Kriegseinsätze der Bundeswehr und Kriegsneurosen

Schon immer hat es bei Kriegen neben den katastrophalen
Zerstörungen, den zahllosen Toten und Verwundeten auch Menschen gegeben, die
die grausamen psychischen Belastungen eines Krieges nicht ertrugen und unter
schweren seelischen Störungen litten – so genannten Kriegsneurosen.Von den Herrschenden wurden solche Folgen sowohl bei den
Opfern in der Zivilbevölkerung als auch bei den Soldaten meist vertuscht und
verborgen. Dabei sind schwere psychische Schäden in Kriegssituationen gar nicht
selten. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu einem Drittel aller vom Krieg
Betroffenen, ob als Täter oder als Opfer, solche Schäden davontragen. Beim
Bürgerkrieg in Sri Lanka beispielsweise sind nach Schätzungen des Kinderhilfswerks
der Vereinten Nationen „bei einer Bevölkerung von 18 Millionen circa 900.000
Kinder vom Krieg betroffen und durch mehrfache Vertreibungen, Bombenangriffe
und den Verlust von Familienangehörigen zum Teil schwer traumatisiert.“

(Deutsches Ärzteblatt, PP, Heft 2, Februar 2003, S.75) Berücksichtigt man, wie
viele Erwachsene ebenfalls traumatisiert sein müssen, dann sieht man, welche
Dimensionen von psychischen Störungen Kriegseinsätze hervorrufen. Erfahrungen
aus dem Vietnam-Krieg und jetzt wieder in Afghanistan und dem Irak belegen
dies.

 

1. Weltkrieg

 

Bereits im ersten Weltkrieg gab es massenweise das Phänomen der
so genannten „Kriegszitterer“, wie damals die Betroffenen genannt wurden. Diese
„Kriegszitterer“ fielen dadurch auf, dass sie ohne erkennbaren Grund heftig
zitterten, Krampfanfälle bekamen, weinten, zusammenbrachen usw. Psychische
Schäden bei der Zivilbevölkerung traten in noch sehr wenig auf, da das
Hinterland im Vergleich zum 2. Weltkrieg wenig betroffen war. Nur an der
unmittelbaren Front kam es auch zu schweren Schäden für die betroffene
Zivilbevölkerung. Diese wurden in der Regel jedoch nicht beachtet, da sie die
Militärmaschinerie nicht störten. Bei den Soldaten, die unter schweren
Angststörungen, Depressionen, Albträumen usw. litten, versuchte man zu Anfang
des Krieges, diese durch eine Behandlung wieder „verwendungsfähig“ zu machen.
Als die Behandlungen scheiterten und die Betroffenen entlassen und mit einer
Kriegsrente versorgt werden mussten, schaltete die Heeresleitung um. Auf der
Konferenz der Militärpsychiater in München, September 1916, wurden diese auf
eine zunehmend härtere Linie eingeschworen. Kriegsneurotiker galten als
„degeneriert“, „schwache Persönlichkeiten“. Sie wurden nun mit Elektroschocks
und striktem militärischen Zwang „kuriert“. So mussten sie beispielsweise in
den psychiatrischen Kliniken des Militärs stundenlang Zwangsexerzieren. Doch
auch diese Therapiemethode brachte nur wenig Erfolge. Die meisten mussten ins
Zivilleben entlassen werden, erhielten nun aber nur noch selten eine
Kriegsrente, da sie ja als  „degeneriert“
und „schwache Persönlichkeit“ angeblich selbst Schuld waren.

Ein dramatisches Beispiel für den Umgang mit
„Kriegszitterern“ wurde nun bekannt. In England wurden nach 90 Jahren 306
Soldaten rehabilitiert, die 1916 als „Vaterlandsverräter“ zum Tode verurteilt
und standrechtlich erschossen wurden. Die jungen Männer (der jüngste war 17
Jahre alt) waren alle, nachdem sie monatelang in Nordfrankreich im
Schützengraben gekämpft, die ständige Bedrohung aushalten mussten, mit ansahen,
wie Kameraden und Gegner von Granaten zerfetzt und zerstückelt wurden, wie
ihnen Blut, Gedärme, Gliedmaßen und Gehirn anderer Menschen um die Ohren
flogen, schwerst psychisch gestört in Lazarette gekommen. Von dort sollten sie
wieder an die Front. Ein Vorgesetzter schrie sie laut Gerichtsakten an: „Wenn
ihr nicht an diese Scheißfront geht, werde ich euch euer Scheißhirn
rauspusten.“
Alle wurden ohne Verteidiger vor Gericht gestellt und zum Tode
verurteilt. (laut Stuttgarter Zeitung vom 17.8.06)

Wie üblich bei Kriegen wurden die Folgen gern verharmlost
und versteckt. So wurden z.B. während des ersten Weltkrieges Soldaten mit
schwersten Verletzungen, die teilweise bis zur Unkenntlichkeit entstellt waren,
jahrelang oder bis zu ihrem Tode in Lazaretten versteckt. Manchmal durften sie
noch nicht einmal mehr ihre Familien sehen, da der Anblick unerträglich war und
das Militär befürchtete, dass so die Stimmung gegen den Krieg gefördert würde.

Von dieser Taktik haben alle imperialistischen Kriegsmächte
gelernt – auch die Bundeswehr heute. Wo bekommt man die Opfer der heutigen
Kriegseinsätze des deutschen Militärs zu sehen? Wo wurden schwer verletzte
Soldaten gezeigt? Selten! Dafür sieht man immer wieder in der Presse billige
Propagandabilder, die die Kriegseinsätze beschönigen und rechtfertigen sollen:
Da eröffnen Soldaten einen neu gegrabenen Brunnen, da wird ein Kind in einem
Bundeswehrlazarett behandelt, da wird Weihnachten im Bundeswehrzelt gefeiert
oder die Fußballweltmeisterschaft im Kriegscamp angeschaut. Mit solchen
„besinnlichen“ Bildern soll von der grausamen Realität der Einsätze abgelenkt
werden.

 

2. Weltkrieg

 

Im zweiten Weltkrieg wurde das Problem der Kriegsneurosen
noch einfacher und radikaler gelöst als im ersten. Für die faschistischen
Herrenmenschen waren Soldaten, die schwere psychische Schäden in ihrem
bestialischen Krieg davontrugen „minderwertige Schwächlinge“. Daher wurden beispielsweise
Soldaten, die bei einer Massenerschießung anfingen zu Zittern und zu Schwitzen
und das Gewehr nicht mehr halten konnten, nicht etwa zum Militärpsychiater
geschickt, sondern als „Meuterer“, „Defätisten“, oder „Vaterlandsverräter“
umgehend standrechtlich erschossen. Soldaten mit psychischen Störungen wurden
häufig in Todeskommandos versetzt, wo es nicht so sehr darauf ankam, ob der
Mensch noch „funktionierte“, sondern wo Menschenmaterial benötigt wurde. Da es
bei solchen Todeskommandos kaum Überlebenschancen gab, war man so die
„Schwächlinge“ los. Die Militärpsychiater der Reichswehr untermauerten dieses
Vorgehen theoretisch, indem sie die „Minderwertigkeit“ der „Schwächlinge“ unter
„rasse-biologischen Gesichtspunkten“ behaupteten. So gab es im 2. Weltkrieg nur
noch wenig Kriegsneurotiker bzw. andere Symptome, die noch als akzeptabel
galten, jedoch ebenfalls schwere Konsequenzen für die Betroffenen hatten. Es
traten häufiger psychosomatische Störungen wie Magenerkrankungen auf. Die
Soldaten, die solche Symptome aufwiesen kamen in besondere „Magen-Batallione“.
Militärpsychiater entwickelten einen so genannten „Neurotiker-Kreislauf“.
Zunächst versuchte man die Patienten frontnah mit massiven Elektroschocks und
militärischem Drill zu heilen – ähnlich wie im 1. Weltkrieg, jedoch in
schärferer Version. Dann kamen die Betroffenen zu so genannten
„Arbeitseinsätzen“, die sichere Todeskommandos waren. Sie mussten zum Beispiel
an der Front Verwundete im feindlichen Feuer bergen.

So verbarg, wer es noch irgendwie ertrug, sein Leiden, um
nicht ermordet zu werden. Einige, die die Möglichkeit dazu fanden und noch die
Kraft und den Mut hatten, desertierten.

 

Kriegseinsätze der Bundeswehr

 

Seit die Bundeswehr wieder Kriegseinsätze im Ausland durchführt,
gibt es auch wieder Tote, Verletzte und ebenso schwerste psychische Störungen.
Allein beim ersten militärischen Einsatz der Bundeswehr in Bosnien ließen 15
Soldaten ihr Leben. Dabei kam kein einziger der Soldaten bei einem
unmittelbaren Kampfeinsatz um. Nur bei Unfällen wie Hubschrauberabstürzen,
Fahren eines Autos auf eine Mine kam es zu diesen Opfern. Eine Zahl über die
Opfer der Bundeswehr in der bosnischen Bevölkerung liegt uns nicht vor.
Mittlerweile hat die Bundeswehr ihre ersten „Helden“ in Särgen nach Deutschland
bringen müssen. Die Kampfeinsätze wie in Kosova, in Afghanistan wurden immer
brutaler und härter. Aber in bekannter Taktik wird darüber geschwiegen. Zahlen
und Opfer bleiben fast geheim. Es gibt kaum Informationen und aussagekräftige Bilder.

Doch schon die ersten Einsätze wie in Bosnien führten auch
zu schweren psychischen Störungen. In der Stuttgarter Zeitung vom 29.7.06 war
einer der seltenen Berichte darüber zu finden. Da wird das Beispiel des
Bundeswehroffiziers Wolfgang Menzel geschildert, der als 48-jähriger insgesamt
30 Jahre bei der Bundeswehr „gedient“ hat und nun als psychisches Wrack
dienstuntauglich und einsam auf einem Bauernhof lebt.

Auslöser war ein Hilfsgütertransport, bei dem sich sein
Konvoi verfuhr. Er berichtet:

„Kinder kommen gerannt, vorneweg ein Knirps, der ‚Bomba,
Bomba’ schreit und Menzel irgendwas in die Hand drücken will. Es ist eine
Handgranate, der Splint ist gezogen, und mit einem Griff packt der Soldat die
Hand des Jungen, drückt sie fest auf die Granate und auf diesen Metallbügel,
der eine Explosion auslöst, sobald er aufspringt. Das Kind erschrickt, es
brüllt und zappelt, Menzel aber hält es mit beiden Armen fest, sieht das Dorf
zusammenlaufen, hört die Leute brüllen, weil sie denken, er tut dem Jungen
etwas an.

Mehr als zwei Stunden kniet der Sanitäter so in der
Sonne, in voller Montur, mit dem Jungen im Schwitzkasten – und in Todesangst.
‚Ich kann das nicht mehr beschreiben’, sagt er und beschreibt es doch: das
Zittern; die panische Angst vor dem Blitz, der ihn und das Kind gleich
wegreißen wird; die Gewissheit, dass er seine eigenen Kinder nie wieder sehen
wird. ‚Ich habe mit dem Leben abgeschlossen.“ Menzel weint in seinem Stall,
leise, wie ein verschrecktes Kind.“

Immer wieder rast dieser Film urplötzlich in seinem Kopf ab.
Starke Angst- und Panikzustände, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sind die
Folgen. Seine Ehe ist zerbrochen, zweimal war er in der Psychiatrie.

Die Stuttgarter Zeitung schreibt in ihrem Bericht vom
29.7.06: „Das Phänomen, das im ersten Weltkrieg Kriegszittern hieß, wird
beim Bund nicht an die große Glocke gehängt – zumal jetzt, wo der Einsatz im
Kongo begonnen hat und über einen Einsatz in Nahost diskutiert wird. Deutsche
Soldaten sind aus Somalia oder Afghanistan mit Problemen heimgekehrt, die
schlecht ins soldatische Selbstbild passen: Angstneurosen, Depressionen,
Zwangsvorstellungen, die bis hin zur Lebensuntüchtigkeit reichen. Menschen sind
das, denen der Krieg die Nerven und den Verstand zerfetzt hat. Wie viele es
genau sind, weiß niemand.“

Die Regierung, die Bundeswehrführung, die Herrschenden, die
diese Zahlen sehr wohl kennen, wollen nicht, dass diese an die Öffentlichkeit
geraten. Denn dann würde klar, was für schreckliche Opfer diese Einsätze
bereits heute kosten.

Dabei ist anzumerken, dass die Opfer der Bundeswehreinsätze
und die in den besetzten Ländern verursachten Schäden an Material, Menschen und
auch die psychischen Traumatisierungen sowieso nicht erfasst werden. Die Opfer
und ihre Leiden zählen wie immer nicht.

 

Die Umwertung der moralischen Werte

 

Es ist dabei unglaublich, mit anzusehen, wie die
Militärpsychologie und –psychiatrie menschliche Moral und Werte umbewertet. In
der Ausdrucksweise dieser Leute sind Menschen, die gefühlsmäßig unberührt oder
wenig berührt durch Blut und Dreck waten, „stabile Persönlichkeiten“. Wer einen
Kriegseinsatz ohne sichtbare Schäden übersteht und weiter funktioniert, gilt
als „normal“. Was ist das für eine kuriose Definition von „normal“? Ist es
nicht zutiefst unnormal, wenn man Menschen sterben sieht, wenn man Menschen
selber berufsmäßig umbringt, und dann ruhig leben und schlafen kann?

Sind nicht die „normal“, die auf diese Verbrechen, die sie
sehen und begehen, gefühlsmäßig reagieren und psychische Störungen erleiden?

Für das Militär ist das nicht wichtig. Es geht ja gerade
nicht um Moral und Menschlichkeit. Auch wenn diese Sprüche bei jedem
Kriegseinsatz als Propaganda obenan stehen. Es geht um die Funktionstüchtigkeit
einer Mordmaschine. Und da liegt es in der Logik, diejenigen, die mehr oder
weniger ungehemmt mitmachen, auch als „stabile Persönlichkeiten“ positiv
darzustellen, und die, die das nicht verkraften, als „labile Persönlichkeiten“
abzustempeln.

Das liegt auch in der Tradition des Umgangs mit
Kriegsneurotikern im ersten und im zweiten Weltkrieg. Auch damals wurden diese
als „degeneriert“, „schwache Persönlichkeiten“ und schließlich als
„minderwertig“ und „Schwächlinge“ diffamiert. Nur, dass man sie heute nicht
mehr standrechtlich erschießt. So weit ist es noch nicht, aber das kann auch
wieder kommen, wenn die Situation es für das Militär erforderlich macht.

Ein weiterer Aspekt ist der, dass psychische Schädigungen
oft jahrzehntelang oder ein ganzes Leben überdauern. Sie sind bei schweren
posttraumatischen Belastungsstörungen oft nicht heilbar, sondern können nur
gelindert werden. Und manche Störungen werden nicht oder erst dann entdeckt,
wenn es zu spät ist. Neben denen, die nämlich äußerlich sichtbar versagen,
zusammenbrechen und ihr ganzes Leben nicht mehr im Griff haben, kommen aus
Kriegen auch immer wieder Menschen zurück, die emotional völlig erkaltet und
aggressiv geworden sind. Viele dieser Menschen finden nie wieder in ein
normales Leben zurück. Sie sind entwurzelt und können keine menschlichen
Beziehungen mehr eingehen. Sie werden häufig kalte Verbrecher, grausame Mörder.
So zieht der Krieg seine blutige Spur auch im Zivilleben weiter.

Dass psychische Schäden von Kriegen eine lange, tiefe Spur
hinterlassen, konnte man auch im Nachkriegsdeutschland sehen und spüren. Väter
kamen nach Hause, die selber keinen emotionalen Halt mehr hatten und an ihre
Kinder weiter geben konnten. Manche begingen Selbstmord, was zu erneuten
schweren Traumatisierungen führte. Andere versanken in Depressionen und innere
Abstumpfung, existierten zwar, aber waren für ihre Kinder gar nicht real da.
Wieder andere suchten „Hilfe“ in Alkohol. Wieder andere versuchten ihre innere
Unsicherheit mit äußerer Härte und Disziplin zu verbergen und zu bewältigen. So
wurden die psychischen Schädigungen auf die Kinder übertragen und diese
übertragen sie oftmals auch heute noch an die zweite oder gar dritte
Nachkriegsgeneration weiter. (siehe dazu: Peter Heinl, „Maikäfer flieg, dein
Vater ist im Krieg…“; das Buch enthält zahlreiche interessante Fallschilderungen
aus psychoanalytischer Sicht, wenn auch die beschriebenen Therapieansätze
ausgesprochen idealistisch sind.)

Wie oft in solchen Fällen, reagierten viele mit bewusster
oder unbewusster Verdrängung. Man wollte nichts wissen, ignorierte die
Verbrechen und Leiden, die man selbst gesehen und erlebt hatte. Man stürzte
sich in Arbeit und Konsum, in das „Wirtschaftswunder“, um sich abzulenken. Den
Herrschenden nutzte diese Verdrängung. Alte Nazis konnten ungehindert Karriere
machen – bis hin zum Bundespräsidenten. Das Kapital konnte ungestört seine
Herrschaft wieder festigen. Die alten Kriegsverbrecher wie bei Krupp, Porsche
usw. übernahmen wieder ihre Betriebe und wurden wieder „Ehrenmänner“.

Diese Verdrängung wirkt bis heute in unserem Volk. Sichtbar
wurde das z.B. auch in dem überschäumenden, lustigen, ausgesprochen
konsumfreudigen aber doch zwanghaften Nationalismus angesichts der
Fußballweltmeisterschaft. Man möchte mit aller Gewalt wieder „normal“ sein und
sich von den Lasten der Geschichte befreien. Das ist durchaus verständlich.
Denn es ist gar nicht leicht, mit diesen inneren, psychischen Lasten zu leben –
sogar in einer Generation, die damit eigentlich gar nichts direkt zu tun hat. Es
klappt aber nicht real, das so einfach abzustreifen. Denn diese tiefen Schädigungen
verschwinden auch unter der fröhlichsten Oberfläche und dem blindesten
Nationalismus nicht. Im Gegenteil! Psychische Schädigungen wirken auch dann,
wenn sie nicht bewusst sind. Auf diesem Wege werden sie allerdings für die
Herrschenden nutzbar, die an Verschleierung und Verdrängung zutiefst
interessiert sind. Eine wirkliche Befreiung kann nur erreicht werden, wenn man
versucht, das Verdrängte bewusst wahrzunehmen und aufzuarbeiten, um es besser
zu bewältigen. Wenn wir eben keine „normale“ Geschichte haben, das müssen wir
uns dieser Anormalität stellen, um damit normal umgehen zu können und die
Schäden als Erfahrung für eine bessere Zukunft zu nutzen. Das würde jedoch den
Herrschenden niemals passen, da dann die Menschen freier und glücklicher leben
könnten, ohne ihr Heil in oberflächlicher Begeisterung für Nationalismus und
Konsum zu suchen und zugleich klar würde, dass imperialistische Kriege immer
ein Verbrechen darstellen, egal unter welchem Deckmantel sie geführt werden.

Doch der Krieg hat nicht nur diese psychische Spur
hinterlassen. Zugleich gibt es in der deutschen Bevölkerung aus den Erfahrungen
des ersten und des zweiten Weltkrieges einen starken Widerstand gegen Krieg und
Militär. Das zeigte sich im Widerstand gegen die Wiederaufrüstung und Schaffung
der Bundeswehr in den 50er Jahren, das zeigte sich in der massiven Anti-Vietnamkriegs-Bewegung,
das zeigte sich in den millionenfachen Protesten gegen die NATO-Nachrüstung in
den 70er Jahren, das zeigte sich in den Massendemonstrationen gegen die beiden
Irak-Kriege und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr. Zwar ist die
Friedensbewegung in unserem Land nicht sehr stabil, aber trotzdem ein
dauerhafter und konstanter Faktor, der bei aktuellen Konflikten und Problemen
immer wieder eine stark sichtbare politische Kraft darstellt. Mit diesem
Problem hat jede Regierung, die Auslandseinsätze der Bundeswehr durchsetzen
will, zu kämpfen. Mit allen psychologischen Tricks versuchen sie, die Menschen
zu täuschen, zu beruhigen, ihnen Sand in die Augen zu streuen – und die wahren
Absichten zu verbergen.

Da wird im Falle des Kongo z.B. nicht von den gewaltigen
Rohstoffvorkommen, die man sich dort unter den Nagel reißen will, gesprochen,
sondern von der „Absicherung demokratischer Wahlen“. Da wird im Falle Afghanistan
nicht über die strategische Bedeutung dieses Landes im Kampf der Großmächte
geredet, sondern von „Kampf gegen den Terrorismus“, von „Befriedung“ und
„Befreiung“. Da wird im Falle des Libanon nicht von den wirtschaftlichen und
strategischen Interessen in dieser Erdölregion geredet, sondern lieber von
humanitärer Hilfe.

In der Realität jedoch werden in diesen Kriegen die
Interessen des Kapitals an Profit, Rohstoffen, Absatzmärkten usw. gesichert.
Dafür sind all die Opfer, dafür die Toten, die Zerstörungen und auch die
jahrzehntelangen psychischen Leiden. (siehe dazu auch: Aufruf zum Antikriegstag
2006, S.1)

 

„Alle Kriege entstehen nur um den Besitz von Geld!“
Plato, 427 v.u.Z.

 

Literaturhinweise:

– Karl Heinz Roth, Die Modernisierung der Folter in den
beiden Weltkriegen, in: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21.
Jahrhunderts, Juli 1987, Heft 3, Seite 8 ff.) Dieser Zeitschriftenbeitrag
stellt die Militärpsychiatrie zwischen 1915 und 1945 eindrücklich dar.

– Peter Riedesser, Axel Verderber, „Maschinengewehre hinter
der Front“ – Zur Geschichte der deutschen Militärpsychiatrie, Fischer
Taschenbuchverlag, 1996, ISBN 3-596-10876-4, 28 Euro – eine ebenfalls sehr
interessante Darstellung, die bis in die Anfänge der Bundeswehr reicht.

– Peter Heinl, „Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg..“,
Seelische Wunden aus der Kriegskindheit, Kösel-Verlag, 2. Auflage 2001, ISBN
3-466-30359-1, 14,95 Euro

– Ernst Friedrich, Krieg
dem Kriege, Zweitausendeins-Verlag, Frankfurt

 

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