Magdeburg im Januar – Proteste gegen Neonazis

Die Aktivitäten der Neo-Faschisten in der Stadt waren und sind nur unter Schutz von Polizei, Geheimdienst und weiterer Hilfen (z.B. Bundesbahn) durchführbar.

Die Elbestadt war 1944 und 1945 Ziel von alliierten Luftangriffen. Bei der schwersten Bombardierung durch die Royal Air Force am Abend des 16. Januar 1945 kamen mehr als 2.500 Menschen ums Leben. Etwa 190.000 wurden obdachlos. Bei dem 39 Minuten dauernden Angriff mit Luftminen, Spreng-, Brand- und Phosphorbomben wurden 90 Prozent der Innenstadt zerstört. Der Bombenangriff auf Magdeburg gehörte zu den verheerendsten des Zweiten Weltkrieges überhaupt.

In den letzten Jahren versuchen Neo-Faschisten in Magdeburg ihre Sicht der damaligen Kriegsereignisse kundzutun. Jahr für Jahr wächst dagegen der Widerstand der Magdeburger.

Seit mehreren Jahren wird eine sogenannte „Meile der Demokratie“ in der Innenstadt durchgeführt

Im Vorfeld der fünften „Meile der Demokratie“ in Magdeburg war über die Art und Weise dieses Protests erbittert gestritten worden. Für Aufsehen sorgte dabei vor allem ein Papier der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, in dem zu einer Blockade der Neonazi-Demonstration aufgerufen wurde. In dem unter anderem von der Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, unterzeichneten Aufruf wird auf das Bürgerrecht des zivilen Ungehorsams verwiesen.

Magdeburgs Oberbürgermeister Trümper lehnte Sitzblockaden hingegen ab. Der SPD-Politiker sagte, er befürchte eine Gewalteskalation durch einzelne Krawallmacher, die sich dabei unter die Menge mischen könnten. Trümper rief stattdessen dazu auf, sich zur „Meile der Demokratie“ auf dem Breiten Weg zu versammeln. Auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht verurteilte jegliche Blockadepläne. „Wir sollten die Rechtsextremen mit Missachtung strafen und nicht blockieren“, sagte der CDU-Politiker der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Die Magdeburger Antifaschisten sehen das aber ganz anders!

Im Vorfeld des 12. Januar 2013, dem Tag der Blockaden in Magdeburg, wurden Treffs, Sitzungen, Seminare durchgeführt. Das Bündnis Magdeburg nazifrei wertete die letzten Jahre aus und organisierte den antifaschistischen Widerstand. Wir nahmen an der Aktivierungskonferenz am 27. Oktober 2012 teil. Vertreten waren Grüne, verschiedene Antifaschisten, Zusammen-Kämpfen Magdeburg, FAU, MLPD/Rebell, Montagsdemonstranten und vereinzelte Gewerkschafter. Der Schwerpunkt der Diskussionen betraf die Verhinderung des Naziaufmarsches. Die politische Dimension wurde aber nur ungenügend betrachtet. Die Problematik, dass die Nazis mit dem Segen des bürgerlichen Staates – also legal – ihren „Trauermarsch“ durchführen dürfen und der Staat dies schützt, wurde zu wenig thematisiert.

Gerade eine Forderung nach einem „Verbot aller faschistischen Organisationen“ würde eine politische Forderung in die Öffentlichkeit tragen.

Ebenso vernachlässigt wurde die Frage der Unterstützung von und überregionale Mobilisierung durch die DGB-Gewerkschaften. Eine entsprechende Aufforderung zur Unterstützung fand leider keinen Eingang in die Resolution der Konferenz. Wir sind der Meinung dass eine Massenmobilisierung durch die Gewerkschaften, ähnlich wie in Dresden, ausschlaggebend ist für den Erfolg antifaschistischer Blockaden in Magdeburg. Der Blockadeaufruf wurde jedoch lediglich von einigen überregionalen Gliederungen der Gewerkschaftsjugend unterschrieben. Dabei war gerade die offizielle Unterstützung in Sachsen-Anhalt und Magdeburg besonders gering. Neben der lobenswerten aber eher symbolischen Unterstützung eines Verdi Fachbereichs unterschrieb nur die IG-Metall Verwaltungsstelle Magdeburg-Schönebeck den Aufruf – nach langem Taktieren des Vorstands und dank Druck der Gewerkschaftsbasis. Diese Zustände sind nur möglich, weil sich die Gewerkschaftsführungen widerstandslos auf die Stigmatisierung antifaschistischer Proteste und der beteiligten Kräfte durch Stadt- und Landesregierung berufen kann. Wir sind der Ansicht dass es die Aufgabe der Kommunisten ist den Kampf für das Engagement der Gewerkschaften an der Basis zu unterstützen und zu intensivieren, und die Diskussion darüber in die Antifa-Bewegung zu tragen.

Den Aufruf des Bündnis Magdeburg nazifrei „Wenn die marschieren … werden wir blockieren!“ unterzeichneten wir auch als Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (ARBEIT ZUKUNFT). Wir beteiligten uns soweit es möglich war im Januar an allen drei antifaschistischen Aktionen. In Gesprächen und in unseren Flugblättern sprachen wir uns für ein Verbot aller faschistischen Organisationen aus.

Am 12.01.2013: Eine völlig neuen Polizeistrategie, die es so bisher so nicht gab

Mit über 3.000 Aktivisten waren wir in Magdeburg mehr denn je. Die vermeintliche „Nazi-Gedenkroute“ konnte, dank Blockaden im Stadtteil Herrenkrug, der als Auftaktkundgebungsort der Nazis geplant war, zum ersten Mal nicht durchgesetzt werden.

Die verschiedenen Informationskanäle waren aber nicht optimal vernetzt. Mal wurde davon gesprochen, dass die Nazis in Neustadt ihren „Gedenkmarsch“ beginnen, dann wieder am Hauptbahnhof. Teil dieser Verwirrung war das Verhalten der Polizei die entweder schwieg oder desinformierte. Nachdem durchsickerte das die Nazis im abgelegenen Südosten am Bahnhof SKET (Ernst-Thälmann-Werk) ihre Zusammenrottung durchführen würden, wurde die Route einer Spontandemo dorthin verlegt. Nachdem die friedliche Demo am Schleinufer (ca. 8km vom Naziaufmarsch entfernt) von der Polizei mit massiver Gewalt und ohne Vorankündigung auseinander getrieben worden war, sammelten sich viele Antifaschisten in der nahe gelegenen Hegelstraße, wo sie abermals auf massive Polizeiabsperrungen mit Wasserwerfern und Reiterstaffeln trafen. Ein Durchkommen über andere Wege war bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich und auch ein Erreichen der Nazi-Route zeitlich nicht mehr gegeben.

Die Polizei verwandelte fast den gesamten Süden der Stadt in eine Absperrzone, um die Neonazis unter keinen Umständen von ihrer geplanten Demonstration abzuhalten, während der Protest in der Innenstadt gewaltsam nieder geprügelt wurde. Auch Anwohner kamen mit ihrem Personalausweis nicht durch die Polizeisperren. Antifaschisten wurden auf polit-mafiöse Art in fahrende Autos gezogen und verhaftet und zum ersten mal in Sachsen-Anhalt wurden Wasserwerfer in Stellung gebracht. Sogar auf der „Meile der Demokratie“ in der Innenstadt wurden Antifaschisten eingekesselt und mit Pfefferspray und Knüppeln traktiert. Für viele der insgesamt 12.000 Besucher der Meile der Demokratie war dieser Polizeiterror schockierend. Und das sollte er wohl auch sein!

Genossen der MLPD/Rebell und ARBEIT ZUKUNFT setzten sich gemeinsam auf verschlungenen Pfaden in Marsch Richtung SKET-Bahnhof. Leider schafften es nur sehr wenige Antifaschisten dorthin. Gemeinsam protestierten wir lautstark gegen den Naziaufmarsch. In Gesprächen mit einigen Fußgängern sprachen wir über diesen Marsch, der nur unter Schutz des Staates stattfinden konnte. Die Empörung war groß!

Etwa 50 Antifas standen etwa 900 Nazis und hunderten Polizisten entgegen. Nur durch Hilfe und Unterstützung der Polizei konnten die Nazis ca. 5 km in Richtung Bahnhof Südost marschieren. Pfiffe, Buh-Rufe und antifaschistische Parolen begleiteten sie.

Dass die Polizei wohl ein besonderes Interesse an einer erfolgreichen Demonstration der Neo-Faschisten gehabt hat, lässt sich ganz besonders an den Vorfällen am „Libertären Zentrum“ in Magdeburg-Salbke beobachten. Das Libertäre Zentrum bietet seit Jahren einen Freiraum für antifaschistische und rassismuskritische Projekte. Nicht nur wurde eine Kundgebung von mehreren hundert Neonazis direkt vor dem Gebäude genehmigt und die Anwohner damit einer unmittelbaren und ernsten Gefahr durch Übergriffe ausgesetzt, sondern die Polizei selbst bereitete sich zusätzlich auf eine Räumung des Freiraumes vor, bewaffnete sich im Vorfeld mit Flex, Kettensäge, Hammer und Rammbock. Der menschenverachtenden Hetze  des „Trauermarsches” wurde ein verbaler und lautstarker Protest entgegen gesetzt, was die Polizei dazu veranlasste, mit der Räumung des Gebäudes zu drohen.

Eine offensive und aggressive Einsatztaktik ist ursächlich für zahlreiche Verletzungen verantwortlich

Sieben leicht verletzten Polizisten stehen mindestens 100 verletzte Gegendemonstranten gegenüber, wie der Demo-Sanitätsdienst am Ende des Tages bilanzierte

Im Zusammenhang mit den brutalen Polizeieinsätzen fand in Magdeburg am 19. Januar

Eine weitere Demo statt unter dem Motto:

Gegen die Kriminalisierung von Antifaschismus – Ziviler Ungehorsam ist ein Grundrecht!“. Wir beteiligten uns und verteilten „Arbeit Zukunft“ unter Passanten und Demonstranten.

Am Samstag, den 26. Januar, erlebte Magdeburg zum dritten Mal in Folge antifaschistische Proteste. Anlass war ein weiterer, recht kurzfristiger Demonstrationsaufruf von Neonazis unter dem Motto „Wir wollen leben – Zukunft statt EU-Wahn“. Das Bündnis Magdeburg nazifrei mobilisierte seit Dienstag, dem 22.01.13, zu entsprechenden Gegenaktivitäten. Obwohl an diesem Tag nur ca. 150 Antifaschisten in Magdeburg unterwegs waren setzte die Polizei ihre Trennungs- und Verwirrtaktik fort und sorgte dafür dass die Nazis eine kurze Strecke durch die Stadt marschieren konnten.

Wir verlangen das Verbot aller faschistischen Organisationen!

Wir fordern, dass jeglicher Polizeischutz von Naziveranstaltungen sofort eingestellt wird!

Wir fordern, dass faschistische Propaganda unterdrückt wird!

Die staatliche Finanzierung aller faschistischen Parteien ist sofort einzustellen!

Die Bespitzelung von Antifaschistinnen und Antifaschisten muss beendet werden!

Diejenigen, die für ihre antifaschistischen Aktivitäten bestraft wurden, müssen rehabilitiert werden!