Entscheidende Tage für das Monsterprojekt Stuttgart 21: Lassen wir uns nicht einschüchtern!

20.6.11: Besetzung des Grundwassermanagements, Stuttgart gegen S21

Unser neuestes Flugblatt zum Kampf gegen Stuttgart 21

In Stuttgart redet man seit dem 20.06.2011 über Geschichte! Jo Bauer (Kolumnist der Stuttgarter Nachrichten und Stuttgart-21-Gegner) verkündete vor rund 6000 Montagsdemonstranten: der Tag der geplanten Präsentation des „Stresstests“ durch die Bahn sei wie der 14. Juli, der französische Nationalfeiertag, der Tag des Sturms auf die Bastille! Nahmen die Gegner das etwa zu wörtlich?

Gleich danach nämlich besetzten Demonstranten die Baustelle des so genannten Grundwasser-Managements (GWM). Für diese waren in der Nacht nach dem „schwarzer Donnerstag!“ zahlreiche Bäume des denkmalgeschützten Parks so widerrechtlich wie gewaltsam gefällt worden.

Nun lag der Bauzaun am Boden, Demonstranten strömten massenhaft hinein. Einige Aktivisten kletterten unter großem Beifall auf die hohen Wassertanks neben dem Pumpengebäude, enterten dessen Dach und hängten Protestplakate auf. Es entwich massenhaft Luft aus zahlreichen Reifen der Baustellenfahrzeuge. „Baustopp selber machen!“ – diese Parole von den Transparenten prangte nun auf Baukontainern und Röhren. Auf der Baustelle lagern hunderte von technisch aufwändigen blauen Röhren für die 17 km(!!!) oberirdisch, auf Stelzen, geplanten Rohrleitungen des GWM. Sie waren mit Bauschaum unbrauchbar gemacht oder weitläufig im Park verteilt worden. „Die Rohre sind nicht mehr zu gebrauchen!“, jammerte mittwochs die Stuttgarter Zeitung! Das GWM wird jetzt so schnell wohl nichts mehr!

 

Den Hass sät nicht die Bewegung gegen Stuttgart 21!

Sofort begann die Medienhetze: 9 Polizisten seien angeblich schwer verletzt worden. Acht hätten durch einen Böller ein Knalltrauma erlitten. Ein bewaffneter(!) Zivilpolizist sei krankenhausreif geschlagen worden. Bilder des Vorfalls im Internet zeigen das nicht.

Bis zu 1,5 Millionen Euro Schaden sei angerichtet worden. Der Sprecher des Stuttgart-21-Projektes Dietrich hetzte, das Verhalten der Demonstranten sei schlicht kriminell! Die Bahn machte den schwachen grünen Landesverkehrsminister Winfried Hermann und Ministerpräsident Kretschmann für „die Ausschreitungen“ verantwortlich. Schnell distanzierten sich alle möglichen Grünen und sonstigen Vertreter aus dem Aktionsbündnis und trugen dazu bei, dass die Aktionsgruppe der Parkschützer nun als „Schuldige“ angegriffen wird. Entsetzt stellte die projektfreundliche Presse allerdings fest, dass unter den „kriminellen“ Demonstranten zahlreiche ältere Leute waren. Und dass hunderte, ja über tausend Menschen aller Altersgruppen auf die Baustelle geströmt waren!

Was sind 8 Polizisten, denen ein paar Stunden die Ohren pfeifen gegen Menschen, denen man mit Wasserwerfern das Augenlicht nahm? Niemals werden Verantwortliche, die bewaffnete „Zivile“ in eine Demo schicken, zugeben, dass diese „agents provocateurs“ sind – das liegt im Wesen der Sache.

Natürlich will kein Demonstrant einem anderen Menschen schaden, aber ein Kampf voller Emotionen bringt auch Auseinandersetzungen mit sich. Wer hat denn die Lage in den Tagen davor so aufgeheizt und tut es weiter?

 

Die Bahnbosse und ihre „Sympathisanten“ heizen aktiv die Stimmung an!

Die Medien verlieren kein einziges Wort über die offensichtliche Verantwortung des Bahnvorstands für die eskalierte Situation! Die Bahnvorstände verhalten sich wie Feudalherren: Schlichtung? Die hat uns dieses Volk aufgezwungen! Zusagen an die Volksbewegung? Was interessiert uns unser Geschwätz von gestern? Sie lassen erklärtermaßen weiterbauen, ohne den „Stresstest“ auch nur abzuwarten.

 

Grubes Trickserei um den „Stresstest“!

Dieser ist ein wichtiger Bestandteil der so genannten Schlichtung, des Faktenchecks im Jahr 2010. Die Bahn hat ihn in den öffentlichen Runden vor aller Welt zugesagt! Im „Stresstest“ muss sie die von den Projektbefürwortern behauptete 30%ige Leistungssteigerung des 8-gleisigen Tunnelbahnhofs gegenüber dem 16gleisigen Kopfbahnhof beweisen. Fachleute bezweifeln dies bis heute und das mit guten Argumenten.

Doch kaum waren die Scheinwerfer der Medien abgedreht, erklärte Bahnvorstand Kefer, den „Stresstest“ hinter verschlossenen Türen durchführen zu wollen, gegen den Protest des Aktionsbündnisses, das eine öffentliche Durchführung verlangte. Das ist Betrug!

Nun geht die Hetze weiter. Der „Stresstests“ soll am 14. Juli 2011 öffentlich gemacht werden. Bahnchef Grube ließ zunächst erklären, dass er danach die sofortige(!) Erklärung aller Beteiligten erwarte, nun sei alles OK und könne man endlich bauen. Später wollte er gnädig drei Tage dafür gewähren. Aber dann werde sofort weitergebaut, die wichtigsten Großaufträge vergeben usw. Dies war eine offene und provokative Kampfansage der gesamten Tunnelriege an die Kritiker, an die Projektgegner sowie an die neue grün(rote) Landesregierung.

Weiter: Hatte seit der Schlichtung und bis zur Landtagswahl ein weitgehender Baustopp geherrscht, verlangte die Bahn, ab dem 16. Juni den Bau des GWM voll weiter zu treiben. Seitdem blockierten jeden Morgen Parkschützer/innen und Aktive des Aktionsbündnisses die Baustelle, behinderten die Baufahrzeuge. Die Blockaden wurden von der Polizei mit zunehmender Härte aufgelöst.

Wer heizt da die Stimmung an? Genau in dieser angespannten Stimmung erfolgte die Baustellenbesetzung!

Das ist immer noch nicht alles: Am Donnerstag (23.06.2011) tönten plötzlich alle Medien: Die Bahn habe den Stresstest für Stuttgart 21 bestanden! Das ist etwa so, als wenn Herr zu Guttenberg die Note für seine Doktorarbeit gleich selbst in seiner Schreibstube festsetzen darf. Die Bahn hatte aber doch zugesagt, wenigstens ein „unabhängiges“ Schweitzer Ingenieurbüro sollte die Ergebnisse zunächst begutachten! Da war selbstredend noch gar nichts geschehen. Aber: Stuttgarter Nachrichten, Stuttgarter Zeitung, Sonntag aktuell, der SWR, sie alle meldeten dies, als sei es die reine und unumstößliche Wahrheit, die Sache sei entschieden, alle, die jetzt noch meckerten, seien eben die bekannten „Betonköpfe“, „Fortschrittsverweigerer“ usw. Eine weitere üble Provokation! Der grüne baden-württembergische Verkehrsminister wurde öffentlich von Bahn, Projektbefürwortern, der FDP und der CDU der Lüge beschuldigt, weil er behauptet hatte, die genauen Zahlen des Stresstestes nicht zu kennen. Das Aktionsbündnis will an der Präsentation nicht mehr teilnehmen. Nun muss Herr Geißler (CDU / Attac) wieder ran, um die Scherben halbwegs zu kitten. Er hatte bekanntlich die Schlichtung bzw. den Faktencheck des letzten Jahres moderiert.

Inzwischen werden zwei Festnahmen von angeblichen Gewalttätern vom 20.6 2011gemeldet. Und am 3.07. meldet der „Spiegel, dass die Bahn systematisch die Projektkosten heruntergerechnet hat.

So geht die Bewegung gegen Stuttgart 21 in ihre wohl entscheidende Phase. Am Montag, dem 4. Juli, werden übrigens erstmals Gewerkschafter/innen morgens um 6 Uhr die Baustelle des GWM blockieren, darunter auch leitende Funktionäre der IG Metall und von Ver.di aus der Region Stuttgart, wobei die IG Metall Stuttgart fehlt.

 

Die Bewegung gegen Stuttgart 21 geht weiter.

Sie lässt sich nicht einschüchtern! Am Montag, 27.06, standen wieder 7000-8000 Demonstranten lautstark, kämpferisch und friedlich vorm alten Hauptbahnhof und forderten die Einstellung des Projekts. Für Samstag, den 9. Juli ist eine weitere Großdemonstration angemeldet.

 

Den Drohungen nicht weichen!

Grube gehört längst gefeuert. Er schadet der Bahn! Was an Investitionen nötig ist, unterbleibt, weil Grube die anderswo benötigten Investitionsmilliarden in ein Irrsinnsprojekt und dessen gewaltsame Durchsetzung vergräbt! Durchgängiger Taktfahrplan? Intakte Gleise? Ersetzung oder Reparatur des rollenden Schrotts, der bei der Bahn durch die Lande tourt? Aber nicht doch!

Das miserabel bezahlte Bahnpersonal in den Zügen erlebt längst seinen alltäglichen Stresstest – als Watschenmänner und -frauen für empörte Bahnkunden wegen all der Missstände im Bahnbetrieb, die sie weder ändern können noch zu verantworten haben, wohl aber die Damen und Herren aus Herrn Grubes Vorstand. Und diese Herrschaften betreiben seit Wochen in Stuttgart eine Politik der Drohung und des Tatsachen-Schaffens! Warum wundern sie sich über die Wut, die sie hervorrufen?

1,5 Mio. Euro Schaden wird uns vorgerechnet! Was kosten denn Gorleben, Wackersdorf, Wyhl? Was kostet jeder ernsthafte Streik? Wir lassen uns keine Kosten vorrechnen! Wenn sie uns mit aller (Gerichts- oder Staats-)Gewalt Schadenersatzforderungen reindrücken wollen, dann muss Solidarität darauf antworten! Lassen wir keinen der jetzt Bedrohten und Verhafteten – ob Rentner/in oder Student/in – im Stich!

Was kostet dagegen das Gezocke an Finanzmärkten und Börsen? Aktuell dem griechischen Volke seine sozialen Besitzstände! Für das „Freiheitsrecht des Zockens“ werden Bevölkerungen arm gemacht!! Dafür werden Milliarden an Garantien ausgesprochen, für deren Einlösung „wir Steuerbürger“ haften.

Wenn „Projektsprecher“ Dietrich von „kriminell“ redet, dann soll er von den gewöhnlichen kapitalistischen Kriminellen sprechen, die in so vielen Bank- und Konzernvorständen hocken, die ganze Städte, die Umwelt, Arbeitsplätze, Löhne, Arbeitsbedingungen für Millionen Menschen verjubeln – für ihren privaten Profit! Herr Dietrich und seine Oberherren sollen aufpassen: Sie säen Hass! Kennen sie nicht Thomas Münzers gefürchtete Worte: „Die Herren machen das selbst, dass ihnen der gemeine Mann feind wird!“

Nicht einschüchtern lassen, nicht von Drohungen, nicht von Polizei und Gerichten. Montag, der 20. Juni erlebte einen Akt der Freiheit! Die Stuttgarter Röhren-Nacht oder besser auf neudeutsch „The Stuttgart Tube Party!“

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Etwas Geschichte!

 

Jo Bauer (Kolumnist der Stuttgarter Nachrichten) hatte die Montagsdemonstration daran erinnert, der Tag der Präsentation des „Stresstests“ durch die Bahn sei der der Tag des Sturms auf die Bastille! Noch brauchen wir diese Erinnerung nicht bemühen angesichts der gar schröcklichen Taten der „kriminellen“ Stuttgarter Baustellenbesetzer! Die Ereignisse vom dem 20.Juni in Stuttgart erinnern eher an ein anderes historisches Ereignis: an die „Boston-Tea-Party“ 1773.

Über die koloniale Steuer- und Zollpolitik der englischen Krone empörte Bürger der 13 Neuengland-Kolonien in Amerika erregten sich über das Teemonopol des Staates, das sie zwingen sollte, einen ihnen aufoktroyierten Teezoll zu akzeptieren, d.h. zu bezahlen. Sie wehrten sich, weil sie keine Chance hatten, im Unterhaus darüber mit zu beschließen. „No taxation without representation!“(Keine Besteuerung ohne eigene Abgeordnete!) war ihre Parole! Dezember 1773 lagen 3 britische Tee-Schiffe im Bostoner Hafen, und die Bürger riefen zum Boykott der Lieferung auf. Der Gouverneur der Krone bestand aber ultimativ auf der Entladung und der dann fälligen Ablieferung des Zollgeldes für den 17. Dezember. Daraufhin stürmten Bo­sto­ner Bürger am Vorabend – als Indianer verkleidet (gab es kein Ver­mummungsverbot?!) – nach tagelangen antimonarchistischen Massendemonstrationen (!!) kurzerhand die Schiffe und warfen die Teeladungen komplett in den Hafen!

Kriminell!, geiferte der Gouvernör, dem die Grundlage der erhofften Zollzahlung buchstäblich davon schwamm. Dieser Akt erregte die britische Regierung so sehr, dass sie drakonische Strafen androhte. Das kennen wir auch heute! Wir hätten gerne den Kommentar der Stuttgarter Zeitung dazu gelesen!

Übrigens: die bald erfolgte Exekution der angedrohten englischen Strafen der Krone führten in eine historische Niederlage Englands: in den Befreiungskrieg der Neuengland-Territorien, den England verlor!

Diese so genannte Boston Tea Party wird in allen Schulen des Landes als Sternstunde der Freiheit gerühmt, als der Beginn des amerikanischen Befreiungs­kampfes, an dessen Ende die USA entstanden! Jener angebliche Hort der Freiheit und Demokratie, zu dem die Herren Grube, Dorfs, Frau Merkel und all die anderen täglich aufschauen. Wohlan denn: Wir erlebten einen Akt des Ungehorsams, einen Akt der Freiheit, einen Akt der Demokratie von unten von großer Symbolkraft!

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