TTIP? Nein, Kollege Hoffmann!

Rund 90000 empörte Menschen – „Wutbürger/innen“, Arbeiter/innen, Angestellte, tausende Bauern, engagierte Humanisten, Demokraten, Antiimperialisten, Kommunisten haben am 23. April in Hannover gegen TTIP und die TTIP-Prediger Obama und Merkel, demonstriert!
Nein, nicht schon wieder, meint Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Beunruhigt wegen eines möglichen Scheiterns, fleht er: „TTIP ist auf absehbare Zeit die wohl letzte große Chance, den Welthandel im transatlantischen Interesse mitzugestalten und demokratische Prinzipien für fairen und freien Handel zu verankern“
Herr Kramer! Ohne TTIP keine Chance mehr für die Kapitalist/innen, die Sie vertreten?! Sollen wir das so verstehen? Sehr interessant. Haben Sie vielleicht aus Versehen ausgeplaudert, was wirklich abgeht in der Welt? Brutale Macht ökonomisch-imperialistische Räuber, unter denen nur das Recht des (ökonomisch-militärisch) Stärkeren gilt statt der so oft bemühten… „Fairness“? Dann doch lieber TTIP?!

Apropos „Fairness“!
Am 1. Mai spricht in Stuttgart der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. ZDF-Teletext, aber auch z.B. das Finanzwirtschaftsportal http://www.finanznachrichten.de zitieren neben Kramers inständigem Bitten auch Hoffmanns Reaktion: „DGB-Chef Reiner Hoffmann rief US-Präsident Obama dazu auf, TTIP für fairen Welthandel und die Verankerung von Arbeitnehmerrechten zu nutzen. Für Obama wäre es doch „eine gute Gelegenheit, sich nicht nur für mehr freien Handel, sondern mehr fairen Welthandel einzusetzen“, sagte Hoffmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Glauben Sie tatsächlich, Kolleg Hoffmann, dass diese Sorge Herrn Obama umtreibt?
Glauben Sie wirklich auch das Folgende? „Im TTIP-Abkommen müsse es ein verbindliches Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung geben, das auch die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) anerkenne. Hoffmann nannte Behauptungen, Gewerkschaften seien gegen Freihandel, „abstrus“. Die Gewerkschaften wollten allerdings „mehr fairen internationalen Welthandel“.
Bitte, Kollege Hoffmann, hören sie auf, Illusionen zu schüren. Es gibt doch schon zahlreiche „faire“, „nachhaltige“, „an unseren Werten“ orientierte Abkommen über „freien Handel“. Gerade die EU ist hier „Spezialist“ – in Afrika, in Südostasien, in der Ukraine… Und wie sieht die Welt aus? Eben!
Hoffmann will also TTIP mit Girlanden. Trotz seines hilflosen Appells an Obama aber gibt es auch damit keinen fairen Welthandel oder bessere Arbeitnehmerrechte, sondern verschärfte, gnadenlose Konkurrenz und Arbeitsplatzabbau.
Der 1. Mai wäre eine gute Gelegenheit, dem DGB-Vorsitzenden und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass er nicht im Namen der Mitglieder spricht. Wir sollten daher – gerade auch in Stuttgart, wo Reiner Hoffmann am 1. Mai sprechen soll – mit möglichst vielen Transparenten und Schildern gegen TTIP zeigen: Wir sind gegen TTIP, gegen CETA und all die anderen Abkommen dieser Art! Auch laute Buhrufe können nicht schaden, wenn er für ein arbeitnehmerfreundliches TTIP Werbung macht.

DGB verteidigt sich gegen uns – er ist für „faires TTIP“
Auf unseren Vorschlag an die Kolleg/innen, am 1.Mai Reiner Hoffmann wegen seiner Haltung zu TTIP die Meinung zu sagen bzw. auch mit Buhrufen zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist, reagierte der DGB-Geschäftsführer der Region Nordwürttemberg, Bernhard Löffler. In einer Mail schrieb er:
„Das ist ein sehr verkürzter Satz aus einem Zitat, das Reiner Hoffmann der Funkemediengruppe gegeben hat. Anbei vollständig – damit ist klar, dass wir nicht für TTIP sind, sondern für fairen Handel. Für manche ist das nicht genug, damit müssen wir leben…
‚Die Gewerkschaften sind nicht gegen Freihandel, das ist abstrus. Handel ist der zentrale Treiber der Globalisierung, deren Früchte aber immer ungleicher verteilt werden. Gewerkschaften fordern mehr fairen internationalen Welthandel. Dazu bietet das Abkommen zwischen der EU und den USA Chancen, wenn sie offensiv genutzt werden. So setzt sich der DGB gemeinsam mit dem amerikanischen Gewerkschaftsbund AFL-CIO dafür ein, dass das TTIP-Abkommen zwingend die Anerkennung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) enthalten muss. Zu den Normen gehören u.a. das Übereinkommen zur Vereinigungsfreiheit (1948) und zum Recht auf Kollektivverhandlungen (1949), die bis heute nicht von den USA ratifiziert wurden. Im Gegenteil: in 25 Bundesstaaten der USA gibt es sog. „Right-to-Work“ Gesetze, auf deren Grundlage Gewerkschaften offen bekämpft werden. Das in Deutschland wohl bekannteste Beispiel ist Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee, wo massiv die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung (Betriebsrat) am dortigen VW Standort verhindert wurde. Das verträgt sich nicht mit fairem Handel.
Die USA fordern selbst in internationalen Handelsabkommen, dass die IAO Arbeitsnormen anerkannt werden, zuletzt in dem transpazifischen TPP Abkommen. Für Barak Obama wäre es bei seinem Besuch in Hannover eine gute Gelegenheit, sich nicht nur für mehr freien Handel, sondern mehr fairen Welthandel einzusetzen. Mit einem verbindlichen Kapitel im TTIP-Abkommen zur nachhaltigen Entwicklung, in dem die Kernarbeitsnormen anerkannt werden, könnte die US-Bundesregierung den notwendigen Druck auf die US Bundesstaaten ausüben, die die IAO Konventionen umsetzen müssen. Die Unterstützung der Gewerkschaften wäre ihm sicher.'“
Diese „Verteidigung“ macht es nicht besser. Im Gegenteil sie bestätigt unsere Meldung. Der DGB setzt sich für TTIP ein. Er will nur „fairen Handel“ und Arbeitnehmerrechte gewährleistet sehen. Das sind Illusionen oder Schlafpillen, um die Menschen zu beruhigen. Im Lissabon-Vertrag der EU gibt es lange Passagen über die Arbeitnehmerrechte. Sie sind das Papier nicht wert. In Griechenland wurde von der EU beispielsweise die Tarifautonomie außer Kraft gesetzt und die Löhne von der Troika diktiert. Man muss schon sehr naiv sein, zu glauben, alles wäre gut, wenn in TTIP ein paar Floskeln über „fairen Handel“oder „Arbeitnehmerrechte“ stünden, wäre alles gut. Und so viel Naivität trauen wir dem DGB-Bundesvorsitzenden nicht zu. Also ist ist es die übliche sozialdemokratische Praxis, Beruhigungspillen zu verteilen, aber die Interessen des Kapitals durchzusetzen. Eine solche Politik richtet sich gegen die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder, der Arbeiter und Angestellten. Der Protest dagegen ist mehr als berechtigt.