Opel Bochum: Arbeitsplatzvernichtung und massiver Druck auf Kollegen!

2004 wurde bei Opel noch spontan gestreikt!Am Mittwoch, dem 8.Juni stimmte der Bochumer Opel-Betriebsrat dem von der Konzernzentrale geforderten Abbau von 1.800 der rund 4.600 Arbeitsplätzen im Bochumer Werk in voller Höhe zu.

Die Betroffenen verlieren ihre Arbeit. Eine gewisse Ausnahme macht allenfalls die Getriebefertigung. Ihre rund 300 Arbeiter, die eigentlich auch 2011 fliegen sollten, können ihr „freiwilliges“ Ausscheiden wenigstens bis 2013 aufschieben. Für diese Kollegen geht also der Stress spätestens in zwei Jahren wieder los.

Der Betriebsrat stellte sich mit seinem Beschluss hinter den Spruch einer so genannten Einigungsstelle. Die Alternative für Betriebsrat und Opel-Belegschaft Bochum wäre gewesen, dass er mit Nein gestimmt hätte, damit aber für einen planmäßigen Abbau mit betriebsbedingten Kündigungen und Sozialplan.

Diese Alternative stand am Montag (6.Juni 2011) bei etwa 2000 Opel-Kolleg/innen auf einer Betriebsver­samm­lung zur Diskussion. Betriebsratsvor­sit­zen­der Rainer Einenkel musste danach einräumen, dass die Mitarbeiter eine deutliche Verkürzung der Wochenarbeitszeit gefordert hätten. Die Mitarbeiter/innen wollen keine betriebsbedingten Kündigungen! Auch der Betriebsrat hatte diese Forderung in die Verhandlungen der Einigungsstelle ohne Erfolg eingebracht.

Die Konzernvertreter forderten dagegen in aller Deutlichkeit, Bochum habe als letztes europäisches Werk „seinen Beitrag zum Arbeitsplatzabbau im Konzern zu leisten“. „Ohne Personalabbau ist das Werk einfach nicht zukunftsfähig“

Betriebsräte wussten längst Bescheid!

Die Opel/GM-Betriebsräte auf europäischer Ebene hatten dem Arbeitsplatzabbau schon im August letzten Jahres zugestimmt. Einenkel zu dieser Marschrichtung auf der Betriebsversammlung: „Man muss zur Kenntnis nehmen, dass wir Teil eines Konzerns sind, der vor wenigen Monaten noch vor der Pleite stand.“ Mit ihrer Zu­stim­mung zum so genannten „Zukunfts­ver­trag“ wurde bei der britischen General-Motors-Tochter Vauxhall/Opel der Arbeits­platzabbau eingeleitet.

Konzern, Gesamtbetriebsrat und Ge­werk­schaften stimmten Lohnkürzungen von jährlich 265 Millionen Euro und der Vernichtung von 8.000 der 48.000 Opeljobs in Europa zu. Das Aus für die 1.800 Arbeitsplätze in Bochum gehörte zu diesem Plan, die Einzelheiten mussten noch ausgehandelt werden. Viele Kollegen erheben den Vorwurf: Einenkel war bei alledem dabei, wusste Bescheid. Er kann das nicht bestreiten, beruft sich aber darauf, dass er eine „drastische Arbeits­zeit­ver­kürzung“ bis hin zu einer 30-Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich vorgeschlagen habe.

Mit der Einigung vom 8. Juni 2011 ist der Arbeitsplatzabbau nun beschlossene Sache. Es wird wahrscheinlich nicht der letzte Schnitt sein. Und die Bochumer Opel­kol­leg/innen kennen das Ritual: Be­triebs­rat und IG Me­tall stimmen im­mer wie­der dem Ab­bau von Ar­beits­plät­zen zu. Die restlichen Jobs würden da­durch sicherer, so ihre Ver­tei­di­gung. Die Bochumer Entwicklung in Zahlen:

* 1990 etwa 21.000 Beschäftigte

* 2005: noch ca. 10.000 Kolleg/innen

* 2010: ca. 5000

* 2012:weniger als 3.000!

Aber fast alle fürchten, dass am Ende wohl die komplette Schließung des Werks stehen wird. Diese Befürchtung ist keineswegs „theoretisch“: Das Opel-Werk im belgischen Antwerpen wurde bereits ge­schlos­sen, trotz massiver Gegenwehr der Kolleg/innen!

Um die Forderung des Konzerns zur Sicherung und Mehrung des Profits zu erfüllen, sind die Verantwortlichen der Gewerkschaftsführungen offenbar bereit, den Kolleg/innen jedes Opfer abzuverlangen: In den USA hat die Gewerkschaft UAW der Beseitigung tausender Jobs zugestimmt und die Löhne für Neuein­stellungen um die Hälfte gekürzt, um General Motors wieder in die Gewinnzone zu bringen. In Europa streicht der Konzern nun jeden fünften Arbeitsplatz und senkt massiv die Löhne.

Außer symbolischen Gesten hat es einen gemeinsamen Widerstand aller General-Motors- und Opel-Beschäftigten in Europa nicht gegeben. Nach all diesen Fakten ist nur ein gemeinsamer Streik noch eine Chance. Das ist aber mit den aktuellen Betriebsräten und Gewerkschafts­struk­tu­ren nicht zu machen. Ihre Politik läuft sichtbar darauf hinaus, die einzelnen Be­leg­schaften gegeneinander auszuspielen – die Frucht des weit verbreiteten Stand­ort­denkens. Die „Standortsi­che­rungs­politik“ der IG-Metall-Führung führt die Opel-Kolleg/innen in Bochum jedenfalls nach und nach ins Elend. So enden all die Reden, dass es bei Vauxhall oder Antwerpen doch nicht um „meinen“ Standort, um „meine“ Arbeitsplatz handele. General Motors macht halt eins nach dem anderen.

Wie kam es zu dieser Situation und was kommt dann?

Auf der Betriebsversammlung warfen die Kollegen Betriebsrat und IG Metall- Führung zu Recht vor, dass all die Vereinbarungen mit dem Konzern heute das Papier nicht wert seien. Lohn­kür­zun­gen und Arbeitsplatzabbau brächten trotz aller Versprechen nichts.

Nach vielen Jahren des kontinuierlichen Drucks zeigte sich Opel in zynischer Weise geradezu optimistisch, dass sich bis zum Termin Mitte August genügend „Frei­wil­li­ge“ für die Aufhebungsverträge melden würden. Trotzdem seien aber betriebsbedingte Kündigungen „als letztes Mittel“ auch weiterhin möglich, erklärten die Arbeitgebervertreter.

Bis Anfang Juni waren bereits 900 Arbeiter zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes gedrängt worden. Bis Mitte August müssen weitere 600 „freiwillig aufgeben“. Andernfalls will Opel ihnen betriebsbedingt kündigen. Folge wäre eine wesentlich geringere Abfindung. Nötigung nennt man so was!

Das ganze Vorgehen ist eine einzige Serie von Nötigungen: Am 15. März 2011 hatte die Konzernspitze mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht, wenn nicht genügend Arbeiter bereit wären, bis Mitte April „freiwillig“ auszuscheiden. Immer­hin hatten da schon 600 Arbeiter dem ständigen Druck nachgegeben und sich auf eine Abfindung, eine Vorruhestandsregelung oder eine Versetzung eingelassen. Zwar erklärte der Bochumer Betriebsrat die Verhandlungen erst einmal für gescheitert, aber gleichzeitig rief er die Einigungsstelle an, die der Ex-Präsident des Landesarbeits­ge­richts Bremen, ein gewisser Martin Bertzbach, leiten sollte.

Eine Einigungsstelle soll laut Be­triebs­ver­fassungsgesetz dort eine Lösung schaffen, wo die „normalen“ Betriebs­ver­fas­sungsorgane Betriebsrat, Gesamt- oder Kon­zernbetriebsrat und Vorstand/ Ge­schäfts­leitung keine zustande bringen. Sie besteht aus zwei gleichstarken Delega­tio­nen von Betriebsrat und Arbeitgeber sowie einem Vorsitzenden, auf den man sich vorher einigen muss. Dieser wirft schlussendlich seine Stimme in die Waagschale und entscheidet die Sache. In aller Regel dient sie dazu, die Unternehmensvorstellungen weitgehend durchzusetzen, wenn es nicht gelingt, die Einigungsstelle unter dem Druck massiver Kampfbereitschaft der Be­legschaft arbeiten zu lassen. Das war aber bei Opel allem Anschein nach nicht mehr gegeben. Eine gewisse begrenzte Gestal­tungsmöglichkeit besteht dann lediglich noch, wenn es der Arbeitnehmerseite ge­lingt, einen für sie günstigen Vorsitzenden durchzusetzen.

Das scheint bei dem Herrn Bertzbach nicht der Fall gewesen zu sein. Der Opel-Betriebsrat hat das Risiko aber offenbar in Kauf genommen. Insgesamt achtmal tagte diese Einigungsstelle. Das Ergebnis war die bekannte Katastrophe. Der Arbeitsplatzabbau wurde beschlossen.

420 Kolleg/innen der Jahrgänge 1955-1957 trifft nur oberflächlich betrachtet ein „besseres Schicksal“: Sie werden auf „Kurzarbeit Null“ gesetzt. Toll für die GM Manager: sie fliegen von der Opel-GM-„pay roll“, dafür gehören sie ab 1. März 2013 zu einer so genannten Transfer­ge­sell­schaft. Die meisten von ihnen gehören zu den 900, die bereits aufgegeben haben.

Bleiben noch 600 die sich dem wachsenden Druck ausgesetzt sehen, doch noch „freiwillig“ zu gehen. Die Abfindungs­an­ge­bote, die weit hinter denen vergangener Jahren bleiben, werden nur für die etwas aufgestockt, die sich schnell entscheiden. Wer bis zum 7. Juli unterschreibt, erhält zur Abfindung noch acht Brutto­mo­nats­ge­hälter, eine Woche später nur noch vier, bis 15. August 2011 drei.

Abfindung bringt keine Sicherheit!

Allerdings auch hier ist absolute Vorsicht angesagt: Wer freiwillig in seine eigene Arbeitslosigkeit einwilligt, dem droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I! Diese kann zur vollen Streichung des ALG-I von bis zu drei Monaten führen. Doch damit nicht genug: Beim Arbeits­lo­sen­geld II (ALG II, „Hartz IV“!) wird’s – Peter Hartz, Gerhard Schröder und Joschka Fischer sei Dank – noch schikanöser! Da die Abfindung als Einkommen bzw. nach dem Auszahlungsdatum als Vermögen gilt, droht hier eine Ablehnung. Sollte es danach irgendwann doch noch zu ALG-II kommen, so droht eine Sanktion wegen Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit nach § 31 Abs. 3 SGB II sowie möglicherweise nach § 34 SGB II Ersatzansprüche des Jobcenters. Nach § 34 Abs. 2 SGB II können sich diese sogar auf die Erben erstrecken.

Bei allzu frohlockend klingenden An­ge­boten sollten die Kolleg/innen also vorsichtig sein und lieber eine rechtliche Be­ra­tung oder Informationen bei der Agentur für Arbeit einholen. So zynisch das klingt: Es sollte ernsthaft geprüft werden, ob und wann ggf. eine betriebsbedingte Kün­di­gung günstiger ist! Nach Angaben von Opel haben aber bereits mehrere hundert Mitarbeiter den „freiwilligen“ Schritt in die Abfindung vollzogen. Sollten nicht genügend Abfindungen akzeptiert werden und die Mitarbeiter/innen nicht selbst gehen, wird es eben die betriebsbedingte Kün­digung geben.

Endstation Transfergesellschaft?

Arbeiter, die sich für einen Auf­he­bungsvertrag entscheiden, wechseln zum 1. Oktober oder zum 1. Dezember zunächst ebenfalls zur Transferge­sell­schaft. Dort verbleiben die meisten für ein Jahr, um anschließend von dort in die Ar­beitslosigkeit zu rutschen, Hauptsache, Opel ist sie los!

Offiziell dienen Transfergesellschaften der Qualifikation und eventuell der Ver­mitt­lung der an sie übergebenen Kol­leg/innen. Sie werden aus Beiträgen der Firmen, die Menschen an die Transfer­ge­sellschaft freisetzen und dem „Kurz­ar­beits­geld“ finanziert. Sie sind aber in aller Regel reine Beschäftigungstherapie bzw. in manchen Fällen sogar Verleihfirmen (nach AÜG).

Opel hat die RAG Bildungs-Transfer GmbH unter Vertrag, inzwischen eine Tochter der TÜV Nord Gruppe, die – man glaubt es kaum – auch diese „bad-bank“ der menschlichen Arbeitskraft mit einem aggressiven „Kostensenkungsprogramm“ überzieht! Der TÜV ist inzwischen einer der größten privaten Bildungsträger Deutschlands. Er versucht, mit einer aggressiven Niedrigpreispolitik Markt­an­tei­le zu gewinnen, und will in diesem Jahr in seinem Bildungsbereich bis zu 500 der 1.500 Stellen streichen. Außerdem muss jedes zweite der 40 Bildungszentren, die sich vor allem im Ruhrgebiet befinden, schließen, wovon aber das „Ausbildungs­zentrum“ bei Opel angeblich nicht betroffen sein soll. Wie dem auch sei, nach einem Jahr werden die meisten Kollegen aus der Transfergesellschaft zur „Agentur für Arbeit“ wechseln, also in die Erwerbs­losigkeit.