Korrespondenz: 30.11.04: Vorsicht, Kamera!

Auf der gestrigen Montagsdemo in Magdeburg die insgesamt eine recht
lahme und von Parteiengeklüngel geprägte Veranstaltung war, hatte ich
ein Erlebnis der besonderen Art. Wie immer habe ich fotografierend die
Demo begleitet und versucht, Eindrücke einzufangen. Plötzlich fing man
mich. Ein paar Beamte baten mich, zur Identitätsfeststellung
mitzukommen. Ich sah dafür keinen Anlass und wollte wissen, warum das
nötig sei. Man erklärte mir, ich hätte Fotos von zivilen Einsatzkräften
gemacht und deswegen müsse ich mitkommen.
Kurzerhand packten mich zwei Polizisten unter den Armen und zerrten
mich in Richtung  Polizeitransporter. Dort musste ich dann meinen
Personalausweis vorlegen („sonst durchsuchen wir sie!“) und man
erklärte mir, dass „Herr Gerlach bereits genug Passfotos habe und keine
weiteren bräuchte.“ Man stellte mir zur Wahl, entweder die Fotos zu
löschen oder die Kamera würde „sicher gestellt“. Auch hier könne man
mich wieder durchsuchen, eine Beamtin sei ja auch da. Fotos zu löschen
ist nicht mein Ding, außer sie sind verdammt schlecht,  und so
entschieden wir uns für die Sicherstellung des gefährlichen
Bildträgers. Gern wollte ich auch was Schriftliches haben und der damit
verbundene Aufwand an Schreiberei war so ziemlich das einzige Highlight
an der ganzen Aktion. Irgendwann hielt ich also eine Niederschrift zur
Sicherstellung in der Hand und las darauf folgenden Grund:
‚Verhinderung der Enttarnung ziviler Einsatzkräfte/ Veröffentlichung.
Es besteht der Verdacht, dass Potraitaufnahmen von Beamten in Zivil
gemacht worden, Aufnahmen gespeichert sind.‘ Nötig sei die
Sicherstellung aus Gründen der ‚Gefahrenabwehr‘ und weg ist die Kamera.
Die bekomme ich natürlich zurück, irgendwann. Und wenn man noch Fragen
hat, wird man diese auch stellen, im Gespräch, schlimmstenfalls.
Übergeben wird meine Kamera samt Inhalt dem FK 4, Staatsschutz. Was sie
da soll, weiß ich nicht. Enttarnt haben sich die zivilen Beamten ja
selbst, wenn sie solch einen Wind um ihre Tarnung machen. Wenn der
Verdacht auf Veröffentlichung allerdings ausreicht, mutmaßlich gemachte
Fotos sicher zustellen, dann habe ich da ein gewaltiges
Kompetenzproblem. Und wenn dann noch dem Fotografierenden zum Vorwurf
gemacht wird, zivile Beamte als solche nicht erkennen zu können, um an
Ihnen wohlwollend vorbei zu knipsen, dann glaube ich, dass die
Staatssicherheit über einen größeren Handlungsspielraum verfügt, als
ich ihr zugestehen wollte.
Ein netter, unscheinbarer Herr fragte mich nebenbei, ob ich über die
Körperverletzung am 01.11. in der Nähe des Karstadt etwas wüsste („das
ist ein großes Ding!“). Ich antworte wahrheitsgemäß: „Ich war es
nicht!“ und wollte endlich gehen. Jetzt habe ich eine Menge zum
Nachdenken und ich ärgere mich. Vor allem darüber, dass jetzt dem
Staatsschutz meine Kinder in der Badewanne, beim Spielen und beim
Zähneputzen vorliegen. Die Fotos der „zivilen Einsatzkräfte“ sind
nämlich alle nüscht geworden.
(I)