Filmbesprechung: „Der Untergang“: Der fürsorgliche Führer

Der Führer hat Kinder auf den Knien, der Führer liebt seinen
Schäferhund, der Führer kümmert sich fürsorglich um seine Sekretärin,
der Führer bedankt sich artig bei der Köchin – so eie lieber,
menschlicher Führer. Der Führer ist ein alter, schwacher, Mitleid
erregender Zittergreis. Und dann ist der Führer verrückt. Hätte er doch
nur auf seine tapferen Generäle gehört, dann hätte er den Krieg
gewonnen.

Adolf Hitler, das „tausendjährige Reich“ werden hier zu einer ganz
privaten Geschichte – ohne jeden historischen, politischen,
ökonomischen Hintergrund. In dieser privaten Geschichte gibt es
„deutsche Helden“, die „treu zum Führer und zu Deutschland“ stehen, die
sich bis zum Schluss aufopfern, die den Führer retten und überzeugen
wollen. Natürlich gibt es auch „Verräter“, „Feiglinge“, „Deserteure“.
Angetrunken torkeln sie über die Leinwand, während die „Helden“
fieberhaft gegen den Untergang ankämpfen und den Führer Adolf Hitler
retten wollen. Stellenweise erinnert der Film – allerdings nur als
schlechter Abklatsch – an das Heldenepos des Nibelungenliedes mit
Treue, Verrat und bitterer Niederlage. Das ist wohl auch so gewollt. So
ertönt auf einmal pathetische Trauermusik, als der Führer Adolf Hitler
seiner Sekretärin sein politisches Testament diktiert. Was ist daran so
traurig und pathetisch, wenn ein Verbrecher endlich und zum Glück für
unser Volk geschlagen ist? Überhaupt ist der Einsatz der Musik und
manches weitere Detail verräterisch. So wird der Sekretärin Hitlers am
Ende des Films, als sie sich vor der siegreichen Roten Armee und ihrer
Verantwortung davonstiehlt, von einem Nazi-General geraten, nur ja
niemals einem „Russen in die Augen“ zu schauen, weil sie sonst
vergewaltigt wird.

Dazu zeigt der Film detailliert die Bomben- und Artillerieangriffe auf
Berlin, das Leiden der Zivilbevölkerung. Hier geht er mal auf kritische
Distanz zu Hitler, der die Leiden der Bevölkerung als verdiente Strafe
für ein unterlegenes, schwächeres Volk bejubelt.

Sonst erfährt man nicht viel über das Nazi-Regime. Im Abspann wird kurz
erwähnt, dass der 2.Weltkrieg nicht nur Opfer bei den Deutschen
gefordert hat, sondern über 50 Millionen Menschen in ganz Europa
ermordet wurden. In einem Satz des Abspanns wird auch die Ermordung von
Millionen Juden erwähnt. Das war’s! Wie Hitler mit finanzieller
Unterstützung der Großindustrie die NSDAP aufbaute, wie die
Großindustrie Hitler an die Macht brachte, wie die Arisierung und der
Krieg dem Großkapital zur Bereicherung diente, wie die Kommunisten,
Sozialdemokraten und politischen Gegner des Kapitals und des Faschismus
in den KZs ermordet wurden, das alles spielt im Film „Der Untergang“
überhaupt keine Rolle. Der Faschismus wird auf das Handeln von
Individuen reduziert – ohne jeden gesellschaftlichen Hintergrund.

Für die offenen Nazis ist der Film sicher nicht schön anzusehen. Denn
Hitler wird darin zwar als menschlicher, aber zugleich verbohrter,
seniler Trottel und Wahnsinniger gezeigt. Der Film entspricht aber
üblicher bürgerlicher Geschichtsschreibung, wonach Hitler ein Unfall
der Geschichte war, ein Wahnsinniger an der Macht, gegen den niemand
etwas tun konnte. Er entspricht auch der weit verbreiteten Meinung
unter bürgerlichen Geschichtsschreibern, dass die Generalität der
Reichswehr in überwiegender Mehrheit „vernünftig“ war und der Krieg zu
gewinnen gewesen wäre, wenn nicht der „Verrückte“ Hitler, den Generälen
ständig in ihrem Handwerk herumgepfuscht hätte.

Beschämend ist, dass ein solcher Film, der mit pompösem Anspruch von
„historischer Wahrheit“ in den Medien angekündigt wurde, sich
weitgehend auf die Erinnerungen der persönlichen Sekretärin Hitlers
stützt. Eine glühende Verehrerin des Führers, die bis zuletzt für ihn
und mit ihm in den Tod gehen will. Im Abspann des Films darf sie ihre
Lebenslüge verbreiten, dass sie von den ganzen Verbrechen des
Nazi-Regimes wie z.B. der Ermordung der Juden nichts gewusst hätte. Das
war die billige Standard-Ausrede aller Nazis nach dem Krieg: „Wir haben
ja nichts gewusst!“ Diese Aussage wird auch nicht dadurch abgemildert,
dass sie erklärt, sie hätte ja „vielleicht“ wie Sophie Scholl mehr
wissen können. Mit historischer Wahrheit haben die primitiven
Geschichtsverfälschungen und Heroisierungen einer glühenden
Hitler-Verehrerin nichts zu tun.

Warum erscheint ein solcher Film in dieser Zeit unter dem Jubel vieler
Medien? Er ist im Interesse der Herrschenden, die Kriegs“tugenden“ wie
„Tapferkeit“, „Treue“, „Kameradschaft“, „Opferbereitschaft“ wieder
hoffähig machen wollen. Denn immerhin ist die deutsche Bundeswehr
wieder in aller Welt im Einsatz und diese Einsätze werden zunehmen. Da
kommt es gerade recht, den „Irren“ Hitler von den „vernünftigen“
Wehrmachtsgenerälen zu trennen und die „Ehre“ der Wehrmacht
wiederherzustellen. Nicht zufällig saß nahezu zeitgleich Bundeskanzler
Gerhard Schröder mit dem Enkel des Großkapitalisten und
Kriegsverbrechers Flick in Berlin zusammen, um dessen
Beutekunst-Ausstellung zu eröffnen. Normalerweise wird einem Verbrecher
seine Beute weggenommen. Kriegsverbrecher Flick jedoch durfte sein
Blutgeld und seine Beutekunst behalten, vermehren und weitervererben.
Mit den Hintermännern des Faschismus wurde niemals konsequent
abgerechnet. Im Gegenteil! Sie wurden in der BRD zu angesehenen,
einflussreichen Persönlichkeiten – zu den Gründervätern dieses Staates.
Der Film „Der Untergang“ und die Politik unseres Staates passen also
zusammen und entsprechen den Interessen der Herrschenden, des Kapitals.

ernst