Hartz IV – Flüchtlinge sind besonders gefährdet

Hartz
IV – der Höhepunkt der Agenda 2010 – ist ein Verarmungsgesetz! Mit der
Beseitigung der Arbeitslosenhilfe (AlHi) werden etwa 500.000 Menschen, die
bisher diese Lohnersatzleistung erhalten haben, ab Januar 2005 gänzlich leer
ausgehen und das etwa auf dem jetzigen Sozialhilfeniveau liegende
Arbeitslosengeld (ALG) II nicht erhalten. Besonders benachteiligt sind
alleinerziehende Frauen – und Kinder: Eine dramatische Zunahme der Kinderarmut
steht ins Haus. Ein  großer Teil der so
betroffenen Menschen sind Einwanderer, viele von ihnen Flüchtlinge. Ihr
sozialer Absturz bei Arbeitslosigkeit ist noch erheblich krasser als der
anderer Menschen.

Nicht
das Füllen der Staatskassen ist das vorrangige Ziel der Arbeitsmarktreform.
Allein die erneute Senkung des Spitzensteuersatzes reißt ein Loch in diese
Kassen, das durch die mit Hartz IV erwarteten Einsparungen mal gerade
aufgefüllt werden könnte. Die eigentlichen Profiteure sind die großen
Unternehmen, denn Hartz IV bewirkt in erster Linie einen enormen Druck auf
Löhne und Arbeitsbedingungen,  zielt auf
die Unterminierung des gesamten Tarifsystems. Die Verschärfung der
Zumutbarkeitsregeln für deutsche Arbeitslose und ihnen gleichgestellte
Einwanderer und der Zwang zur Annahme von 1-Euro-Jobs wird zu verstärkter
Konkurrenz und zur Verdrängung von Menschen mit nachrangigem Arbeitsmarktzugang
aus vielen Arbeitsbereichen führen.er Protest gegen Agenda 2010 und Hartz IV
wurde und wird auch in Kiel auf die Straßen getragen. Nicht nur, aber auch
montags. Das Kieler Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub hat sich von Beginn
an darum bemüht, Migrantinnen und Migranten in diese Proteste einzubinden, und
auch jetzt, da die TeilnehmerInnenzahl deutlich zurückgegangen ist, sind
Einwanderer regelmäßig dabei. Die Demonstration dieses Zusammenhalts ist
notwendig, weil die verschärfte Benachteiligung eines bedeutenden Teil der
zugewanderten Bevölkerung unseres Landes unter anderem Wasser auf die Mühlen
der (neo-faschistischen Organisationen und ihrer Demagogie ist, denen die so
Betroffenen als Opfer geradezu angeboten werden.

Hartz
IV – das ist das neue Sozialgesetzbuch (SGB) II. Leistungen nach diesem Gesetz
– das gilt für Geldzahlungen ebenso wie für Eingliederungshilfen – bleiben
allen Menschen versagt, die von den Bestimmungen des Asylbewerberleistungsgesetzes
erfasst werden. Wer also als Flüchtling das Glück hatte, nach einem Jahr
Arbeitsverbot eine eingeschränkte Arbeitserlaubnis zu erhalten, Arbeit zu
finden 12 Monate lang zu behalten, fällt nun nach einem Arbeitsplatzverlust und
Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (künftig ALG I) sofort auf ein um
mehr als 30 Prozent tieferes Leistungsniveau als andere Erwerbslose und wird
eventuell sogar mit Sachleistungen abgespeist. Der Zugang zur
Aufenthaltserlaubnis wird erschwert.

Flüchtlinge
mit einer Aufenthaltsbefugnis nach der „Altfallregelung“ und uneingeschränktem
Arbeitsmarktzugang fallen in Zukunft ebenfalls unter das AsylLG und erhalten
kein ALG II.

Claudia
Langholz hat auf einer der ersten Kieler Montagsdemonstrationen zu Recht darauf
hingewiesen, dass auf diese Weise viele Menschen, die sich mit Mühe einen Platz
in der Gesellschaft erarbeitet haben, aus ihrem ganzen sozialen Gefüge
herausgerissen werden. Außerdem bleiben vom SGB II aufenthaltsrechtliche
Bestimmungen unberührt (§7), so dass sogar für „sonstige Ausländer“, die nicht
vom AsylLG betroffen sind und denen „die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt
ist oder erlaubt werden könnte“ (§8), gilt, „dass der Bezug von
SGB-II-Leistungen zu aufenthaltsbeendenden Massnahmen führen kann“ (Brühl/Hoffmann,
Erläuterungen zum SGB II. Ffm, Aug. 2004). Hartz IV und das neue
Zuwanderungsgesetz, die zeitgleich am 1. Januar 2005 in Kraft getreten sind,
sind noch nicht passgenau aufeinander abgestimmt. Ein „Reparaturgesetz“ ist in
Arbeit – es drohen weitere Verschlechterungen. Daneben liegen die Entwürfe zu
Beschäftigungsverordnungen vor, die Einzelheiten in der Umsetzung des
Zuwanderungsgesetzes regeln sollen.

Die
Beschäftigungsverordnung-Inland regelt unter anderem den Arbeitsmarktzugang für
geduldete Flüchtlinge, also Menschen, die man (zeitweilig) nicht abschieben
kann, auch wenn man ihnen eigentlich das Recht zum Aufenthalt in Deutschland
abspricht. Für sie ist eine eigenständige Existenzsicherung in der Regel nicht
möglich, und eine Chance auf einen Arbeitsplatz haben sie nur, wenn sich kein/e
Deutsche/r oder EU-Bürger/in dafür finden lässt. Die Verordnung will an diesem
Zustand nichts ändern. Innenminister Otto Schily aber wohl:

Er will
die Diskriminierung verschärfen, indem Geduldete mit einem dauerhaften
vollständigen Arbeitsverbot belegt werden Deshalb hat er die Verabschiedung der
Verordnung im September gestoppt.

Die
berechtigte Angst und die Empörung vieler Menschen angesichts des sozialen
Kahlschlags, der von allen Regierungsparteien betrieben wird, fördert
Entsolidarisierung und verschafft auch faschistischen Demagogen Zulauf. Weit
entfernt davon, sich mit der durch die Arbeitsmarkt-„Reform“ betriebenen
weiteren Diskriminierung von Flüchtlingen und MigrantInnen zufrieden zu geben,
steigern sie ihre Hetze, die auf die vollständige Entrechtung der Einwanderer,
die Vernichtung ihrer Lebensgrundlage und ihre Vertreibung zielt. In Dresden
setzen Gerichte und Polizisten gewaltsam durch, dass die dafür sogar auf den
Montagsdemonstrationen werben dürfen. Die Bedrohung an Leib und Leben für alle
„Ausländer“ wächst. Auch dafür sind Schily, Clement und Schröder
mitverantwortlich. Für uns ist die Organisierung tätiger Solidarität mit den
Ausgegrenzten und Bedrohten Tagesaufgabe.

 Dietrich
Lohse

 (Erstveröffentlichung
in „Der Schlepper“
http://www.frsh.de/schlepp.htm
)