Filmbesprechung: „Auslandseinsatz“

Im Film werden die Bundeswehrsoldaten als sympathische "Helfer" dargestelltFilmisch ausgesprochen geschickt wird hier der Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan „entpolitisiert“ und „individualisiert“, indem die Geschichte von jungen, naiven Soldaten geschildert wird, die zum ersten Mal in ein für sie fremdes Land kommen. Dabei wird der Zuschauer sehr rasch in emotionale Geiselhaft genommen. So muss er mit ansehen, wie ein afghanisches Mädchen bei einem Beschuss des Bundeswehr-Konvois, der selbstverständlich einem afghanischen Dorf Hilfe bringen will, von den bösen Taliban ermordet wird. Er muss mit ansehen, wie die Bundeswehrsoldaten verzweifelt versuchen, dieses Mädchen zu retten und dabei ihr Leben riskieren. Da kann man als „emotionale Geisel“ nur auf Seiten der „Helfer“ und „Retter“ stehen. Passend dazu werden die Taliban nie als Individuen gezeigt. Sie sind weitgehend eine anonyme und damit unheimliche Gefahr. Da wurden einem Mädchen zwei Finger abgeschnitten, weil es sich die Fingernägel lackiert hatte. Die Bundeswehrärztin hilft natürlich und versorgt die Wunde. Gut und Böse sind hier klar verteilt. Taliban sieht man nur einmal aus der Nähe, als sie eine deutsche Lehrerin, die den Afghanen Kultur und Fortschritt bringen wollte, gefoltert haben und vor laufender Videokamera zu dem Geständnis zwingen, sie habe gegen Allah gesündigt und anschließend erschießen. Auch hier wird der Zuschauer in emotionale Geiselhaft genommen, denn es ist klar, dass sein Herz für die beiden Bundeswehrsoldaten schlägt, die befehlswidrig versuchen, diese Helferin und einen ebenfalls gefangenen Bundeswehrsoldaten zu befreien.

Der Film erweckt den Eindruck, als sei die Bundeswehr eine Missionstruppe für Frauenbefreiung und um den Wilden endlich einmal Zivilisation zu bringen. Alles ist gut!

Natürlich wird auch „problematisiert“. So ist der eine aus der „Hilfstruppe“ ein Draufgänger, der gerne alle Taliban erschießen will. Sein besonnener Gruppenführer, der die offiziellen Propagandasprüche von der „Hilfsmission“ wie auswendig gelernt hat und munter abspult, wirkt pädagogisch auf ihn ein und prügelt sich auch mal mit ihm. Oder da ist ein Soldat in der Gruppe, der aus Afghanistan stammt. Seine Mutter wurde – natürlich – von den bösen Taliban erschossen, weil sie Lehrerin war. Er ist nun deutscher Staatsbürger und will natürlich seinem Land helfen. Da gibt es die Befehlsverweigerung, die dazu führt dass der „moralisch edle“ Gruppenführer vor ein Truppengericht gestellt und unehrenhaft entlassen werden soll. Sein Hauptmann gesteht ihm aber beim Abschied, dass er als Mensch sein Handeln billigt.

Im Prinzip suggeriert der Film, dass die Bundeswehr als Moralbringer noch viel mehr in Afghanistan eingreifen müsste und den Wilden dort einmal so richtig Kultur beibringen müsste. Nebenher gibt es kleine Seitenhiebe auf den ach so unsensiblen Verbündeten USA. Die US-Truppen zerstören erst die Dorfschule, die dann mühselig von den „Kulturbringern“ aus Deutschland wieder aufgebaut wird. Und als die „Edlen“ aus Deutschland schließlich das Vertrauen der „Wilden“ in Afghanistan gewonnen haben, bringt die US-Army bei einem Sondereinsatz den Sohn des Bürgermeisters um. Da müssen die „Edlen“ aus Deutschland erst einmal wieder mühselig als „Kulturbringer“ alles ausbügeln, was die brutalen Amerikaner zerstört haben.

Störend beim Bild der Missionstruppe wirken nur die vielen Maschinengewehre, die gepanzerten Fahrzeuge, die schusssicheren Kampfanzüge.

Fragen nach Machtinteressen werden mit diesem Film beiseite gewischt. Ebenso die Frage nach der Rechtmäßigkeit, in andere Länder einzumarschieren. Verbrechen wie die Ermordung von 142 Männern, Frauen und Kindern bei Kundus unter Leitung des deutschen Oberst Klein passen auch nicht in das Moral triefende Bild vom Krieg, das dieser Film malt. Der Film suggeriert zwar, dass Krieg zu den höchsten moralischen und philosophischen Höhenflügen erhebt, doch die Realität sieht anders aus. Imperialistischer Krieg weckt die primitivsten Instinkte und lässt die Menschen moralisch verkommen. Symbole dafür sind Guernica, das von deutschen Bombern als Hilfsaktion für den Faschisten Franco dem Erdboden gleichgemacht wurde oder Sant’Anna di Stazzema, ein italienisches Dorf, in dem von der SS als Racheakt gegen Partisanen ca. 560 Menschen, hauptsächlich Frauen und Kinder, ermordet wurden. Der Vietnamkrieg, der Krieg im Irak, Lybien, Syrien und die vielen anderen Kriege des Imperialismus belegen dies ebenfalls. Warum sollte ausgerechnet der Afghanistankrieg ein Krieg der Philosophen und Moralapostel sein?

Der Film ist, obwohl er sich bemüht, das hinter moralischem Zuckerguss zu verbergen, billige Kriegspropaganda. Er erinnerte mich an das alte Arbeiterlied:

 

Was treiben wir Deutschen in Afrika?

Was treiben wir Deutschen in Afrika?
Hört, hört!
Die Sklaverei wird von uns allda zerstört.
Und wenn so ein Kaffer von uns nichts will,
Den machen wir flugs auf ewig still.
Piff paff, piff paff, hurra!
O glückliches Afrika!

Wir pred’gen den Heiden das Christentum.
Wie brav!
Und wer’s nicht will glauben, den bringen wir um.
Piff paff!

O selig die „Wilden“, die also man lehrt
Die „Christliche Liebe“ mit Feuer und Schwert.
Piff paff, piff paff, hurra!
O glückliches Afrika!

Wir haben gar „schneidige Missionar'“,
Juchhei!
Den Branntwein, den Krupp und das Mausergewehr
Die drei.
So tragen „Kultur“ wir nach Afrika.
Geladen! Gebt Feuer! Halleluja!
Piff paff, piff paff, hurra!
O glückliches Afrika!

(Melodie: „Es klappert die Mühle am rauschen Bach“, Verfasser unbekannt, Demokratisches Liederbuch, Stuttgart 1898.)

 

ernst