Bericht und Kommentar zu ROTO Frank AG Leinfelden: Proteste in der Produktion. Der Vorstand schlägt zurück!

Bericht:

Wie bereits berichtet, gehört die ROTO Frank AG in
Leinfelden bei Stuttgart zu den Firmen, die mit aller Macht den Bruch der
Tarifverträge über die 35 Stundenwoche erzwingen wollen und ihre Beschäftigten
zurück in die 40 Stundenwoche pressen wollen. (Vgl.: www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/411/catid/2)

Die Drohung mit Produktionsverlagerung, zunächst von zwei
Fertigungsautomaten in ein Zweigwerk in Ungarn, wurde bewusst ausgeschlachtet,
um IG Metall und Betriebsrat unter Druck zu setzen, bei der 40-Stundenfrage
nachzugeben. Es kam zu „Sondierungsgesprächen“, in denen die IG Metall die
wirtschaftliche Lage des Unternehmens ausloten wollte. Diese dauern seit Anfang
Oktober. In der Belegschaft wurde deshalb verbreitet, man verlagere die
Automaten, weil IG Metall und Betriebsrat „Verhandlungen blockierten“. Dies
führte am letzten Dienstag (29.11.2005) zu einer Abteilungsversammlung des
Betriebsrats in der Leinfeldener Produktion. Der Betriebsrat berichtete über
seine bislang vergeblichen Bemühungen, die Verlagerung zu verhindern. Außerdem
hieß es, der Roto Frank AG gehe es wirtschaftlich so gut, dass noch nicht
einmal das Argument, Roto sei ein Sanierungsfall, die 40-Stundenwoche begründen
könne.

Nach dieser Abteilungsversammlung verließen zahlreiche
Kollegen und vor allem Kolleginnen, Arbeiterinnen, empört das Werk und
demonstrierten damit für die Arbeitsplätze in Leinfelden, für die Einhaltung
der Tarifverträge und für die 35-Stundenwoche. Das war eine mutige Aktion, die
großen Respekt verdient.

Sie hat dafür gesorgt, dass mittlerweile viele Zeitungen und
Fernsehsender über Roto berichten und so den Roto-Vorstand in die
Öffentlichkeit zwingen. Immer wieder erklärt Vorstandsvorsitzender Keill in den
Medien, dass es doch „nur“ um die Rückkehr zur 40-Stundenwoche ohne
Lohnausgleich gehe.

Doch am Tag nach dieser mutigen Aktion schlug der Vorstand
hart zurück. Alle an der Aktion beteiligten Kolleginnen und Kollegen wurden
einzeln ins Personalbüro bestellt, einem Verhör unterzogen und bekamen eine
harte Abmahnung. Eine entwürdigende Behandlung! Laut Stuttgarter Nachrichten
vom 1.12. 2005 bezeichnete der Betriebsratsvorsitzende Cochius die Abmahnungen
als willkürliche Maßnahme, die den Konflikt weiter zuspitze und weiter Öl ins
Feuer gieße.

Am Rande der Delegiertenversammlung der Stuttgarter IG
Metall am 3.12. 2005 war ein weiteres skandalöses Detail zu erfahren: Die
Personalleitung habe zu den erwähnten Verhören Teamsprecher als Zeugen hinzugezogen.
Diese seien dadurch in eine schwere Konfliktlage geraten. Das Vertrauen der
betroffenen Teamsprecher zu ihren Teammitgliedern sei massiv gestört. So werden
Kollegen gegeneinander ausgespielt!

Jetzt geht es darum, die Solidarität für die gemaßregelten
Kolleginnen und Kollegen aufzubauen. Der Betriebsrat und IGM verlangen die
Rücknahme der Abmahnungen. Denn die Kollegen haben von ihrem Recht auf freie
Meinungsäußerung Gebrauch gemacht und werden jetzt dafür bestraft.

Arbeit Zukunft ruft seine Leser zur Solidarität auf.
Protestiert beim Roto-Vorstand in Leinfelden und fordert die Rücknahme aller
Abmahnungen und den Erhalt der 35-Stundenwoche!

 

Vorstand der Roto Frank AG

Stuttgarter Straße 145-249

70771 Leinfelden – Echterdingen

 

Kommentar:

Kapital immer entschlossener!

 

Die Koll/innen bei Roto haben das selbstverständlichste der
Welt getan: Sie haben gegen 40-Stundenwoche und Tarifbruch protestiert. Sie
haben ein demokratisches Grundrecht wahrgenommen! Viel Unmut hat sich offenbar
angehäuft, dass es zu einem solchen Ausbruch kam.

Solche Aktionen sind aus vielen Betrieben bekannt. Auch bei
Roto gab es schon verschiedentlich Proteste. Aber die Härte, mit der der
Vorstand gegen die Kolleginnen und Kollegen zurückschlug, ist neu und spricht
Bände! Das hatten die meisten noch nie erlebt. Die Abmahnung kündigt für den
Wiederholungsfall die Kündigung an!

In Deutschland gibt es nur ein stark beschnittenes
Streikrecht. Weder Betriebsrat noch die Gewerkschaft haben das Recht, in einer
Lage wie bei Roto eine solche Aktion legal zu organisieren. Respekt für den Mut
der Kolleg/innen!

Die Abmahnung ist ein Einschüchterungsversuch, der nicht
überbewertet werden darf. Er soll erschrecken. Er wirkt deswegen, weil nicht
alle, nicht wenigstens der überwiegende Teil der Kolleg/innen mit in die Aktion
gingen. Bei zukünftigen Aktionen muss die Solidarität so stark sein, dass der
Vorstand nicht eine begrenzte Gruppe herausgreifen kann, um sie
einzuschüchtern.

Das Verhalten der Roto-Chefs spricht Bände: Der Schlag der
Kolleg/innen muss gesessen haben! Nun schlagen sie um sich, scheuem sie nicht
einmal davor zurück, für die Einschüchterungsaktion Teamsprecher zu verheizen.

Immer weitere Firmen werden bekannt, wo Angriffe in Richtung
auf Wiedereinführung der 40-Stundenwoche liefen oder laufen. Immer wieder die
Zerstörung der Solidarität der Kolleg/innen durch Druck und Drohungen. Immer
wieder der Trick, die Kolleg/innen einzeln neue individuelle Arbeitsverträge
mit 40-Stundenwoche unterschreiben zu lassen. Das ist Entsolidarisierung!
Drohung mit Belegschaftsabstimmungen gegen Betriebsräte und Gewerkschaften
machen diese Strategie rund! Und immer wieder, es muss gesagt werden, leisten
Gewerkschaftsvorstände wie bei der IG Metall Schützenhilfe. Fälle wie
Schlafhorst und Siemens sind in Arbeit Zukunft dokumentiert. Huber, Peters und
andere geben nach, und die Basis kämpft!

Unter diesen Bedingungen mehren sich freilich die Stimmen,
auch von Kollegen, die Gewerkschaft solle einen Kompromiss machen und,
beispielsweise, eine 37,5-Stundenwoche vereinbaren. Da kann man nur warnen!

Es geht nicht nur um eine „einfache“ Arbeitszeitfrage, noch
nicht mal nur um den gravierenden Vorgang der Lohnsenkung durch
Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, sondern auch um die Frage, was
Tarifverträge überhaupt wert sind! Die FDP und CDU fordern, dass mit „diesem
Spuk“ aufgeräumt werden müsse. Passt doch!

Einmal unter Druck nachgegeben – und die nächsten
Tarifverträge sind an der Reihe! Bei 40 Stunden ist noch lange nicht Schluss!
Das Land Baden-Württemberg fordert bei Neueinstellungen bereits jetzt die
41-Stundenwoche, Bayern sogar die 42-Stundenwoche! Außerdem: Da gibt es 30 Tage
Urlaub, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung und, und, und, wo man die
Spitzhacke ansetzen kann. Der Kapitalistenphantasie sind keine Grenzen gesetzt,
wenn die erste Schranke niedergerissen ist. Zerstörung der Tarifverträge
zerstört, zumindest zeitweilig, auch die gewerkschaftliche Kampfkraft. Ist in
einem Betrieb diese erst einmal am Boden, dann werden erst richtig die Messer
gewetzt!

Die oft versprochene Gegenleistung für die 40-Stundenwoche,
angeblich sichere Arbeitsplätze, ist Illusion. Bei Siemens Kamp-Lintfort
willigten Betriebsrat und IG Metall deshalb ein. Dabei wurde der Betrieb nur
für den Verkauf „schön gemacht“. Inzwischen ist der Laden an BenQ
(Elektronikkonzern, Taiwan) vertickt, den erklärtermaßen die Zusicherungen an
die Belegschaft nicht interessieren! Keine Argument und kein Papier der Welt
verhindern die Verlagerung oder den Verkauf von Werken, Standorten, Fabriken
oder Teilen der Produktion, wenn die ökonomischen Daten es dem Kapital nahe
legen. Oft schaufelt ein Nachgeben dem Kapital noch zusätzliche Mittel in die
Kassen, mit denen es noch besser rationalisieren, verlagern oder
Verkaufsbedingungen schönen kann!

Nachgeben lohnt nicht, standhalten lohnt. Wenn das Kapital
zur Tat schreiten will, stoppt es nur der entschlossene gemeinsame Kampf der
Betroffenen und möglichst zahlreicher Unterstützer.

Dies ist der einzige Weg! Bei Roto wie auch in allen anderen
Bereichen des gewerkschaftlichen Kampfes. Der Klassenkampf ist eine Tatsache,
an ihm kommt niemand mehr vorbei. Unsere Interessen als Arbeiterinnen, Arbeiter
und Angestellte gehen immer auf Kosten des Kapitals. Immer!

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