TTIP – Vorsicht Falle!

Freier Handel? Oder imperialistischer Krake?Was ist TTIP? TTIP ist das Transatlantische Freihandelsabkommen, das zur Zeit zwischen der EU und den USA verhandelt wird. Die Verhandlungen dauern allerdings schon lange und gingen weitgehend im Geheimen vor sich. Schon im April 2007 wurde die „Rahmenvereinbarung zur Vertiefung der transatlantischen Wirtschaftsintegration“ zwischen der EU und den USA unterzeichnet und daraufhin der „Transatlantische Wirtschaftsrat“ (TEC) gegründet. Er befasst sich nun seit mehr als 6 Jahren mit den Hürden, die einer Einigung im Weg stehen könnten.

Auf dem EU-US-Gipfeltreffen vom 28. November 2011 wurde die Gründung einer „High-Level Working Group on Jobs and Growth“ beschlossen. Diese Arbeitsgruppe wird von jeweils nur einem Vertreter von USA und EU repräsentiert. Der EU-Vertreter ist der EU-Handelskommissar Karel de Gucht.

Was ist von einem solchen Freihandelsabkommen zu halten? Es gibt weltweit eine ganze Menge solcher Abkommen, z.B.Gesamtamerikanische Freihandelszone (FTAA), Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América (ALBA), lateinamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft, Zentralamerikanischer gemeinsamer Markt (MCCA), Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen (CEFTA), Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika (COMESA), Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (SADC) usw. Die offizielle Lesart für die Begründung der Freihandelszonen ist: „Ziel des Freihandelsabkommens beider Vertragspartner ist es, durch den Freihandel Vorteile bei der Güterverteilung und eine Steigerung des Außenhandels zu erreichen.Damit entsprechen sie dem Grundgedanken der (neo-)klassischen Außenhandelstheorie, die auf dem Modell der komparativen Kostenvorteile von David Ricardo fußt, wonach durch freien Handel zwischen Staaten Wohlfahrtsgewinne für alle beteiligten Staaten erreicht werden können.“ (Wikipedia).

In Wirklichkeit ist es so, dass die Freihandelszonen, an denen etwa die USA beteiligt sind, die anderen beteiligten Staaten noch mehr in Abhängigkeit gebracht haben. Die Freihandelszonen sind ein neokoloniales Modell zur Ausbeutung der abhängigen Länder. Einerseits öffnet es die Märkte dieser Länder für Waren aus den imperialistischen Metropolen und behindert oder verhindert so den Aufbau einer eigenen Industrie, andrerseits werden billige Arbeitskräfte aus den abhängigen Ländern in den Arbeitsmarkt der Metropolen integriert und damit die Löhne gedrückt. Es ist eines der Ziele des TTIP-Abkommens, die Sozialstandards zu senken.

Globalisierungskritische Organisationen wie „attac“ sind seit einiger Zeit auf das TTIP-Abkommen aufmerksam geworden und kritisieren es heftig. Die Kritik bezieht sich einerseits auf das undemokratische Verfahren, mit dem die Verhandlungen verborgen vor der Öffentlichkeit und vor den Parlamenten geführt werden. „attac“ schreibt, die TTIP-Verhandlungen funktionierten wie ein Kuhhandel: Die EU bietet z.B. an, das Einfuhrverbot für Genfleisch zu streichen und fordert im Gegenzug von den USA, ihre Zulassungskontrollen für neue Medikamente abzuschwächen.

Es werden aber auch die Inhalte des Abkommens kritisiert.

Im Einzelnen sind das:

  • Sonderklagerecht für Unternehmen: Ausländische Investoren sollen vor Schiedsstellen klagen können, wenn Gesetzesänderungen ihre Investitionen oder Gewinnerwartungen einschränken. Internationale Investoren bekommen so Sonder-Klagerechte in einem völlig intransparenten, parallelen Rechtssystem. Dabei entscheiden nicht ordentliche Gerichte, sondern private, hochbezahlte Juristen. Ein Beispiel dazu: Die Bundesregierung hatte nach der Atomkatastrophe von Fukushima die Abschaltung mehrerer AKWs beschlossen. Der Energiekonzern Vattenfall klagt als ausländischer Investor dagegen auf 3,7 Milliarden Euro Schadenersatz vor einer internationalen Schiedsstelle (nicht vor einem bundesdeutschen Gericht!). Im Erfolgsfall für den Konzern zahlt der Steuerzahler.

  • Öffentliches Beschaffungswesen: Wenn Gemeinden, Landkreise oder Bundesländer Aufträge vor Ort vergeben, um etwa die regionale Wirtschaft anzukurbeln, „diskriminieren“ sie entfernte Anbieter. Das ist in einer Freihandelszone verboten. Im Rahmen der TTIP-Verhandlungen drängt die EU auf eine weitreichende Liberalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens. Das könnte auch als Hebel dienen, um die Wasserversorgung, die selbst in den USA noch überwiegend in kommunaler Hand ist, zu privatisieren.

  • Urheber- und Patentrecht: Ob Patente auf Saatgut oder die Datensammelwut im Internet – die Lobbyisten von Monsanto, Google und Amazon hoffen auf noch größere Freiheiten auf beiden Seiten des Atlantiks. Zuletzt wurde im ACTA-Abkommen (Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) versucht, aus der Weiterleitung eines Zeitungsartikels eine Urheberrechtsverletzung zu machen. Nach umfangreichen internationalen Protesten lehnte das Europäische Parlament ACTA am 4. Juli 2012 mit großer Mehrheit ab.

  • Vorsorgeprinzip: Mit diesem grundlegenden politischen Handlungsprinzip lässt sich z.B. Fracking in Europa verhindern, weil Folgeschäden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können. Viel besser gefällt den Monopolen die Leitlinie, wonach alles erlaubt ist, für dessen Schädlichkeit keine gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisse vorliegen. Fällt das Vorsorgeprinzip, könnten viele Verbraucherschutzstandards wie Dominosteine fallen.

  • Zukunftsfähige Entwicklung: Trotz aller Beteuerungen, ökologische Standards zu berücksichtigen, bleibt die Umwelt auf der Strecke, allein schon durch die prognostizierte Ausweitung des Handels und Verkehrs. Zugleich steigert der Preisdruck durch mehr Konkurrenz den Druck auf Umweltvorschriften. Durch die größeren Wirtschaftsräume entstehen noch größere multinationale Konzerne.

Interessanterweise wird zur Zeit auch eine Freihandelszone zwischen der EU und Westafrika ausgehandelt, wo man sich bereits auf den Abbau von „Handelshemmnissen“ geeinigt hat. „Hierbei liefen die Verhandlungen zwischen Delegationen unter der Regie von EU-Handelskommissar Karel de Gucht und Kadré Desiré Ouédraogo, Präsident der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (kurz CEDEAO) am 9. Februar in der senegalesischen Hauptstadt Dakar auf einen Kompromiss zu. Für die Europäische Exportwirtschaft wird sich die Liberalisierung durchaus lohnen und die Außenhandelsquote weiter steigern. Inwieweit es sich für die westafrikanischen Handelspartner lohnen wird, bleibt abzuwarten.“ schreibt die Online-Zeitung „der Freitag“. Interessanterweise ist Ouédraogo – einer der reichsten Männer Afrikas – der äußerst korrupte Präsident von Burkina Faso, einem der ärmsten Länder, und eine zentrale Figur des so genannten „Francafrique“, wie die neokoloniale Beherrschung ehemals französischer Kolonien durch das Mutterland oft genannt wird.

Im Bezug auf das TTIP-Abkommen fordert „attac“:

  1. TTIP-Verhandlungen sofort beenden.

  2. Verhandlungsdokumente bei Handels- und Investitionsabkommen sind stets umgehend offenzulegen.

  3. Keine Sonderklagerechte für Konzerne – bestehende Verträge müssen geändert werden.

  4. Handels- und Investitionspolitik muss dem Gemeinwohl dienen und die Umwelt bewahren.

Die ersten drei Forderungen sind vollkommen berechtigt und wir sollten sie nach Kräften entsprechend unterstützen. Die vierte Forderung halte ich für illusorisch. Wir leben schließlich im Zeitalter des Imperialismus, und da geht es nicht um das Gemeinwohl und die intakte Umwelt, sondern um Profite und Macht. Dass sich das einmal ändert, dafür treten wir ein. Damit sich das ändert, müssen die kapitalistischen Monopole zerschlagen und das kapitalistische System durch die sozialistische Revolution beseitigt werden.

S.N.