Noch-Wirtschaftsminister Clement greift Arbeitslose als „Abzocker“ an

In BILD am Sonntag (BAMS) vom 3.10.2005 greift
Noch-Wirtschaftsminister Clement in vorauseilendem Gehorsam für das Kapital und
eine Große Koalition die Arbeitslosengeld II-Empfänger als „Abzocker“ an.
Originalton Clement: „Die Hemmschwellen für die Abzocke bei Arbeitslosengeld
II und weiteren Unterstützungsleistungen sind offenkundig gesunken.“

Laut BAMS will der Minister mit verstärkten
Kontrollen dem „Missbrauch beim ALG II“ begegnen. Und er plant eine Kampagne
„Vorrang für die Anständigen – gegen Missbrauch, Abzocke und Selbstbedienung im
Sozialstaat“.

Clement ärgert sich, dass statt der geplanten
14,6 Mrd. Euro mittlerweile ca. 26 Mrd. Euro für das ALG II aufgewendet werden.
Hier wird eine ungeheure Steigerung suggeriert. Tatsächlich betrugen die
Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe aber bereits im Jahr 2003 laut Statistischem
Taschenbuch über 16,5 Mrd. Euro. Die Zahl der Empfänger betrug rund 2 Mio. Beim
Arbeitslosengeld II sind aber nicht nur alle bisherigen
Arbeitslosenhilfeempfänger sondern alle arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger
erfasst. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger betrug 2003 rund 2,8 Mio. Dafür
wurden rund 25,6 Mrd. Euro ausgegeben. In Großstädten wurden laut der
Internetseite des Wirtschaftsministeriums www.arbeitsmarktreform.de bis zu 95%
der bisherigen Sozialhilfeempfänger in das Arbeitslosengeld II überführt. Im
Januar und Februar 2005 waren dies allein ca. 360.000 Menschen. In den
Folgemonaten stieg diese Zahl an. Hinzu kommt, dass die Zahl der Arbeitslosen
und damit auch der Arbeitslosenhilfeempfänger seit 2003 stark angestiegen ist.

Clement deckt so deutlich das anvisierte Ziel
von ALG II auf: Trotz einer erheblich angestiegenen Zahl von Menschen sollte
der bisherige Betrag für Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe radikal
zusammengestrichen und unter den bisherigen Ausgaben für Arbeitslosenhilfe
liegen!

Teilweise verhindert worden ist diese
Kürzungsorgie durch den massiven Protest gegen Hartz IV und ALG II. Für
SPD-Clement bedeutet der Kampf und der Widerstand der Menschen gegen Verarmung
„Abzocke“. Er übersieht dabei, dass er bald als ehemaliger Minister zigtausende
Euro abzocken wird, während ALG II Bezieher mit 345 bzw. 331 Euro monatlichen
Einkommen (neben den Wohnungskosten) um ihr tägliches Leben kämpfen.

Clement zeigt zugleich, wohin der Kurs einer
Großen Koalition geht: Mehr Sozialabbau! Mehr Angriffe auf Arbeitslose, Kranke,
Rentner und die arbeitenden Menschen sowie ihre Familien! Offensichtlich
handelt es sich hier um einen koordinierten Angriff. Denn kurz nach der Wahl
traten Siemens, VW und Daimler mit dramatischen Entlassungs- und
Lohnkürzungsplänen an die Öffentlichkeit und läuteten eine neue Runde des
Angriffs auf Arbeiter und Angestellte ein. Nachdem in allen diesen Fällen jeder
Widerstand seitens der IG Metall-Führung ausblieb, wird das Kapital auch in
anderen Wirtschaftssektoren den Angriff fortführen, die Löhne senken, die
Arbeitsbedingungen verschlechtern, die Arbeitshetze erhöhen und weiter
entlassen.

Dass nun Clement sich als erster Politiker
offen in diese Angriffsfront einreiht, zeigt wie verlogen der SPD-Wahlkampf
war. Denn die SPD konnte ihren dramatischen Einbruch bei den vorangegangenen
Landtagswahlen nur deshalb wieder gut machen, weil auf einmal derselbe Clement
über die „Heuschrecken“ des internationalen Finanzkapitals wetterte und
Schröder sich als sozialer Vorkämpfer präsentierte. Nun ist die Wahl vorbei,
nun geht der Sozialabbau weiter.

Doch wie Clement mit seinem Gejammer indirekt
zugibt, sind schon einmal die Pläne mit Hartz IV und ALG II aufgrund des
Widerstandes im Volk nicht so aufgegangen, wie sich die Herrschenden das
geträumt und gewünscht haben. Alle Betroffenen sollten sich vorbereiten, den
Widerstand nun noch stärker weiterzuführen!

ernst