit zu erzielen, ist das auch nur logisch – die Logik des Kapitals.

Dieses Prinzip soll nun schrittweise und auf leisen Sohlen auf die bisherige gesetzliche Krankenversicherung angewendet werden.

Mit „Eigenverantwortung“ ist vor allem gemeint, dass die Menschen für immer mehr Leistungen selber zahlen müssen und diese als so genanter „Luxus“ aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen werden. Was das bedeutet, weiß jeder, der heute zum Zahnarzt geht oder eine Brille benötigt. Wurden Brillen früher von der Krankenkasse gezahlt, wenn auch nur als Einfachmodell, gilt das heute als „nicht medizinisch notwendig“ und „Luxus“. Und diesen Luxus muss man selber bezahlen. Ähnlich ist es bei Hörgeräten. Wer schwerhörig ist, bekommt nur noch einen geringen Kassenzuschuss, den Rest für die teilweise sehr teuren, technisch aufwendigen Geräte muss man selber tragen. Und Zahnarzt: Jeder weiß, wie viel tausend Euro die Sanierung eines Gebisses kostet. Von den Krankenkassen wird nur noch das „medizinisch Notwendige“ gezahlt – also fast nichts. Ein gesundes Gebiss ist heutzutage ein Vermögen wert. Darum laufen immer mehr Rentner, Hartz IV-Empfänger und Geringverdiener mit Zahnlücken herum. Das ist die „Eigenverantwortung“

 

Und: Verschlechterungen für die Beschäftigten

Mehr Geld, weniger Leistungen – dann sollte man meinen, dass es wenigstens den Beschäftigten besser geht. Doch wie man sieht, hat ver.di jetzt z.B. für die Beschäftigten im kommunalen Gesundheitswesen eine reale Minusrunde abgeschlossen. In den anderen Bereichen des Gesundheitswesens wird es kaum besser werden. Zugleich ist durch die letzte Gesundheitsreform von SPD/CDU/CSU bereits die Konkurrenz im Gesundheitswesen – zwischen den Krankenhäusern, unter den Arztpraxen – angeheizt worden. Unter dem Druck der Unsicherheiten der Gesundheitsreform schließen bereits die ersten Facharztpraxen oder werden an große Konzerne verkauft. Patienten bekommen immer öfter zu hören, „das zahlt die Krankenkasse nicht mehr“. Ärzte haben immer weniger Zeit, weil sie „wirtschaftlich“ arbeiten müssen. In den Krankenhäusern herrscht ein immer strengeres Regime für Ärzte, Krankenschwester, Pfleger und das andere Personal. Die Devise heißt: „Sparen, sparen, sparen!“ und „Schneller, schneller, schneller!“ Denn eines ist klar: Wenn das Kapital immer mehr auf das Gesundheitswesen zugreift, dann will es auch etwas davon haben: Profit und den möglichst hoch. Das geht nur auf dem Rücken der Patienten und der Beschäftigten.

 

Eine breite Front ist nötig!

Gegen die immer stärkere Unterordnung des Gesundheitswesens unter die Interessen des Kapitals ist eine breite Front notwendig. In den Gewerkschaften muss über die fortschreitende Zerstörung der paritätischen Finanzierung, über die Kürzung von Leistungen, über den zunehmenden Druck auf die Beschäftigten diskutiert und zum Kampf dagegen mobilisiert werden. Die Sozialversicherung war vor rund 130 Jahren ein Resultat des Kampfes der Arbeiterbewegung. Wenn die Arbeiterbewegung sich nicht wehrt, dann werden die letzten Überreste dieser Errungenschaft auf dem Altar des Profits geopfert. Doch allein die Mobilisierung in den Gewerkschaften reicht nicht aus. Patienten müssen aufgerüttelt und die Organisationen und Selbsthilfegruppen von Patienten mit einbezogen werden. Die Vernichtung des bisherigen Gesundheitswesens, das sowieso schon in weiten Teilen wie im Pharmabereich dem Profitprinzip unterworfen war, und seine Umwandlung in ein System, das völlig und uneingeschränkt vom Profit regiert wird, muss verhindert werden.

Statt weiteren Rückschritten ist eine allgemeine Versicherung für alle – auch für die Reichen – notwendig. Die Parität muss wieder vollständig hergestellt werden. Allein die Einbeziehung der Reichen in die gesetzliche Krankenversicherung und die völlige Wiederherstellung der Parität würden ohne jede Beitragserhöhung so viel Geld in die Kassen bringen, dass Leistungskürzungen nicht mehr nötig wären und staatliche Zuschüsse heruntergefahren werden könnten. Die Steuerzahler würden dadurch also auch noch entlastet.

Doch um solche Forderungen muss man kämpfen. Von allein werden sie nicht umgesetzt. Das Kapital hat mit seiner ständigen Propaganda, dass „wir uns das nicht mehr leisten können“ oder von „Eigenverantwortung“, von „Leistungsmissbrauch“ viele Köpfe vernebelt und verwirrt. Aufklärungsarbeit ist notwendig. Der Protest muss organisiert und ausgeweitet werden. Den Herrschenden muss entgegengetreten werden!

Alle gemeinsam gegen das Kapital!