Hohe Gewinne und Lohnverzicht

Das Klagelied der Kapitalisten klingt uns täglich in den
Ohren. Die Löhne sind zu hoch, die Arbeitszeit ist zu kurz, der Urlaub zu lang
und die Sozialausgaben zu hoch. Angesichts der angeblich schwierigen Lage der
Unternehmen müssen die Werktätigen eben in den genannten Punkten Zugeständnisse
machen. Nach der Logik der Kapitalisten werden diese Forderungen mit der
weiteren Existenz des Betriebes und der Arbeitsplätze verbunden. Vor die Wahl
gestellt, ob Verlust des Arbeitsplatzes oder eben weniger Lohn und längere
Arbeitszeiten, schaffen die Kapitalisten ein Klima der Angst und Verunsicherung,
in dem sie die meisten, von den Arbeitern erkämpften Verbesserungen wieder zu
revidieren versuchen. Angeblich geht es ja um das Überleben des Betriebes.

Siemens dagegen steht offensichtlich glänzend da, denn
Pierer verkündete gerade eine Gewinnsteigerung von über 30% für 2004. Siemens
stellt unter anderem Schnurlostelefone her, die sich extrem erfolgreich
verkaufen. Das Werk in Bochholt mit über 2000 Mitarbeitern hat den von der
Unternehmensleitung vorgegebenen Korridor an Umsatz, Gewinn und Rendite mehr
als erreicht. Doch die Konzernleitung drohte mit einer Produktionsverlagerung
nach Osteuropa, es sei denn der Betriebsrat stimmt Lohnkürzungen von bis zu 30%
zu. Und der Betriebsrat stimmte zu. Hatte ein durchschnittlicher
Siemensarbeiter, einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld bisher brutto 2.367
Euro, so sind es jetzt nur noch 1.964 Euro. Zudem stieg die Arbeitszeit von 35
Stunden auf 40 Stunden, was einen Einkommensverlust von 640 Euro im Monat
ergibt.

Siemens ist kein Einzelfall, da gäbe es noch viele Beispiele
anzuführen, so wie das des Saalfelder Medizingeräte-Herstellers Trumpf. Die
Umsatzrendite liegt bei fast sieben Prozent, was eigentlich ein zufriedenes
Lächeln in das Gesicht von Geschäftsführer Hopfe zaubern müsste. Doch warum
sieben, wenn doch auch zehn Prozent zu machen sind, so seine Forderung an die
Belegschaft, die entsprechend Lohnkürzungen hinnehmen soll. Da die Mitarbeiter
davon zunächst nicht so leicht zu überzeugen waren, wurde eben mit der
Verlagerung der Produktion nach China gedroht und so stimmte der Betriebsrat
eben unter anderem 70 Stunden Mehrarbeit zu – ohne Lohnausgleich. Hopfe
kommentiert seinen Verhandlungserfolg ungeschönt: „Sicherlich war die
allgemeine Situation und die allgemeine Diskussion, auch in den Medien, hilfreich
für uns, bei der Gewerkschaft mehr Gehör zu finden als vielleicht ein zwei
Jahre vorher.“

Mittlerweile hat jeder Kapitalist den Trick kapiert. Obwohl
in den oben genannten Fällen, aber auch wie im Fall Opel, sehr moderne und
komplexe Produktionsstätten errichtet wurden, die man gar nicht mal eben so
hätte verlegen können, genügt der einfache Hinweis auf eine mögliche
Auslagerung der Produktion nach Osteuropa oder China und Tariflöhne brechen ein
wie dünnes Eis. Da wundert sich selbst der Chef der Metall-Arbeitgeber Martin
Kannegiesser und gibt zu bedenken:

„Die Tariflöhne sind ja nicht irgendwo vom Himmel
gefallen, sondern sie haben ja auf irgendetwas ihre Grundlage. Es wäre ja auch
nicht verständlich, wenn ein Unternehmen einfach sagen würde: wir wollen von
acht Prozent auf zehn Prozent Rendite kommen, ohne weitere Erklärung. Man muss
immer begründen warum das so ist.“

Mit dem ersten Teil seiner Aussage hat Herr Kannegiesser
recht, denn auch wenn jeder Kapitalist seinem Arbeiter am liebsten nur zehn,
fünf, einen oder gar keinen Euro Lohn zahlen würde, ist der Lohn nun mal das,
was der Arbeiter für die Regeneration seiner Arbeitskraft braucht. Erhält er
weniger, kann er sich selbst und seine Familie nicht entsprechend ernähren und
gesundheitlich versorgen. Die Arbeiterklasse würde letztendlich liquidiert.
Daran hat die Kapitalistenklasse kein Interesse und genau das hat Herr
Kannegiesser damit zum Ausdruck bringen wollen. Sein Hinweis auf die Höhe des
Profits, egal ob begründet oder nicht, ist nun mal das Grundgesetz des
Kapitalismus. Es wird nicht nur mit dem Ziel der Profiterlangung
gewirtschaftet, sondern mit dem Ziel des Maximalprofits und ob der bei fünf,
zehn oder fünfzig Prozent Rendite liegt, entscheidet eben auch der Kampf der
Arbeiter und der Kapitalisten. Und in diesem Kampf dürfen sich die Arbeiter
nicht von jeder Drohung der Arbeitsplatzverlagerung und des Arbeitsplatzabbau
verunsichern lassen, denn letztendlich geht es nicht nur darum, ob der eine
oder andere Arbeiter mit weniger Einkommen leben kann, sondern um das Überleben
der Arbeiterklasse überhaupt. (J.T.)