Betriebsratswahlen 2006: Kämpferische Kolleginnen und Kollegen aufstellen!

Im ersten Quartal 2006 finden die nächsten
Betriebsratswahlen statt. Fast überall sind die Wahlausschüsse gebildet, die
die Wahl durchzuführen haben.

Betriebsräte haben im Alltagskampf in den Betrieben eine
nicht zu unterschätzende Bedeutung. Daran ändert auch das in zahlreichen
Punkten reaktionäre Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) nichts, das bekanntlich
die Tätigkeit der Betriebsräte regelt. Es ist klar, dass dieses Gesetz die
gewählten Vertreter/innen der Belegschaft auf „die vertrauensvolle
Zusammenarbeit“ „zum Wohle der Arbeitnehmer und des Betriebes“
mit dem
Unternehmen, dem Arbeitgeber, mit den Vertretern des Kapitals verpflichtet. Es
ist klar, dass Betriebsräte keine Arbeitskämpfe oder Arbeitskampfaktionen
organisieren und durchführen dürfen.

Aber das BetrVG enthält für die gewerkschaftliche und
klassenkämpferische Arbeit im Betrieb vielfältige Rechte und Möglichkeiten, so
dass es unter den gegebenen Bedingungen unverzichtbar ist, an den Wahlen zum
Betriebsrat teilzunehmen. Es wäre gut, wenn viele kämpferische Kolleginnen und
Kollegen kandidieren würden.

Grundsätzlich treten wir dafür ein, dass sie als
Gewerkschafter/innen antreten und gewerkschaftliche Listen unterstützen.

Viele Kolleginnen und Kollegen identifizieren die
Betriebsräte mit der Gewerkschaft, weil in zahlreichen Betrieben die Mehrheit
im Betriebsrat Gewerkschafter/innen innehaben. Die Wähler/innen erwarten von
den gewählten Vertreter/innen den entschiedenen und kämpferischen, zugleich
aber auch verantwortungsvollen und kompetenten Einsatz für die Interessen der
Beschäftigten. Sie erwarten Führung und Mut von ihnen.

Die Betriebsratswahlen 2006 stellen gerade die
klassenkämpferischen Kolleg/innen vor komplizierte Probleme. Überall in den
Betrieben ist der Druck seitens des Kapitals auf die Beschäftigten gestiegen.
Angriffe auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, Lohnsenkungen und
systematische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, all das ist zum Alltag
in den Betrieben geworden. Auch die beginnenden Tarifrunden stellen große
Anforderungen. Aber für kämpferische Kolleg/innen ist dies eine gute
Gelegenheit, gemeinsam zu kämpfen und die Betriebsratswahlen zum Bestandteil
dieser Auseinandersetzungen zu machen. Dadurch können sie nur gewinnen!

Hier können sie ihr Profil deutlich machen, nicht abstrakt,
sondern konkret im Kampf.

In vielen Betrieben existieren heute Listen, Gruppierungen
oder Strömungen, die gegen die Gewerkschaften, speziell gegen eine
klassenkämpferische Gewerkschaftsarbeit auftreten. Nicht selten treten diese
unter gütiger Mithilfe des Unternehmers mit einer eigenen Liste in der Wahl an.
Wie können kämpferische Gewerkschafter/innen besser gegen diese Kräfte antreten
als durch ihren Einsatz für Lohnerhöhungen, bessere Arbeitsbedingungen, gegen
die Arbeitszeitverlängerungen, die immer häufiger vom Kapital gefordert werden.

Einige Grundsätze zur Taktik in der Betriebsratswahl:

Bestehen in der Betriebsratswahl mehrere Listen, z. B. eine
Gewerkschaftsliste und solch eine unternehmernahe Liste, dann gilt laut § 14
BetrVG Verhältniswahl. Die Wähler/innen können nur zwischen Listen wählen und
die Sitze des Betriebsrates werden nach dem Stimmenanteil der Listen verteilt
Wer wirklich in den BR kommt, wird in diesem Fall nicht durch das direkte Votum
der Kolleg/innen entschieden, sondern nach dem Platz des Kandidaten auf der
Liste. Erringt eine Liste beispielsweise 5 Sitze, so sind die ersten 5
Kandidat/innen auf der Liste gewählt. Die, die weiter hinten stehen, kommen nur
als Ersatzmitglieder zum Einsatz, wenn die Hauptvertreter mal verhindert sind.

Damit kommt innerhalb der betrieblichen
Gewerkschaftsorganisation der Festlegung der Listenplätze entscheidende
Bedeutung zukommt, wenn diese ihre Liste aufstellt. Wir vertreten, dass
diese Platzierung nach möglichst demokratischen Gesichtpunkten zu erfolgen hat:
Aufstellung der Kandidaten durch die Vertrauensleute, oder, wenn sich das
organisieren lässt, Urwahl durch die Mitglieder.

Das BetrVG sieht auch die Möglichkeit einer
Persönlichkeitswahl vor, schützt diese aber in keiner Weise. Dieser Wahlmodus
erfreut sich großer Beliebtheit. Er kommt nur dann zustande, wenn es nur einen
einzigen Wahlvorschlag gibt, klarer ausgedrückt: wenn alle Kandidaten, und
seien sie untereinander Gegner, auf einer einzigen gemeinsamen Liste
kandidieren. Dann herrscht Mehrheitswahlrecht, d.h. dann können die Wähler ihre
Kandidaten selbst auswählen. In das BR-Gremium kommen die mit den meisten
Stimmen.

Diesen Wahlmodus durchzusetzen, erfordert oft hohes
Fingerspitzengefühl, Diplomatie und taktisches Geschick von den Kolleg/innen,
die eine solche Liste bilden. Herrscht in der Belegschaft ein sehr guter
Zusammenhalt und sind die Kandidaten klar und bekannt, geht es oft leicht.
Schwierig wird es, wenn man eine Persönlichkeitswahlliste mit politisch
gegnerischen Kandidat/innen aufstellen will.

Nicht wenige fortschrittliche Kolleg/innen sind dagegen, mit
Gegnern zusammen zu kandidieren. Wir nehmen diesen Einwand ernst, aber oft
gewinnen wir, gewinnen die kämpferischen Kräfte, wenn sie die
Persönlichkeitswahl durchzusetzen vermögen.

Wie bereits gesagt: Das BetrVG sieht diesen Modus vor,
schützt ihn aber in keiner Weise.

Um es beispielhaft auszudrücken: Es kann gelingen, eine
gemeinsame Liste zu formieren. Aber wenn im letzten Moment vor dem
Anmeldetermin plötzlich eine zweite Liste auftaucht, die der Wahlausschuss
anerkennen muss, ist die Persönlichkeitswahl gestorben. Ein Einfallstor für das
Kapital!

Deshalb muss man in vielen Betrieben, wo es starke
Gegensätze in der Belegschaft gibt, auf eine Listenwahl vorbereitet sein für
den Fall, dass eine Persönlichkeitswahl trotz sorgfältiger Vorbereitung platzt.

Besonders schwierig wird aber die Situation für kämpferische
Kollegen, wenn sie innerhalb der Gewerkschaften von rechten
Gewerkschaftsfürsten isoliert und bekämpft werden. Die letzte Nummer von Arbeit
Zukunft dokumentierte die Auseinandersetzungen bei DaimlerChrysler in
Mettingen. Hier werden aktive, kämpferische und unter ihren Kollegen verankerte
Gewerkschafter/innen, weil sie die sozialpartnerschaftlichen Machenschaften des
Betriebsrates um Helmut Lense nicht mitmachen, aus der Listenaufstellung
gedrängt und förmlich zu einer eigenen Liste gezwungen. Das ist leider kein
Einzelfall. Bei den letzten Wahlen dokumentierten wir den Fall bei der
Filterfirma Mann und Hummel in Ludwigsburg, wo unmittelbar vor der Wahl die
Vertrauenskörperleiterin und ihre Leitung gemaßregelt und mit Funktionsverbot
belegt wurden, weil sie ebenfalls gegen Betriebsratsmauscheleien protestiert
hatten.

In einer solchen Situation kann es legitim sein, dass solche
Kolleg/innen mit eigenen Listen antreten. Wir verteidigen dieses Recht.
Schließlich ist eine Betriebsratswahl ein demokratisches Recht der Belegschaft
und nicht einer Clique in der Gewerkschaft.

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