Das geht alle an! Ver.di fordert Tarifvertrag zu massiver Entlastung des Pflegepersonals

Gesundheitswesen, Krankenhäuser: Profit geht über alles

Die Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern stehen 2017 vor einem wichtigen Kampf. Ihre Arbeitsbedingungen sind oft kaum noch erträglich, Überlastung, Personalengpässe, Personalkürzungen, gestrichene Pausen, Anrufe in der Freizeit der Krankenpflegekollegen, sofort zur Arbeit zu erscheinen….

Dagegen fordert Ver.di jetzt bundesweit einen „Tarifvertrag Entlastung“. Die Kernforderungen sind gerechtfertigt und unverzichtbar. Sie verlangen die Solidarität aller arbeitenden und erwerbslosen Menschen in wirklich allen Branchen. Sie zu unterstützen, ist im Interesse aller Menschen, die sich keine Krankheitsbehandlung in teuren Privatkliniken leisten können. Wie die Bildung ist auch das Gesundheitswesen eine ausgesprochene Klassenfrage und muss gerade den arbeitenden Menschen der Gesellschaft nützen, nicht nur den Reichen und ihrem Profit.

Die derzeitigen Zustände gefährden nicht nur die Gesundheit der pflegenden Kolleg/innen, sondern auch der Patienten der Krankenhäuser. Ver.di: „Wir wollen nicht, dass unsere Arbeit für die Gesundheit der Menschen uns selbst krank macht ….und dass unsere Patientinnen und Patienten kranker werden, weil wir zu wenige sind. Selbst der Deutsche Ethik-Rat spricht davon, dass es nötig sei, das `Patientenwohl als Maßstab im Krankenhaus zu verankern´ und fordert einen Pflege-Personal-Schlüssel“ (Vgl.: https://gesundheit-soziales-bb.ver.di.de/themen/nachrichten/++co++9df913b8-531b-11e6-a6b5-525400ed87ba).

Pflegekräfte schildern ihre dramatische Situation

Bereits seit dem Sommer agitieren ver.di-Kolleg/innen auf Personalversammlungen, bei Stationsbesuchen (Nachtdienst-Checks, Nikolaus-Aktionen auf Stationen). Der Stuttgarter ver.di-Sekretär Jürgen Lippelt sagte laut Stuttgarter Zeitung (27.12.16, S.6): „Wir haben… gute Resonanz. Auffällig viele Kollegen haben ihre Situation geschildert… Da brechen Menschen in Tränen aus, wenn sie von ihrer Arbeitssituation berichten… Sie sagen: Früher war es stressig – heut habe ich keine Chance mehr zu machen, was wichtig und sinnvoll wäre.“ Laut Lippl stehen längst essentielle pflegerische Leistungen unter Druck wie Kreislaufkontrolle, Blutdruckmessung, Hilfe beim Essen, pünktliche Medikamentengabe, nicht zuletzt die Einhaltung von Hygienevorschriften. Es ist höchste Zeit zu handeln.

 

Die Kernforderungen von Ver.di in dieser Kampagne sind:

* Mehr Personal! Nachts soll niemand mehr allein auf Station oder im Arbeitsbereich arbeiten müssen;

* Auf zwei Intensivpatienten soll mindestens eine examinierte Pflegekraft kommen; im Intermediate-Care-Bereich soll das Verhältnis höchstens 1:3 sein!

* Verbindliche Mindestbesetzungsregelungen – auch für die stationäre Pflege!

* Verlässliche Arbeitszeiten! Pausen müssen genommen werden können, denn Erholungszeiten sind wichtig und kein Luxus. Mehrarbeit und Überstunden müssen begrenzt werden!

* Belastungsausgleich! Zeitnah zur Belastung muss der entsprechende Ausgleich kommen, z. B. durch einen freien Tag gleich nach dem Bereitschaftsdienst.

* Konsequenzen für Verstöße! Verstöße gegen Schutzregelungen müssen für den Arbeitgeber Konsequenzen haben; es muss zeitnah gegengesteuert werden, damit Belastung gar nicht erst entsteht.

So soll so rasch wie möglich eine spürbare Entlastung für die Beschäftigten in den Krankenhäusern erreicht werden!

 

Mobilisierung für Streiks bundesweit!

Es ist ausgesprochen begrüßenswert, dass ver.di für die Durchsetzung dieser Forderungen bundesweit Streiks vorbereiten will. Die Gewerkschaft baut ein Netzwerk von Streikvertrauensleuten („Stations- und Teamdelegierte“) auf, die für die Streiks mobilisieren und organisieren sollen. Ziemlich selbstbewusst heißt es bei ver.di: „Klar ist schon jetzt, wir werden uns auf harte Verhandlungen einstellen müssen und nur dort, wo wir streiken können, sind Verhandlungen auf Augenhöhe und letztlich auch die Durchsetzung guter Standards möglichWir werden erst zu Tarifverhandlungen in Krankenhäusern auffordern, wenn wir ausreichend Stations- und Teamdelegierte gewonnen haben und Arbeitskampffähigkeit in mindestens 50% der Stationen und Bereiche erreicht ist.

Das muss auch ernsthaft in die Tat umgesetzt werden. Wir begrüßen sowie unterstützen das. Es sollte von möglichst vielen solidarisch unterstützt werden. Eine große Breite ist erforderlich, da die Situation kompliziert ist. Über die verschiedensten Klinikträger hinweg müssen bundesweit möglichst einheitliche Regelungen zur Entlastung der Kolleg/innen erkämpft werden. Ver.di sieht sich zahlreichen Arbeitgebern gegenüber, öffentlichen, kommunalen, Bundesländern, privaten wie Einrichtungen mit Haustarifverträgen oder den berüchtigten Klinikkonzernen. Ein „Tarifvertrag Entlastung“ muss in allen diesen Bereichen gelten, wenn er etwas bringen soll, muss aber dort auch erstritten werden.

Deswegen geht ver.di von einer vergleichsweise langen Mobilisierungsphase bis in den Sommer hinein aus. Im Juli sollen laut Stuttgarter Zeitung die Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen aufgefordert werden.

 

Arbeitgeber unter Druck

Die Arbeitgeber des Gesundheitswesens sind unter Druck. Für die finanzielle Ausstattung und damit auch für die Personalausstattung der öffentlichen Krankenhäuser sind unmittelbar die Politiker der zuständigen Parlamente einschließlich des Bundes verantwortlich. Sie sparen das Gesundheitswesen systematisch kaputt, zugleich haben sie jede Menge Privatisierungen und Krankenhausschließungen zu verantworten. Private Kliniken, speziell die Klinikkonzerne, die heute riesige „Bettenkapazitäten“ betreiben, wollen Profit und fahren einen menschenfeindlichen Rationalisierungskurs, wie jüngst der Spiegel in einer Titelreportage nachwies. Aber dasselbe gilt eben auch für die öffentlichen Krankenhäuser, die die politisch gewollte Etatknappheit und die aus diesen folgenden Kürzungen auf den Rücken von Personal und – besonders perfide – der Patienten abwälzen. Heuchlerisch versprach Frau Merkel in einer Videobotschaft, den Personalschlüssel, ja sogar die Bezahlung verbessern zu wollen. Wohlfeiles Gerede! Sie nennt keinerlei Fakten oder Zahlen. Sie hat den Zugriff auf eine entsprechende Gesetzgebung, tut aber nichts!

Wofür diese Sparerei? Sie dient nicht zuletzt dazu, in wachsendem Umfang die neue Aufrüstung und die immer gefährlicheren Kriegsabenteuer zu finanzieren. Deshalb ist jeder Erfolg in Kampf der Pflegekräfte auch ein Erfolg gegen diese Regierungspolitik. So weist Merkels Phrase in jedem Fall darauf hin, wie wichtig dieser Kampf für Kollegen wie Patienten ist. Er ist eine Auseinandersetzung von gesellschaftlichem Gewicht!

 

Fazit

Die Auseinandersetzung kann hart und lang werden. Die ver.di-Vorstände müssen jetzt Taten folgen lassen. Jahrelang dauerte der Kampf, der das Vorbild für die neue Kampagne bildet: Der Kampf um die Mindestbesetzungen der Stationen bei der Berliner Klinik Charité. Bereits im September 2013 berichtete Arbeit Zukunft in einer langen Korrespondenz von Berliner Kolleg/innen darüber(Vgl.: Arbeit Zukunft 5 / 2013 S. 5ff – http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=2092 ).

Was die Berliner Kollegen als Schluss schrieben, klingt ausgesprochen aktuell: Die Forderungen in den Tarifverhandlungen müssen „diszipliniert und unter Einbeziehung der breiten Belegschaft, der Unterstützung möglichst anderer Krankenhäuser und Belegschaften, der Solidarisierung auch aus anderen Gewerkschaften und der Gesellschaft durchgesetzt werden – notfalls mit einem unbefristeten Streik des Krankenhauspersonals und der Stationen.

ver.di darf nicht – wie so oft schon – an entscheidenden Punkten umfallen. Dann …kann ver.di beweisen, dass diese Tarifverhandlungen keine „gewerkschaftspolitische Inszenierung“, sondern ernst zu nehmende parteiliche Gewerkschaftspolitik zugunsten der … Kolleginnen und Kollegen sind“. Diese Einschätzung von 2013 bleibt heute und bundesweit zutreffend und aktuell: Es wird hart! Erst im April dieses Jahres gelang es übrigens, einen Haustarif für die Charité abzuschließen, der von 89 % der Mitlieder in der Urabstimmung gebilligt wurde und erstmals einige Bestimmungen zur Mindestbesetzung von Stationen festschrieb.

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