Korrespondenz: Kundgebung zum 1. Mai in Kempten/Allgäu unter Beteiligung der „Initiative gegen sozialen Kahlschlag“

1. Mai 2005 Kempten

Schon fast seit „Menschengedenken“, nämlich seit 1971, gibt es in
Kempten/Allgäu, einer Stadt mit ca. 60.000 Einwohnern im Regierungsbezirk
Schwaben / Land Bayern, keine 1.Mai-Demonstration mehr. Damals wurde von linken
Organisationen der Schüler- und Studentenbewegung (Basisgruppen,
Republikanische Clubs) eine so genannte „Revolutionäre 1.Mai-Demonstration“
durchgeführt – eine Sensation, obwohl es wohl weniger als 50 Teilnehmer waren,
darunter, soweit ich mich erinnern kann, ein einziger älterer Arbeiter, ein
ehemaliges KPD-Mitglied.

Seitdem gab es nie mehr eine 1.Mai-Demo in Kempten. Der DGB
und die in Kempten ansässigen Gewerkschaftsbüros (IGM, Verdi, früher noch ÖTV, NGG,
IGBSE, NGG, GdED, GEW und Postgewerkschaft) begnügten sich alle mit einer
Saalveranstaltung, zumeist im Kolpinghaus, an der vornehmlich Rentnerinnen und
Rentner und örtliche Funktionäre teilnahmen – und leider auch örtliche
Polit“größen“ wie SPD- und auch CSU-Bürgermeister, die dort noch ihre
klassenversöhnlerischen Sonntagspredigten ablassen durften.

Seit wenigen Jahren geht der DGB am 1.Mai wenigstens auf die
Straße, in Form eines Straßenfests mit einem Kundgebungsredner und einer,
leider meist ziemlich unpolitischen, Musikband. Aber immerhin, es wird die
Straße vor dem Verdi-Büro abgesperrt und so wird der 1. Mai wenigstens von
einigen Passanten überhaupt registriert.

Letztes Jahr beteiligten wir, die „Initiative gegen sozialen
Kahlschlag“, uns mit einem eigenen Info-Stand, Transparenten und einem eigenen
Redebeitrag zum ersten Mal an der Kundgebung (zuvor gab es uns ja auch noch
nicht). Heuer machten wir das gleiche, bereichert um den Auftritt unseres
Frauentrios, das die Ballade von der 35-Stunden-Woche vortrug. Es gab einigen
Applaus.

Wenn auch die DGB-Kundgebung selbst durch unsere Beteiligung
nicht gerade einen kämpferischen Charakter erhielt – bei ca. 50 an Biertischen
sitzenden Kolleginnen und Kollegen auch ein kaum denkbarer Akt – so bekam sie
dadurch einen von der offiziellen Leier von den ach so bösen Arbeit“gebern“ und
den armen, unterdrückten Arbeit“nehmern“ deutlich unterschiedenen Pep. Es
wurden eine Reihe fruchtbarer Einzelgespräche mit bekannten Kolleginnen und
Kollegen geführt und es schlug sich auch das wachsende Bewusstsein, selbst
etwas tun zu müssen und aus den ausgeleierten Pfaden der immer noch offiziellen
Sozialpartnerschafts-Ideologie – und leider auch Praxis – ausscheren zu müssen,
in vielen Äußerungen fortschrittlicher Kolleginnen und Kollegen nieder.

Entsprechend war auch der Absatz unserer Zeitung „Arbeit und
Zukunft“ für Kempten fast schon eine Sensation.

SN

Bündnis Sozialkahlschlag Kempten