Vor 69 Jahren wurde Hitlerdeutschland besiegt – doch der Faschismus lebt wieder auf

2. Mai 1945: Rote Fahne auf dem Reichstag in Berlin

Am 2. Mai 1945 wurde von der Roten Armee die rote Fahne auf dem Reichstag in Berlin gehisst.

 

Vom 8. auf den 9. Mai 1945 kapitulierte das faschistische Deutschland bedingungslos. Damit war Europa von dieser mörderischen Diktatur befreit. 55 Millionen Menschenleben kostete der Krieg. Rund 6 Millionen Menschen wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Das war nun vorbei.

Für viele war die Angelegenheit damit erledigt. Nun konnte das „demokratische Deutschland“ beginnen. Doch das ist ein historisches Märchen.

 

Tatsachen statt Märchen

Man muss tiefer schürfen, um zu verstehen, was passierte. Daran hatten die herrschenden Kreise im Westen Deutschlands wenig Interesse. Denn dann hätten sie offen legen müssen, dass die Großindustrie und das Finanzkapital die Geburtshelfer des deutschen Faschismus waren.

Hitler war kein Dämon, kein Geisteskranker, sondern er wurde vom kapitalistischen System an die Macht gebracht: eben von dieser Großindustrie und dem Finanzkapital, welche Angst vor einem revolutionären Umsturz durch die Arbeiterklasse hatten und in Hitler ihren Retter sahen. Millionen wurden für die NSDAP gespendet.

Das Kapital profitierte vom Faschismus, als es diesen an die Macht gebracht hatte. Bereits am 2. Mai 1933 wurden die Gewerkschaften verboten und die so genannte Deutsche Arbeitsfront übernahm deren Platz. Streiks und Tarifverhandlungen wurden abgeschafft. Zwangsarbeit wie der Reichsarbeitsdienst wurde eingeführt.

Zuvor waren die Kommunisten als entschiedenste Gegner des NS-Regimes in die KZs gekommen. Folter, Terror, Mord waren die Instrumente, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen und die Menschen einzuschüchtern. Es gab in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern keine breite Einheitsfront gegen den Faschismus. Die SPD bekämpfte die KPD. Auch auf Seiten der KPD gab es Mängel bei der Schaffung einer breiten antifaschistischen Front.

An den Kriegsvorbereitungen und am Krieg verdiente das Großkapital erneut. Viele Firmen wie Daimler, Porsche, Zahnradfabrik Friedrichshafen wurden erst durch die Rüstung groß. Die Banken verdienten an der Finanzierung. Durch die brutale industrielle Ausbeutung der KZ-Häftlinge und der Zwangsarbeiter/innen explodierten die Profite.

 

Reinwaschung

Es ist eine besondere Tragik unseres Landes, dass es sich nicht selbst befreien konnte. Es wurde von außen befreit. Und dementsprechend bestimmten die jeweiligen Staaten in ihren Besatzungszonen. Während in der sowjetischen Besatzungszone die Antifaschisten, Sozialdemokraten und Kommunisten ungehindert arbeiten konnten, die Verantwortung für den Aufbau eines neuen Staates übernahmen und das Großkapital gemäß dem Potsdamer Abkommen enteigneten, war es im Westen umgekehrt.

Bald begann die Reinwaschung der alten Nazis und ihrer Hintermänner in Großindustrie und Finanzkapital. Die katholische Kirche richtete mit dem US-Geheimdienst CIC (Counter Intelligence Corps) eine so genannte „rat line“ (Rattenlinie) ein. Diese besorgte hochrangigen Nazis gefälschte Papiere und organisierte Fluchtrouten nach Lateinamerika, in das faschistische Franco-Spanien, Arabien usw. So genannte „Spruchkammern“ verteilten großzügig „Persilscheine“ (damit wurden die Nazis reingewaschen). Über 13 Millionen Spruchkammerverfahren gab es. Aber kaum einer war schuldig. Die meisten wurden als „Mitläufer“, „gering Belastete“ entlastet. Viele Täter sahen sich als „Opfer“, als „Verführte“.

Möglich war dies, weil die westlichen Besatzungsmächte in ihrem Antikommunismus und im von ihnen bereits geschürten Kalten Krieg wieder auf die alten Nazis in Staat und Verwaltung zurückgriffen und nie ernsthaft vorhatten, das Kapital zu enteignen.

Das widersprach dem Willen des deutschen Volkes. Denn den Menschen war klar, dass der Kapitalismus als Ursache beseitigt werden musste. Sogar die CDU war gezwungen, dieser Stimmung politisch entgegen zu kommen. So beschloss die CDU in NRW in ihrem Ahlener Programm von 1947: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden…. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.“ Doch das waren Worte, während man gleichzeitig daran arbeitete, den Kapitalismus wieder funktionsfähig zu machen. Rasch stiegen alte Nazis in höchste Staatsämter auf. So konnte z.B. der frühere KZ-Baumeister Lübke Bundespräsident werden. Spätestens seit den NSU-Morden wird offen zugegeben, dass der „Verfassungsschutz“ von Nazis aufgebaut und diese als „Experten“ benötigt wurden.

Das Kapital bekam freie Bahn. Durch den Krieg war so viel zerstört, dass es nur aufwärts gehen konnte. Diesen Aufschwung nutzte man, um zu „beweisen“, dass der Kapitalismus „sozial“ sei.

Schon in den ersten wirtschaftlichen Krisen, die massiv auftraten, als der Wiederaufbau beendet war, wurden Löhne gesenkt, soziale Rechte abgebaut, Massenentlassungen vorgenommen. Mit dem Zusammenbruch der ehemals sozialistischen, mittlerweile entarteten Staaten 1989 endete auch die Systemkonkurrenz, in der der Kapitalismus seine „Überlegenheit“ beweisen musste. Der „Sieg“ des Kapitalismus wurde verkündet. Seither kann er ungehindert sein wahres Gesicht zeigen: radikaler Sozialabbau, Armutslöhne, Massenarbeitslosigkeit, imperialistische Neuaufteilung und -ordnung der Welt usw.

 

Mit dem „Sieg“ des Kapitalismus blühte der Faschismus wieder auf

Konsequent bekämpft wurden die Nazis nie. Doch über lange Zeit mussten sie sozusagen im Schatten leben. Ihr offenes Auftreten wurde nicht gefördert. Nach 1989 änderte sich das schlagartig.

Bekannt sind die Brandanschläge von Solingen und Mölln usw., bei denen viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Die NSU-Morde und die Beteiligung des Verfassungsschutzes daran sind ein Zeichen dafür, wie mörderisch die Nazis sind.

Jazenjuk, Ministerpräsident der Ukraine, mit Hitlergruß

Auf dem Maidan in Kiew: In der Mitte der aktuelle ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk mit Hitlergruß, links Tjagnibok, Vorsitzender der faschistischen Partei „Swoboda“, rechts Klitschko

 

Überall in Europa lebten faschistische Gruppierungen auf. In Italien wurde die faschistische MSI umgewandelt und unter Berlusconi „regierungsfähig“. In Österreich wurde die rechtsradikale FPÖ von Haider für einige Zeit an der Regierung beteiligt. In Estland und Litauen traten alte SS-ler zu Gedenkmärschen auf. Sie wurden vom Staat als „Freiheitskämpfer gegen den Kommunismus“ geehrt. In Ungarn kam der rechtsradikale Viktor Orbán an die Macht. Er ist eng mit der CDU verbunden. Während die EU sich noch distanzierte, als in Österreich die Partei von Haider an der Regierung beteiligt war und in Italien die MSI Ministerposten bekleidete, ist dies inzwischen nicht mehr der Fall. Im Gegenteil! Man unterstützt offen Nazis wie in der Ukraine, fördert sie mit Millionen Euro und bringt sie als „Freiheitskämpfer“ durch Putsche an die Regierung.

 

Wozu braucht das Kapital die Nazis wieder?

Es ist ganz offensichtlich: Die Nazis spalten die Menschen. Da gibt es nationale Spannungen, religiöse Hetze – jeder soll gegen jeden kämpfen. Das ist ja nicht auf die Nazis beschränkt. Wenn die Regierung gegen die „islamischen Terroristen“ hetzt oder vor steigenden Asylzahlen warnt, dann bereitet sie den Boden vor, auf dem die Nazis ackern. Für das Kapital ist es angenehm, wenn die Menschen sich gegenseitig bekämpfen, statt eine Front gegen das Kapital zu bilden. Man kann sehr deutlich sehen, dass in allen Ländern, wo eine tiefe Krise herrscht wie Griechenland, den osteuropäischen Staaten, Spanien, Italien die Nazis für diese Spaltung genutzt werden. Aber auch in Frankreich und Deutschland werden Front National und AfD von den Medien hochgepäppelt und mit viel Geld unterstützt.

Bei der Expansion des Machtbereiches sind Nazis hilfreich, wie man jetzt in der Ukraine sehen kann. Bewaffnete faschistische Trupps stürzten die legale Regierung und wurden als „Freiheitskämpfer“ gefeiert, während die Menschen, die nun gegen die illegale Regierung in Kiew, in der Nazis als Minister sitzen, protestieren, als gewalttätige Aufrührer verurteilt werden.

Der Naziterror schüchtert zudem ein, macht Angst und führt zur Liquidierung der Gegner des Systems.

Und im Kriegsfall sind die Nazis die Speerspitze des kapitalistischen Systems für die gnadenlose Unterwerfung und Ausbeutung anderer Länder.

 

Europa ist nicht vom Faschismus befreit

Wir sehen also: Europa ist nicht vom Faschismus befreit. Zwar wurde der Hitlerfaschismus am 8. Mai 1945 besiegt, doch seine Erben sind aktiver, als je zuvor. Eine wirkliche und dauerhafte Befreiung kann nur durch die Völker kommen. Gegen die Spaltung ist die Einheit, Solidarität und gemeinsamer Kampf in einer möglichst breiten Front nötig. Insofern ist der 8. Mai nicht nur ein historisches Datum, sondern Anlass, diesen großen Kampf um Befreiung vom Faschismus fortzusetzen und zu Ende zu bringen!

dm