Tausende stoppen Nazi-Provokation in Stuttgart. Aktionen auch in anderen Städten.

Großes Polizeiaufgebot zum Schutz der Nazis

Offene Provokation der Neo-Nazi-Szene am 28.1.06 in
Stuttgart: Einen Tag nach dem Gedenktag für die Befreiung des Konzentrationslagers
Auschwitz durch die Rote Armee und zwei Tage vor dem Jahrestag der Machtübertragung
an Hitler riefen 19 faschistische Gruppierungen aus dem süddeutschen Raum,
darunter auch die NPD Stuttgart, zu einer Demonstration in Stuttgart auf. Mit
dieser wollten sie für freie Nazi-Hetze und gegen den § 130 StGB
(Volksverhetzung) demonstrieren, der u. a. nationalsozialistische Hetzpropaganda
unter Strafe stellt.

Sogar die Stadt Stuttgart verbot diese Demonstration, aber
das Verwaltungsgericht erlaubte sie! Und das obwohl der im Internet verbreitete
Aufruf der Neo-Nazis unverhohlen zur Gewalt aufruft. Zitat aus dem Aufruf:

Es ist ein Fehler zu glauben, dass man uns den Mund
verbieten könnte, indem man einfach unsere Versammlungen, welche vom
Grundgesetz geschützt sein sollten, verbietet. Oftmals sind es die Kommunen,
welche sich hier als Herren über Recht und Unrecht aufspielen ohne dabei zu
berücksichtigen, dass Menschen die ihrer Rechte beraubt und kriminalisiert
werden, irgendwann zu Mitteln greifen könnten die mit dem friedfertigen
Gedanken unserer Bewegung nichts mehr zu tun haben…

Wir wollen nicht, dass eines Tages jene Herren die das zu
verantworten haben, durch Lynchjustiz zur Strecke gebracht werden, nur weil man
der Ansicht ist, demokratisch zu handeln indem man die Nichtdemokraten unterdrückt!
Wir Nichtdemokraten sind nämlich diejenigen, an denen sie ihre
Demokratiefähigkeit beweisen müssen…“

Hier wird fast unverhüllt
Lynchjustiz angekündigt.

Das fanden die Richter des Verwaltungsgerichtes
in Stuttgart offenbar nicht weiter wild und gestanden den Nazi-Demo-Aufrufern
ihr Demonstrationsrecht zu. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim, den die
Stadt noch anrief, genehmigte die faschistische Provokation ebenfalls.

Auch in Dortmund und Lüneburg
riefen die Nazis zu Demos auf. Die juristische Auseinandersetzung um das Verbot
der Dortmunder Demo ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, das diese Demo
gleichfalls genehmigte! Ein Skandal! Auf die deutsche Justiz ist Verlass!

Doch zahlreiche Antifaschist/innen
nahmen die Nazi-Provokationen

nicht tatenlos hin. Tausende demonstrierten in Dortmund,
Lüneburg und Stuttgart. In Stuttgart bereiteten sie den Faschisten eine
Niederlage!

Ca. 2000 Menschen aus Stuttgart und anderen Städten
Baden-Württembergs hatten sich um 12.30 Uhr zu einer Kundgebung und
Demonstration beim Hauptbahnhof eingefunden, zu der ein Bündnis „Weiße
Rose gegen braune Gewalt“ aufgerufen hatte. Begeisternd: das Engagement
hunderter sehr kämpferischer Jugendlicher und Studenten!

Zu Beginn rief die Journalistin und Autorin Beate Klarsfeld aus Paris, die sich wegen einer anderen
antifaschistischen Aktion (Vgl. Bericht vom 28.01. auf unserer Seite) in
Stuttgart aufhielt, die Menschen in Deutschland zu Zivilcourage gegen die
faschistischen Ideologen auf, die heute noch Auschwitz leugnen und den
Rassismus der Nazis rechtfertigen. Sie freue sich, dass dank des Engagements
vieler Antifaschistinnen nirgendwo in Deutschland Nazis unbehindert und ohne
Protest aufmarschieren könnten.

Werner Pfennig, VVN-BdA, spricht

Werner Pfennig, der
Vorsitzende der VVN-Bund der Antifaschisten, redete in einer eindrucksvollen
Rede Klartext! Er bezeichnete es als nicht zu überbietenden Skandal, dass ausgerechnet
das Bundesverfassungsgericht, das über die klaren antifaschistischen
Bestimmungen des Grundgesetzes zu wachen hätte, den Nazis ihre Aufmärsche und
damit die Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie erlaube und zitierte
aus dem oben dokumentierten Nazi-Aufruf. Er forderte die Gewerkschaften auf,
entschieden gegen Nazi-Umtriebe zu handeln, bis hin zum Streik…

Auch Harald Hellstern, der
Vorsitzende der katholischen Verbände in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, und schließlich Leni Breymaier, die stellvertretende
Vorsitzende des DGB Baden Württemberg, sprachen zu den Demonstranten.

Antifa-Demo Stutgart 28-1-06Auf der anschließenden Demonstration zum Schlossplatz legten die
Demonstranten weiße Rosen an der Gedenktafel für den von den Nazis ermordeten
ehemaligen württembergischen Staatsminister Eugen Bolz nieder.

Am Schlossplatz wurde dann die Kundgebung des Bündnisses mit einer kurzen
Abschlusskundgebung offiziell beendet.

Dennoch zogen fast alle Demonstranten durch die Stuttgarter Innenstadt weiter,
um ihren Protest auch unmittelbar am mehrere Kilometer entfernten Kundgebungsort
der Neofaschisten zum Ausdruck zu bringen und sich ihnen in den Weg zu stellen.
Die Polizei verfolgte sie und kesselte sie in der Tübinger Straße ein, gab
diese Maßnahme aber nach ca. einer dreiviertel Stunde wieder auf, so dass die Demonstranten
sich zu hunderten auf dem Marienplatz und in den angrenzenden Straßen zusammenschließen
konnten.

Polizeikessel gegen Antifas

Denn zahlreiche Antifschist/innen waren direkt zum Schöttle-Platz nahe dem
Marienplatz gegangen, der den Nazis als Sammelpunkt zu gewiesen worden war.
Hier gab es bereits Auseinandersetzungen, als junge Antifaschisten ca. 20
Nazis, die zur Demo wollten, stellten und ihnen ihre Nazibuttons und anderes
Propagandamaterial wegnehmen wollten.

Noch einmal versuchte die Polizei auf dem Marienplatz einen brutalen Angriff
auf die Aktion, unter anderem mit scharfen Hunden. Doch die Demonstranten
setzten sich zur Wehr, wobei auch Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen
wurden. Es kam zu 9 Festnahmen. Laut der Presse wurden mehrere Personen
verletzt, angeblich auch unbeteiligte.

Doch die Aktion war nicht mehr aufzuhalten. Tatsächlich konnte der Aufmarsch
von ca. 200 Neofaschisten, die durch einen massiven Polizeikordon ringsherum geschützt
waren, schon wenige hundert Meter nach Beginn gegen 14.30 Uhr durch die
Blockade der Demonstranten, von Bürgerinnen und Bürgern in der Möhringer Straße
gestoppt werden. Der Marienplatz, wo die Nazis vorbeimussten   besetzt
von hunderten, alle Seitenstraßen und der Rückweg zum Schöttleplatz von zahlreichen
Protestierenden besetzt.

Angesichts der großen Zahl der Gegendemonstranten verzichtete dann die
Stuttgarter Polizei auf eine gewaltsame Räumung des Demowegs der Nazis. Die
Anwohner der Möhringer Straße mussten ab ca. 16:00 Uhr die „Abschlusskundgebung“
der Nazis über sich ergehen lassen, in der „das Oberkommando“ (tatsächlich so gehört!)
der Demonstration in wüsten Tiraden offen nationalsozialistische Propaganda
hinausschrie, untermalt von aggressiver Skin-Musik!

Gegen 17:00 Uhr machte die Polizei dann doch noch einen Weg für die Nazis
frei: Zu zwei inzwischen herbeigeholten Bussen der SSB (Stuttgarter-Straßenbahn-AG)
in einer Parallelstraße, mit denen die Nazis davongefahren wurden, anscheinend
zum Bahnhof, wo sie dem Vernehmen nach erneut von Antifaschisten angegriffen
wurden.

Der kämpferische Protest der großen Zahl von Nazigegnern hat den
faschistischen Aufmarsch in Stuttgart erfolgreich gestoppt.

Nachzutragen wäre noch, dass zwei Abende zuvor eine Spontandemo vor dem Haus
einer der Aufrufenden zu der Nazi-Aktion, Elke Weller, in Stuttgart Zuffenhausen
kam, bei der einige Fensterscheiben zu Bruch gingen. Mehrere Antifaschisten wurden
von der Polizei festgenommen und bis Samstagabend in Sicherungsverwahrung behalten.

ft

Zusätzliche Quellen:

http://www.stuttgart-ohne-nazis.linke-seiten.de http://de.indymedia.org/2006/01/137394.shtml
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,397974,00.html