Bové im Gefängnis, die sozialen Kämpfe werden kriminalisiert

Aus La Forge – Juli/August 2003:

José Bové befindet sich das zweite Mal innerhalb eines
Jahres hinter Gittern. Verurteilt wegen einer gemeinsamen und öffentlich
angekündigten gewerkschaftlichen Aktion (dem Abmähen von Gentechnikkulturen
im Freiland) hatte er klar erklärt, dass es für ihn nicht in
Frage käme, zu fliehen oder sich zu verstecken. Am frühen Morgen
des 22. Juni hat die mobile Polizei ihre Operation so ausgeführt,
als handelte sich um einen gefährlichen "Terroristen" oder
einen schwer bewaffneten Kriminellen…Sie hat das Dorf umzingelt, die
Glastür seines Hauses eingeschlagen und ihn, nachdem sie ihn in seinem
Schlafzimmer "gefangen" genommen hatten, mit dem Hubschrauber
bis zum Gefängnis von Villeneuve-les-Maguelone im Departement Hérault
transportiert.

Die Methode, der Augenblick und die Inszenierung dieser Gefangennahme
sind nicht harmlos. Die Profite der Monopolfirmen zu bedrohen, sie in
ihrem Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt zu behindern, die Legalität,
welche ihre Interessen schützt, zu übertreten und sich im Klassenkampf
zu engagieren…werden deutlich als wirkliche Verbrechen qualifiziert.
Die Rechte und die Regierung haben Maßnahmen gegen den Widerstand
gegen ihre Politik ergriffen. Die Verhaftung José Bovés
findet am Ende mehrerer Wochen von Streiks und Demonstrationen gegen die
Reformen von Fillon und Ferry (frz. Minister – d.Ü.) statt. Die Festnahmen
von Demonstranten anlässlich der letzten Strassendemonstrationen,
die Sanktionen, die auf aktive Gewerkschafter niederprasseln, die Verurteilung
von Fluggästen, die sich der gewaltsamen Abschiebung von Menschen
aus Mali widersetzten sowie die Versetzung des Präfekten von Korsika…all
das zeigt an, dass die "Ordnung" regieren muss und dass die
Regierung das beeindruckende repressive Arsenal, das seit Monaten im Namen
des Kampfes gegen die "Unsicherheit" und die "terroristischen
Bedrohungen" aufgebaut wurde, nicht unbenutzt lassen wird.

Zu Anfang hat die Repression bestimmte Menschengruppen ("Sans-papiers",
Bettler, Prostituierte oder Jugendliche aus den Vorstätten…)als
Opfer ausgesucht unter dem Vorwand, auf die Beunruhigung und das Sicherheitsstreben
der einfachen Leute zu reagieren. Zu der Kriminalisierung der Armut, der
Kriminalisierung der Jugend in den Vierteln, wo das einfache Volk lebt,
zu der Kriminalisierung bestimmter Formen des Kampfes mit radikaler Erscheinungsweise
kommt gegenwärtig immer offener die Kriminalisierung jeglichen gesellschaftlichen
Protests. Die Rechte beschleunigt Bildung des Polizeistaates, zu dem auch
die verschiedenen sozialdemokratischen Regierungen einen erheblichen Beitrag
geleistet haben. Auf einmal erscheint der Prozess der Faschisierung viel
deutlicher und er wird breiter abgelehnt.

"Die Ordnung geht der Gerechtigkeit vor" Erklärt José
Bové in einem Interview der Zeitung Le Monde (29./30. Juni 2003).
"Überall Polizei, nirgends Gerechtigkeit" erwidern die
zahlreichen Kundgebungen gegen seine Inhaftierung. Nicht erst seit heute
organisieren die herrschenden Regierungen die Selbstamnestie und Straffreiheit
für die politischen Führer und wirtschaftlichen Entscheidungsträger.
Die PS [sozialistische Partei – d. Übers.] stand vor der RPR/UMP
[bürgerliche rechte Partei – d. Übers.] dieser u.a. mit der
Reform der Parteienfinanzierung und der Affäre mit dem verseuchten
Blut in nichts nach. Trichet ist in die Affäre mit der Crédit
Lyonnais freigesprochen worden und kann sich im Moment seelenruhig um
die Präsidentschaft bei der europäischen Zentralbank bewerben.
Chirac, der mitten in Affären steckt, die von vor seiner Wahl herrühren,
schneidert sich seine Straflosigkeit zurecht. ….. Trotzdem hat sich
etwas Wichtiges geändert. Was gestern noch die Vorstellung von "alle
bestochen" nährte, ein Thema, das von der extremen Rechten weitestmöglich
ausgenützt wurde, hat heute eher die Tendenz, das Bewusstsein und
die Ablehnung der Faschisierung des Staates wachsen zu lassen.

Das bestätigt, was der Parteitag der PCOF im vergangenen November
in seinen politischen Schlussfolgerungen unterstrichen hat: "Der
Handlungsspielraum der Rechten und des Kapitals ist eng, so tief ist die
Krise und so stark entwickelt sich immer mehr der Druck der internationalen
Konkurrenz." Die Tragweite des populistischen Diskurses der Rechten,
der mit einer repressiven Politik einherging, der einen Teil der Gesellschaft
isolierte, wird zum Teil durch den Rhythmus, die Aggressivität und
das immer ausgedehntere Anwendungsfeld ihrer Reformen untergraben. Jedermann
ist betroffen und die Spaltungsmanöver bewirken weniger. Der Klassencharakter
der politischen Entscheidungen ist immer offensichtlicher: Die Schlagwörter
wie das "Frankreich von unten" verlieren jeden Kredit, wenn
es ganz offensichtlich der MEDEF [frz. Unternehmerverband – d. Übers.]
ist, der "die Gesetze macht". Die Frage der genmanipulierten
Pflanzen ist unter diesem Gesichtspunkt bezeichnend. Gestern waren es
noch die zur Schau gestellten Behauptungen von der Förderung einer
"dauerhaften Entwicklung" , die lyrischen Gedankenflüge
des Präsidenten Chirac über den "brennenden Planeten"
sogar Vorbehalte, die er gegenüber den genmanipulierten Pflanzen
ausdrückte…

Heute finden die totale Liberalisierung in der Landwirtschaft, die Aufhebung
des europäischen Moratoriums hinsichtlich der genmanipulierten Pflanzen
und die Wiederbelebung des Wettbewerbs mit den USA statt. Grund dafür
ist ohne Widerspruch für Limagrain und andere Monopole des landwirtschaftlichen
Lebensmittelsektors und des Agrobusiness gegeben, welcher durch den Mund
von Pierre Pagesse, Präsident von Biogema (Tochter von Limagrain
und französische Nummer 1 der gentechnische veränderten Pflanzen
und der pflanzlichen Biotechnologie) noch im vergangenen Januar behauptete:
"Wenn wir nicht existierten, bestünde die Gefahr, dass es nur
3 oder 4 amerikanische Gesellschaften gäbe, die den Markt kontrollierten."
(im Berufungsprozess der 10 von Valence, welche die genmanipulierten Felder
abgemäht hatten, im Januar 2003 in Grenoble). Aber gleichzeitig haben
die Kämpfe diese Fragen in der politischen Debatte weit über
die Kreise der Gegner der genmanipulierten Pflanzen, welche sie initiiert
hatten, hinaus getragen.

Die Stellungnahme einer großen Anzahl von Forschern, Angestellten
von CIRAD, INRA und IRD, ist bemerkenswert. In einem offenen Brief an
den Präsidenten der Republik wenden sie sich gegen "eine unangemessene
Sanktion" und erkennen an, dass "die Aussaat von genmanipulierten
Pflanzen in einer Umgebung, die unweigerlich kontaminiert werden wird,
nicht akzeptiert werden kann". Indem sie aufzeigen, dass ihre "Überlegungen
bezüglich der Schwere des Problems des Gebrauchs der genmanipulierten
Pflanzen, jenseits aller wissenschaftlicher Forschung, ihnen weitgehend
genützt haben", weisen sie mit Nachdruck auf die "Signalfunktion",
welche für sie die Aktionen hatten, für die José Bové
eingesperrt wird.
Überall gab es sofortige Reaktionen. Es gab keine "großen"
Kundgebungen. Aber auf den Aufruf von Organisationskomitees hin – denen
sich die PCOF in mehreren Städten beteiligte – wurden Versammlungen
von hunderten von Personen abgehalten, um die Freilassung von José
Bové zu fordern, die Kriminalisierung der sozialen Kämpfe
zu verurteilen und daran zu erinnern, dass eine Justiz, die keine Klassenjustiz
wäre "Chirac und nicht José ins Gefängnis"
stecken würde.

Zahlreiche politische und gewerkschaftliche Organisationen haben Stellung
genommen (manchmal mit einiger Verzögerung, wie die CGT-Führung,
die sich zuerst vor allem über ein Ereignis aufregte, das die Aufmerksamkeit
der Beschäftigten von der "parlamentarischen Debatte über
das Rentengesetz" ablenken werde – gemäß ihrem Kommunique
vom 22.06.2003). Gewerkschaftsabteilungen und Betriebsgewerkschaften,
Vereine haben mit Flugblättern, Kommuniques oder Briefen, die sie
José Bové geschrieben haben, Stellung bezogen. Was auch
immer der Gesichtspunkt war, von dem aus sie teilgenommen haben, viele
fühlten sich direkt betroffen von dem Willen der Regierung, die einen
hohen Preis zahlen zu lassen, welche sich ihren Reformen widersetzen,
aber auch, wie es zum Beispiel eine Stellungnahme des Komitees Norbert
Zongo ausdrückt, weil es "die gleichen monopolistischen Unternehmen
sind, welche für ihren Profit die Freilandversuche mit Gentech-Pflanzen
durchführen und die unterdrückten Länder Afrikas aushungern".
Und weil es "die gleiche Logik ist, welche hier den sozialen Widerstand
kriminalisiert und in Burkina Faso und anderswo volksfeindliche Regime,
die vom Weltwährungsfonds ausgehalten werden, unterstützt: eine
Logik, welche die "Charterflugzeuge" mit Schmach befrachtet
und die Ungerechtigkeit und das Elend für die Völker gebiert"
ist. Eine Logik, die wir gemeinsam bekämpfen müssen!!
Ein nächstes Treffen ist schon für 8., 9. und 10. August 03
in Larzac vereinbart, vor dem nächsten Gipfeltreffen der Welthandelsorganisation,
das im September in Mexiko stattfinden wird.