Bericht vom Envio-Prozeß in Dortmund

Am 9.Mai 2012 begann in Dortmund vor dem Landgericht der Prozess gegen die Umwelt-Skandalfirma Envio, ihren Chef Dirk Neupert und drei Kollaborateure.

Das Gerichtsgebäude war leicht zu finden; vor dem Haupteingang stand schon eine etwas größere Gruppe von Menschen mit Schildern. Bei näherem Hinsehen erwies sich jedoch, dass zumindest die Schilderträger Mitglieder der Grünen waren, die offenbar den Prozess für ihren Wahlkampf missbrauchten.

Der Prozess fand in großen Saal 130 statt – der liegt im 3. Stock und einen Fahrstuhl gibt es angeblich nicht. Eine gehbehinderte Frau, die die Mühen des Treppensteigens auf sich nahm, um dabei zu sein, wurde von Gerichtsbediensteten damit vertröstet, dass im Laufe der Zeit das öffentliche Interesse nachlassen werde, dann könne man die folgenden Prozesstermine in einem kleineren Saal unten machen… Nachdem wir die Sicherheitsschleusen überstanden hatten, musste einer der Besucher feststellen, dass es im Landgericht angeblich auch keine Toiletten gab…

Erstaunlicherweise waren zum Prozess alle vier Angeklagten erschienen, äußerten sich jedoch während der gesamten Termindauer nicht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. Die trug der Staatsanwalt etwa eine Stunde lang vor. Er war noch wesentlich ausführlicher als der schon informative Dokumentarfilm des WDR „Grünkohl, Gifte und Geschäfte“. (Den kann man übrigens bei YouTube ansehen und auch im Archiv des WDR im Internet)

Danach wollte einer der Verteidiger eine Gegenrede vortragen . Der Richter entschied daraufhin, seine Vollmachten so auszulegen, dass er die Gegenrede zuließ, obwohl es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Dem widersprach der Staatsanwalt – allerdings vergebens.

Die „Gegenrede“ der Verteidigung glich dann eher einem Schlussplädoyer, was der Richter allerdings nicht unterband. Sie war entnervend lang, wimmelte von Unterstellungen („Hetzkampagne der Medien“, das Vorgehen des Umweltministers sei politisch motiviert, sachlich unbegründet und somit ein ungeheurer Skandal usw.), sie wimmelte von Spitzfindigkeiten wie unterschiedlichen juristischen Bewertungen von „Schadstoffen“ und „Abfällen“, und gipfelte in indirekten Drohungen gegen die 22 als Nebenkläger auftretenden geschädigten ehemaligen Envio-Beschäftigten. Er wies sie darauf hin, dass ihnen, falls sie den Prozess verlören, die Prozesskosten auferlegt würden… Außerdem beleidigte er sie, in dem er ihre gesundheitlichen Schäden auf „ungesunden Lebensstil“ zurückführte. Diesen Zynismus plapperte Neupert dann gegenüber Fernsehreportern nach. In allen Medien, die ich gesehen bzw. gelesen habe, wurde die diese Aussage des Verteidigers herausgegriffen – insofern ist es vielleicht ganz gut, dass er seine „Gegenrede“ halten und sich so entlarven konnte. Mit der Erklärung hat er ja sogar Recht, nur vergisst er, dass ja gerade wegen des ungesunden Lebensstils der bei ihm Beschäftigten sein Mandant auf der Anklagebank sitzt… Ein weiteres tolles „Argument“ war, dass ja gar nicht nachgewiesen sei, wie stark die PCB-Belastung durch Envio bei den Geschädigten sei, denn bei ihrer Einstellung habe man nicht festgestellt, welchen PCB-Gehalt sie da „wie jeder von uns“ schon in sich hatten…

Dirk Neupert drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 10 Jahre Haft. Im Zuhörerraum waren einige Mitglieder der Bürgerinitiative, die dankbar klatschten, als der Staatsanwalt die Gegenrede der Verteidigung auch moralisch richtig einstufte. Ihr Klatschen wiederum veranlasste den Richter dazu, jede Reaktion aus dem Publikum zu untersagen. Die Mitglieder der Initiative sind überzeugt davon, dass es zwischen „denen da oben“ ein Gekungel gibt. „Die haben Angst davor, dass der Neupert auspackt, wenn sie ihn in die Zange nehmen.“

Mit dem Verlesen der „Gegenrede“ war der heutige Termin beendet. Der Richter teilte noch mit, dass es an den nächsten 5 oder 6 Terminen um die in der Vergangenheit für und gegen Envio erteilten Genehmigungen und Stilllegungbeschlüsse gehen werde – erst danach käme es zur Beweisaufnahme und zu Zeugenbefragungen. Eine der Prozessparteien zitierte aus den Akten einmal sie Seite 6761 oder so ähnlich – das war bestimmt nicht die letzte Seite der Akten. Insgesamt rechnet er mit noch etwa 15 Terminen.