Frankreich: Was wir in der siegreichen Mobilisierung gegen das „CPE“ [Gesetz über den Erstanstellungsvertrag] gewonnen haben.

Vor dem „CPE“ gab es eine Menge anderer Maßnahmen. Alle
wurden mehr oder weniger als Rückschritt eingeordnet, aber keine konnte eine so
machtvolle Mobilisierung auslösen.

Verschiedene Faktoren spielten eine Rolle. Sie erlaubten innerhalb
einiger Wochen den Aufbau einer Bewegung, die in der Lage war, eine Regierung
zum Rückzug zu zwingen, die immerhin zu Beginn entschlossen war, nicht
nachzugeben. Zu diesen Faktoren zählt das Bewusstsein über die Schädlichkeit
des „CPE“, die Erfahrung der vorangegangenen Bewegungen und die Spaltungen
innerhalb der Oligarchie.

 

Die Rücknahme des „CPE“.

 

Sie ist eines der Resultate, und nicht das geringste, dieser
Bewegung. Dieses Pilotprojekt, das zum Ziel hatte, den Deich aller kollektiven
Absicherungen zu brechen, ist nicht geglückt! Das ist ein wichtiger Erfolg, der
eine zusätzliche, schwere und unmittelbare Verschlechterung der
Einkommensverhältnisse verhindert hat. Er zeigt, dass man vereint siegen kann,
wenn man eine Bewegung um eine präzise zentrale Forderung aufbaut.

Diese zweite schwere Niederlage der Regierung innerhalb
weniger als einem Jahr hat sie in eine Position der Schwäche gebracht.

Sarkozy [der Innenminister, d.Ü.] hat es freilich
verstanden, geschickt zu manövrieren, um sich aus der Affäre zu ziehen und die
Reaktion hat ihr Gegenfeuer eröffnet: die „Front National“ hat zugelegt,
Populismus, fremdenfeindliche Gesetze… Aber das „nützliche Jahr“, das Chirac
und seine Regierung dazu nutzen wollten, um die antisozialen und gegen das Volk
gerichteten Reformen zu beschleunigen, ist ins Wasser gefallen. Ob Villepin
bleibt, oder ob er zum Rücktritt gezwungen ist, ändert nichts an der Tatsache:
Die paralysierte Regierung muss sich bis 2007 
darauf beschränken „die laufenden Geschäfte zu erledigen“.

Die Spaltungen innerhalb der Rechtsliberalen sind stärker
hervorgetreten in dem Maß, wie die Stärke der Bewegung gewachsen ist. Sie
liegen jetzt offen zu Tage und haben Teil an der Diskreditierung der 5ten
Republik.

 

Eine institutionelle Krise ist offenbar.

 

Eine neue Frage, die einer anderen Verfassung, ist in die
politische Debatte gekommen. Die Reaktion hat ihr eigenes Projekt. Sie will
insbesondere eine Regierungsform, die noch mehr die Macht in den Händen des
Präsidenten der Republik verstärkt und konzentriert. Aber zum ersten Mal seit
den 50er Jahren stellt die Bewegung selbst die Frage einer unumgänglichen
Infragestellung der reaktionären Institutionen, welche während des
Algerienkrieges eingerichtet wurden.

 

Die Bewegung hat ihre Einheit und ihr Bewusstsein gestärkt.

 

Das „Alle gemeinsam“ wurde in den einheitlichen
Demonstrationen und Kundgebungen aufgebaut. In zahlreichen Städten gab es
zwischen diesen großen Zusammenkünften konkrete Fortsetzungen: wechselseitige
Einladungen der AGs, Debatten zwischen Beschäftigten und Studenten, gemeinsame
Initiativen in den Industriezonen, Streikposten von Eltern und Gewerkschaften
vor besetzten Gymnasien, gemeinsame Fahrdienste zu den Kundgebungen… Das sind
Brücken für die Stärkung der Volkseinheit, Brücken für die Zukunft, die man
unterhalten und stärken muss.

Von vielen Aktiven der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung
wurden die Mobilisierung der Jugend und ihr massives Eintreten in die
politische Szene als Sauerstoffstoß empfunden.

Die aktivsten Jugendlichen in der Studenten- und
Schülerbewegung ihrerseits haben es verstanden, die Realitäten des
Arbeitslebens besser kennen zu lernen: Bewusstwerdung der kapitalistischen Ausbeutung,
des Gewichts der Arbeiterklasse in der Gesellschaft, des entschiedenen
Charakters ihrer Mobilisierung…

Die blindwütigen und massiven Repressionen gegen die
Jugendlichen und alle, die sich vor Ort befanden, das Tränengas und die
willkürlichen Verhaftungen haben dazu beigetragen, die Illusionen über die
Rolle der „Ordnungskräfte“ zu Fall zu bringen. Eine weitläufig geteilte
Wahrnehmung von der Gewalt der Gesellschaft und ihrer Institutionen hat dazu
Anlass gegeben, über die aufzubauenden Machtverhältnisse nachzudenken und über
die Klassenzusammenstöße, die daraus unvermeidlich hervorgehen.  Man findet in der Jugend, aber auch in
anderen Schichten des Volkes eine beachtliche Entwicklung vor. Um sich davon zu
überzeugen, genügt es, die Entwicklung der gewerkschaftlichen Debatten und
des  gewerkschaftlichen Verhaltens im
Verlauf der Manifestationen anzuschauen; war am Anfang die offensichtliche
Hauptsorge, die Umzüge der Jugendlichen im Zaum zu halten, die am wenigsten
exponierten Marschrouten zu finden, so verlagerte sich der dominierende Diskurs
Stück für Stück in Richtung Verurteilung der Gewalttaten der Polizei und in
Richtung des Willens, die Jugendlichen davor zu schützen. Der Legalismus, die
Furcht vor der Gewalt sind weniger ausgeprägt.

Die Jugendlichen der Vorstädte, die sich der Bewegung
angeschlossen haben, haben einen Schritt in Richtung eines mehr politischen
Ausdrucks ihrer Revolte getan, die Jugendlichen der Gymnasien und der Uni sind
weniger blockiert durch die Tatsache, dass zu gegebenem Zeitpunkt die Gewalt
ein legitimer Akt der Verteidigung sein kann.

 

Eine der wichtigen Errungenschaften dieser Bewegung ist die
zwar ungleiche, aber allgemeine Politisierung der Jugend.

 

Man findet den Widerhall dessen in der Tatsache, dass eine
gewisse Zahl von Jugendlichen heute die Frage stellt „Mitglied einer
politischen Partei zu sein“. Das erscheint ihnen notwendig und legitim, um die
Einheit mit anderen Schichten des Volkes zu verwirklichen und mit ihnen
zusammen nicht nur diese oder jene Maßnahme, sondern die gesamte Logik und die
Grundlage der Gesellschaft, die Not, Unsicherheit und Ungerechtigkeit nährt, in
Frage zu stellen.

Die Jugendlichen haben ebenfalls Erfahrung gemacht in der
Organisierung: Besetzungen, AGs, Abstimmungen, Bildung von Kommissionen zur
Organisierung von Versammlungen, Delegationen, politische Animationen und
Debatten, Verfassen von Flugblättern, Verhandlungen mit den Behörden,
Schülerhilfe… Auch wenn das sehr unterschiedlich geschah, haben die Schüler
viel gelernt bei dem Herausschälen der Gesetze, beim Entdecken der
Arbeitsgesetze, beim Vorbereiten ihrer AGs und Spruchbänder, bei der
Organisierung ihrer Koordinierungen… Über das, was gut funktioniert hat, aber
auch über die tastenden Versuche und Irrtümer hinweg bildet sich eine neue
Generation von Kämpfenden. Auf diesem Versuchsfeld der Demokratie konnten auch
einige herausfinden, dass die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei mehr
Kampfmöglichkeiten und mehr Garantien bietet, nicht manipuliert zu werden.

Die politischen Kräfte, welche die Frage nach einer
Alternative zum Liberalismus und zum System aufwerfen, haben mehr Gehör
gefunden und mehr an politischer Autorität gewonnen.

Die Ablehnung des Liberalismus hat sich vertieft und ist
breiter geworden. Parolen wie „diese Gesellschaft wollen wir nicht“ erlebten
einen Höhepunkt. Die politische Debatte rund um die Frage der Alternative,
eröffnet am 29. Mai 2005 [Referendum über die Europäische Verfassung, d.Ü.],
wurde auf eine höhere Ebene gehoben.

Der Sozialistischen Partei und ihren sozialliberalen
Anhängern gelang es nicht, ihre politische Jungfräulichkeit wiederherzustellen
nach ihrer schmählichen Niederlage vom 29. Mai 2005. Ihre im Prinzip
grundsätzliche Befürwortung einer Reform des Arbeitsrechts, das „Flexibilität“
für den Unternehmer mit „Garantien“ (???) für den Beschäftigten verbindet, hat
sie auf eine rein formale Opposition beschränkt, die Chirac und Villepin im
Wesentlichen vorwarfen, „die Leute auf die Straße zu treiben“.

Die Ablehnung eines einfachen politischen Machtwechsels, die
Idee, dass man mit dem Neoliberalismus und dem Sozial-Liberalismus brechen
muss, ist gewachsen.

Erklärung der PCOF, Kommunistische Arbeiterpartei Fankreichs