Korrespondenz: 1-Euro-Jobs in Kiel

Das Kieler Bündnis gegen Sozialabbau und Lohnraub
protestiert seit Jahresbeginn gegen die Umsetzung des Hartz
IV-Verarmungsgesetzes und gegen die Schaffung von 1-Euro-Jobs. Die
Arbeitsgelegenheiten sind angeblich geschaffen worden, um dadurch Arbeitslose
in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Dem Bündnis war klar, dass
es in Wirklichkeit um Lohndrückerei und Zwangsarbeit bei der Durchsetzung der
Arbeitsmarktreform geht. In Kiel wurden bisher 1.054 Arbeitsgelegenheiten als 1-Euro-Jobs
angeboten, davon konnten der untenstehenden Anfrage zur Folge gerade einmal 50
so Beschäftigte in reguläre Arbeitsverhältnisse wechseln. Dass viele reguläre
Arbeitsverhältnisse durch die unten aufgeführten, angeblich zusätzlichen
Tätigkeiten für Ein-Euro vernichtet oder z.B. bei der Stadt Kiel nicht
eingerichtet wurden, lässt sich nur vermuten. Somit wurden keine neuen
Arbeitsplätze geschaffen, sondern nur bestehende vernichtet. Ein-Euro-Jobs
dürfen nicht länger geduldet werden. Es ist notwendig, alle
Arbeitsgelegenheiten in reguläre Arbeitsverhältnisse umzuwandeln, mit Löhnen,
die zum Leben reichen. Die Kosten für die

Arbeitsgelegenheiten sind beträchtlich, rund 1.500 Euro im
Monat werden pro Maßnahme angerechnet. Dafür könnte z.B. auch eine reguläre
Beschäftigung geschaffen werden. Die Ergebnisse der unten stehenden
Bürgeranfrage sollten uns nicht nur nachdenklich machen, sondern auch zum
Handeln bewegen.

U. S./K. B.

 

 

Bürgeranfrage zu
1-Euro-Jobs im Bereich der Verwaltung der Landeshauptstadt Kiel auf der
Ratsversammlung am 17. November 2005

 

Stadtrat Kurbjuhn
(Dezernent für Bürgerangelegenheiten und, Inneres und Ordnung) beantwortete die
Anfrage von Ulrich Selle wie folgt:

 

Frage 1: In
welchen Tätigkeitsbereichen sind 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten (AGH) bei der
Stadt Kiel, den ihr zugehörigen Ämtern, Betrieben, Beteiligungsgesellschaften
oder anderen Trägern/Unternehmen beschäftigt?

Antwort:
Ämter
und Betriebe der Landeshauptstadt Kiel:

Verschiedene zusätzliche Tätigkeiten im Bereich von Kinder-
und Jugendeinrichtungen sowie Schulen (z.B. Verschönerungsarbeiten)

Unterhaltungsarbeiten für Haus und Hof im Bereich der
Feuerwehr

Bekämpfung des Riesen-Bärenklaus

Pflege von Außenanlagen

Schönheitsreparaturen im Olympiazentrum Schilksee

Verschönerungspflege von Kriegsgräbern und öffentlichem
Grün, Wechselbepflanzung

Reinigung der Strände Falkenstein und Schilksee

Beteiligungsgesellschaften:

Pflege von Außenanlagen (Grundstücksverwaltung)

Hilfe beim Ein- und Ausstieg am Hauptbahnhof (KVG)

Andere Träger/Unternehmen:

Projekt „Tu heute was“: Aufarbeitung und Verkauf von
Sachspenden (Kleidung, Computer, Spielzeug und Fahrräder) im projekteigenen
Kaufhaus „Obulus“

Möbelbörse: Aufarbeitung und Verkauf von Möbeln an SGB
II-Leistungsempfängerinnen/Leistungsempfänger

Verschiedene soziale Einrichtungen wie z. B. Evangelische
Stadtmission, Hempels, Caritasverband, Kreisarbeitsgemeinschaft der freien
Wohlfahrtsverbände, Kirchengemeinden, Frauenhaus, christlicher Verein junger
Menschen, Verein für Kinder, Jugend und soziale Hilfen, AWO: zusätzliche
Betreuung von älteren Menschen oder wohnungslosen Menschen

Fahrradparkplatz am ZOB

Vorbereitung der Ehrenamtsmesse in Schleswig-Holstein

Freilichtmuseum Schleswig-Holstein: Knöterichentfernung

Dokumentationsprojekt: Dokumentation der bisher
eingerichteten AGH

Projekt „Strandgut“ und „zusätzliche Hilfen im
Wasserrettungsdienst“ bei der DLRG: Vergabe von Liegen und Sonnenschirmen,
zusätzliche Kinderbetreuung am Strand

Kulturdolmetscherbüro: Erarbeitung von Informationsschriften
Migrantinnen/Migranten mit russischem Hintergrund zum deutschen Arbeitsalltag,
dem Schulwesen und dem kulturellen Leben in Deutschland in deutscher und
russischer Sprache

Projekt „1000 Jobs für 1000 Jugendliche“: Coaching für
Jugendliche mit dem Ziel des Durchhaltens im Job und der sozialen Integration

Weitere „kleinere“ AGH: Vorbereitung des Monodramafestivals
beim Verein Maecenas e. V., Zeitzeugenprojekt beim Verein Mahnmal Kilian e. V.:
Durchführung von Befragungen, Öffentlichkeitsarbeit etc.

 

Frage 2: Wie werden
Zulässigkeit und Zusätzlichkeit der 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten in Kiel
geprüft?

Antwort: Grundsätzlich
werden alle Anträge auf Einrichtung von Arbeitsgelegenheiten (AGH) im ersten
Schritt auf die Zusätzlichkeit und das Öffentliche Interesse geprüft. Als
zusätzlich zu bewerten ist eine AGH nur dann, wenn sie nicht die originären
Aufgaben des Trägers oder der Einsatzstelle zum Ziel hat und wenn durch sie
eine Arbeit erledigt wird, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht
zu diesem Zeitpunkt im Rahmen normal entlohnter Arbeitsverhältnisse verrichtet
werden würde. Im Rahmen der Zusätzlichkeit wird auch die rechtliche
Verpflichtung der geplanten Aufgaben geprüft. Besteht eine rechtliche
Verpflichtung zur Durchführung, so liegt das Kriterium Zusätzlichkeit nicht
vor.

Öffentliches Interesse liegt vor, wenn die ausgeübte
Tätigkeit dem allgemeinen Wohl und nicht nur im Interesse einzelner oder
unmittelbar privaten erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient, sondern den
Interessen der Öffentlichkeit gerecht werden.

 

Frage 3: Wie
viele 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten Beschäftigte wurden im Anschluss an die
Maßnahme in ein voll sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
überführt?

Antwort: Nach
derzeitigem Kenntnisstand sind etwa 50 Personen aus den laufenden AGH in
sozialversicherungspflichtige Arbeit im 1. Arbeitsmarkt vermittelt worden; bei
der Landeshauptstadt Kiel jedoch aufgrund des bestehenden Einstellungsstopps
keiner.