Fernsehkritik: Störtebecker – light

StoertebeckerZu Ostern zeigte die ARD einen zweiteiligen Film mit 7
Millionen Euro Produktionskosten über das Leben des legendären Seeräubers und
Likkedeelers Klaus Störtebecker. Nach dem Muster von US-Fantasy-Serien wurde
hier die Geschichte von Störtebecker eher verwurstet, denn realistisch gezeigt.
Trotzdem zeigte der Film wenigstens einen Abklatsch der sozialen Verhältnisse,
die den Volkshelden hervorbrachten.

Deutlich wurde, dass die herrschende Klasse in den
Hansestädten mit Gewalt, Betrug, Raub herrschte und ihre Herrschaft sicherte.
Aus dem Elend des Volkes entstand ein Held wie Störtebecker, der als Pirat den
Reichen nahm, um es den Armen zu geben. Als Likkedeeler („Gleichteiler“) trat
er dafür ein, die gemachte Beute gleich zu verteilen, statt sich als Anführer
den Hauptteil einzuverleiben. Dieser leider utopische Protest war eine Anklage
gegen die tiefe Ungerechtigkeit der sozialen Verhältnisse, konnte jedoch die
Herrschaft der emporstrebenden städtischen Kaufleute der Hanse nicht stürzen
und die gleichzeitig entstehenden ersten Elemente kapitalistischer Produktion
wie der Manufaktur nicht aufhalten. Aufgrund seines tatkräftigen Protestes und
seines aktiven Handelns gegen die Reichen wurde Störtebecker, auch nachdem er
zum Tode verurteilt und mit dem Beil enthauptet wurde, zu einem Volkshelden,
dessen Abenteuer heimlich weiter berichtet und dabei manchmal auch ins
Phantastische verzerrt wurden.

Obwohl in dem Zweiteiler all dies anklang, stand im
Mittelpunkt jedoch die breit ausgewalzte Liebe des Piraten zu der Tochter
Elisabeth des reichen Hansekaufmanns Preen und der Hass auf den Mörder seiner
Eltern, den reichen Kaufmann Konrad von Wallenrod und dessen Sohn Simon. Und
damit auch genügend Stoff für die Liebesstory zusammenkam, wollte gerade Simon
von Wallenrod die heiß geliebte Elisabeth heiraten. So wurden die heftigen
sozialen Auseinandersetzungen, die sich in Störtebecker widerspiegeln, weitgehend
zu einer persönlichen Angelegenheit um Liebe, Recht und Rache gemacht. Um dem
dadurch stellenweise seichten und langatmigen Film mehr Schwung zu geben,
peppte man ihn mit billigen Effekten auf. Immer wieder gab es Actionszenen wie
in einem Bud-Spencer-Film. Und da auch das kaum ausreichte, wurden diese Szenen
noch mit technisch anspruchsvollen, inhaltlich aber primitiven Computeranimationen
versehen. So wurde z. B. ein Angriff erst einmal mit Zeitlupe verlangsamt,
sodass man den Angriff auch nur ja mitbekam, um dann auf einmal auf Zeitraffer
umzuschalten und den Todesstoß zu dramatisieren. Für wie dumm muss man
Zuschauer halten, um mit solch billiger Effekthascherei zu arbeiten?

Die wenigen über Störtebecker gesicherten historischen
Informationen spielten im Film kaum eine Rolle. So spielte der Film weitgehend
in Hamburg, Kopenhagen und Wisby. Die zahlreichen Stationen der Likkedeeler wie
Rügen, Ostfriesland, das zeitweilige Bündnis mit der Hanse gegen Dänemark, die
Bündnisse mit Holland und den ostfriesischen Häuptlingen wurden nicht einmal
erwähnt. Für eine schnulzige Liebesromanze wäre das unnötiger Ballast gewesen.

Trotz alledem konnten die sozialen Probleme, wie oben
erwähnt, nicht einfach ausradiert werden. Insoweit war der Film durchaus
sehenswert und könnte dazu anregen, sich mit der Geschichte des Likkedeelers
Klaus Störtebecker zu beschäftigen. Empfehlenswert ist da unter anderem das
Buch von Willi Bredel, Die Vitalienbrüder.

Übrigens noch eins als Schlussbemerkung: Indirekt zeigte der
Film, dass die Herrschenden nur die Sprache von Macht und Gewalt verstehen.
Gegen Ende des Filmes wurde gezeigt, wie Störtebecker nach Hamburg kam, um dort
den Mörder seiner Eltern anzuklagen. Nur weil er eine Mannschaft schwer
bewaffneter Likkedeeler bei sich hatte, die es gut mit den Stadtwachen
aufnehmen konnte, gewährte man ihm am Ende freies Geleit, um „weiteres
Blutvergießen zu vermeiden“ wie der Bürgermeister heuchlerisch meinte. Bald
darauf nahm man Störtebecker mit einer List gefangen und brachte ihn aufs
Schafott. So ist das mit dem Vermeiden von Blutvergießen bei den Herrschenden.
Wenn sie die Macht haben und es für sie notwendig ist, scheuen sie nicht vor
Blutvergießen zurück. Hat das Volk jedoch Macht und Kraft, dann müssen sie
zurückstecken und verlegen sich auf „friedliche“ Heuchelei, um die Revolte
später niederzutreten. Insoweit war der Film – sicher ein unfreiwilliger –
Beitrag zum Thema Gewalt und Revolution.

Infoseiten der ARD zum Film: http://www.daserste.de/stoertebeker/default.asp

Willi Bredel, Die Vitalienbrüder, 213 Seiten,
Hinstorff-Verlag, 2001, ISBN: 3356006584

Informationen über Störtebecker: http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%B6rtebecker

ernst