Horst Seehofer, Markus Söder… und das Birkhuhn

Obermaiselstein und Balderschwang sind zwei schön gelegene, touristisch erschlossene Dörfer im bayerischen Oberallgäu. Zu Obermaiselstein gehört ein im Winter schneesicheres Gebiet am Riedbergpass, Balderschwang liegt jenseits des Passes in über 1.000 m Höhe. Ideal für jede Art von Wintersport. Deshalb betreiben beide Gemeinden auch eine Anzahl von Skiliften. Jetzt wollen aber beide Orte – genauer gesagt, die Liftbetreiber und Hoteliers – noch eine so genannte „Skischaukel“ bauen lassen, die beide Skigebiete miteinander verbinden soll.
Pech ist nur, dass zwischen den Skigebieten ein nach Alpenplan zur höchsten Stufe C gehörendes Schutzgebiet liegt, unter anderem auch, weil dort das vom Aussterben bedrohte Birkhuhn brütet. Die Alpenkonvention wurde übrigens 1992 von der EU (damals EWG) und 8 Alpenländern, darunter auch Deutschland, unterzeichnet. Eigentlich ein „no go“ für jegliche Bebauung. Was also tun?
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, assistiert von seinem „Heimat“-minister Markus Söder und die Seinen, das sind die oben erwähnten Liftbetreiber und Hoteliers mitsamt der mit ihnen verbandelten CSU-Klientel tricksten. In Balderschwang zum Beispiel schneidet die CSU bei Landtags- oder Kommunalwahlen regelmäßig mit etwa 95% der Stimmen ab.
Sie ließen sich also etwas Besonderes einfallen. Seehofer und Söder bestärkten die Gemeinden darin, das „Ja“ der Staatsregierung und des Landtags zu einer Änderung des Landesentwicklungsplans mit einem Bürgerentscheid, und zwar nur in den beiden direkt betroffenen Gemeinden, zu unterfüttern. Interessant zu wissen: Vor der Einführung des kommunalen Bürgerentscheids in Bayern 1995 war die CSU und die bayerische Staatsregierung regelrecht dagegen Amok gelaufen. Sie behaupteten sogar, durch den kommunalen Bürgerentscheid würden die Städte und Gemeinden „unregierbar“. Jetzt, da sie meinen, Bürgerentscheide für ihre Zwecke einsetzen zu können, ist das auf einmal anders.
Kurz und gut, die Lobbyarbeit der CSU und ihrer kommunalen Vertreter war stark genug, eine Mehrheit, wenn auch keine überragende, für die Pläne der Liftbetreiber zustande kommen zu lassen.
Aber damit ist noch nichts entschieden. Denn so einfach kann man den gesetzlich festgeschriebenen Naturschutz nicht durch einen Bürgerentscheid in zwei Dörfern aushebeln. Die Alpenkonvention und ihre Durchführungsprotokolle sind rechtlich verbindliche Staatsverträge. Nicht einmal die Bundesrepublik könnte selbstherrlich den Alpenplan verändern.
Das trickreiche Vorgehen von Seehofer & Co. stößt auf erheblichen Widerstand. Grob geschätzt ist unter der Allgäuer Bevölkerung deutlich mehr als die Hälfte gegen das Projekt. Im angrenzenden Kleinwalsertal, das zu Österreich gehört, wurde das Vorhaben einer solchen Skischaukel, obwohl von den örtlichen Politikern und der Geschäftswelt eifrig beworben, von der Bevölkerung per Volksentscheid verhindert. „Skischaukel“, das klingt vielleicht ganz lustig und harmlos, wie ein Kinderspielzeug; in Wirklichkeit sind das hohe Masten, Stahlseile und Kabinen. Mit so einem Projekt ist jahrelange Bautätigkeit, Bagger, Bulldozer, Maschinenlärm, Wegebau und Zerstörung der Alpenflora verbunden. Und das alles, um ein paar zusätzliche Skitouristen anzulocken.
Nachdem das Ergebnis des „Bürgerentscheids“ bekannt war und die Bayer. Staatsregierung sich daran machte, den Landesentwicklungsplan zu ändern, gab der Bund Naturschutz, Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu, folgende Erklärung heraus:
„Der Alpenplan steht für eine nachhaltige Entwicklung im bayerischen Alpenraum. Besonders sensible Lebensräume werden durch die Ausweisung als Alpenzone C am stärksten vor Verkehrserschließungen geschützt. Die Zonen A und B dürfen unter weniger strengen Auflagen bedingt weiter erschlossen werden.Das Gebiet um das Riedbergerhorn ist eines der wichtigsten Lebensräume des Birkhuhns in den Bayerischen und Allgäuer Alpen. Deutschlandweit ist das Birkhuhn stark gefährdet. Die Erschließung des Riedbergerhorns durch einen Verbindungslift zwischen den Skigebieten Grasgehren und Balderschwang würde die dort zur Zeit noch stabile Population des Birkhuhns bedrohen. Auch die Bestände anderer Vogelarten würden gefährdet.Der Bund Naturschutz in Bayern e. V. (BN) und viele andere Naturschutzverbände wie der Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV), der Deutsche Alpenverein (DAV), der Verein zum Schutz der Bergwelt, die Naturfreunde und die Internationale Alpenschutzkommission (Cipra) lehnen eine Verbindungsbahn über das Riedbergerhorn aus diesen Gründen entschieden ab.“
Anlässlich einer Anhörung im bayerischen Landtag gab es zahlreiche Einwendungen. Bund Naturschutz und andere Akteure planen derzeit ein Volksbegehren und einen Volksentscheid gegen eine Änderung des Landesentwicklungsplans im Gebiet des Riedbergerhorns. Dann könnten alle Wahlberechtigten in Bayern über diesen, nur von Profitinteressen diktierten, Eingriff in die Natur der bayerischen Alpen abstimmen.
S.N.