Alle gemeinsam gegen das Kapital! Die Demos am 21. Oktober 2006 können nur ein Anfang sein!

Rund 220.000 Kolleginnen und Kollegen haben am 21. Oktober
in Berlin, Dortmund, Frankfurt, München und Stuttgart gegen die nächste Runde
im Sozialabbau, gegen die Rente mit 67, gegen weitere Steuererleichterungen für
das Kapital, gegen Hartz IV und weitere Kürzungen, gegen die Gesundheitsreform
protestiert. Aufgerufen hatten die DGB-Gewerkschaften, aber auch der
Sozialverband VDK, dessen Chef Hirrlinger in Stuttgart auf der Hauptkundgebung
nach DGB-Chef Sommer sprach.

Es war mehr als überfällig, dass die Gewerkschaften ihre
Mitglieder gegen die herrschende Berliner Politik des Sozialkahlschlags
mobilisieren. Und die Stimmung auf den Demos war kämpferisch. Neben Tausenden
aktiver Gewerkschaftskolleg/innen, die sich auch sichtbar als
Gewerkschafter/innen aus ihren Firmen präsentierten, waren auffällig viele
Rentner/innen da, aber auch zunehmend Jugendliche. Viele haben diese
Demonstrationen als Auftakt für weitere Aktionen begriffen.

Denn die Erfahrung hat gezeigt: Weder die CDU/CSU/SPD-Regierung
noch das Kapital lassen sich durch einen einmaligen Protest beeindrucken. Aus
Umfragen wissen diese Herrschaften schon lange, dass eine Mehrheit im Volk die
Rente mit 67, die Gesundheitsreform und viele andere Sozialabbaumassnahmen ablehnt.
Auch das beeindruckt sie als „Demokraten“ nicht. Sie regieren nicht für das
Volk, sondern für das Kapital, für die Reichen im Land. Und sie legen sich
mächtig ins Zeug, um den Menschen das Leben immer schwerer zu machen. Da fällt
einem die Aussage des mittelalterlichen Revolutionärs und Führers im
Bauernkrieg, Thomas Müntzer ein: „Die Herren machen das selber, daß ihnen der
arme Mann feind wird. Die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht wegtun. Wie
kann es die Länge (auf lange Sicht gesehen – die Red.) gut werden? So ich das
sage, muß ich aufrührisch sei…“
(Thomas Müntzer, Hochverursachte Schutzrede,
1524)

Unter zahlreichen Kolleginnen und Kollegen wachsen heute die
Enttäuschung, die Wut und die Verzweiflung.

  • Die Schließung von AEG-Elektrolux in Nürnberg trotz eines
    lange ausgehaltenen Abwehrstreikstreiks,
  • die Pleite von BenQ mit hunderten von Kündigungen, nachdem
    den damals noch zu Siemens gehörenden Belegschaften von ihrem „Arbeitgeber“
    unter Mithilfe des IG-Metall-Vorstandes zur angebelichen Sicherung ihrer
    Arbeitsplätze die 40-Stundenwoche aufgezwungen sowie das Urlaubs- und
    Weihnachtsgeld genommen worden,
  • der Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze bei
    Bosch/Siemens-Hausgeräte in Berlin Spandau,
  • die massiven Entlassungsdrohungen bei Firmen wie Allianz
    oder Telekom trotz erzielter Riesenprofite 
     

durch all diese Fälle waren viele Teilnehmer/innen
aufgewühlt. und empört. Was sich da allmählich zusammenbraut, ist für die
Herrschenden in diesem Land nicht sehr vorteilhaft.

Das war bei den Demonstrationen am 21. Oktober 2006 spürbar.
Neben den üblichen Transparenten, die von den reformistischen
Gewerkschaftsführern professionell hergestellt und mit lauen Appellen (z.B.
Berlin: „Für faire Reformen!!“) versehen wurden, gab es zahlreiche Plakate und
Transparente aus Betrieben oder von Einzelpersonen und Initiativen, die
deutlich zeigten, was die Menschen wirklich denken und wollen.

Es gab Forderungen nach weiterer Arbeitszeitverkürzung ohne
Lohnausgleich, Proteste gegen Arbeitszeitverlängerungen, gegen Sozialabbau und
Hartz IV, aber es wurde auch immer wieder die Forderung nach einer besseren
Gesellschaft formuliert! Es ist sehr ermutigend, dass die Stimmung sich
zunehmend nicht nur gegen eine bestimmte Politik richtet, sondern dass immer mehr
Menschen das ganze herrschende System mehr oder weniger infrage stellen. Das
ist sicherlich noch eine Minderheit, aber sie wird größer, sichtbarer und
mutiger.

 

Es kann nur ein Anfang sein!

 

Auf den Kundgebungen traten die offiziellen Redner der
Gewerkschaften gezielt dem Vorwurf entgegen, dass es nur um ein kurzes
„Dampf-Ablassen“ ginge. DGB-Chef Michael Sommer bezeichnete in Stuttgart vor
Zehntausenden von Demonstranten (Laut DGB 45 000, unsere Schätzung 30 – 35 000)
den Aktionstag als „Auftakt zu weiteren politischen Aktionen der Gewerkschaften
und nicht ihr Ende.“

Natürlich propagierte er die offiziellen DGB-Positionen. Er
forderte einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro, von dem schon heute klar
ist, dass er ein Armutslohn bliebe. Er bezeichnete Löhne von 3,50 Euro als
Skandal. Er sprach sich gegen die Gesundheitsreform aus und forderte eine
solidarische Bürgerversicherung und eine progressive Solidarsteuer für das
Gesundheitswesen, von der Niedrigverdiener befreit sind, also eine Stützung der
gesetzlichen Krankenkassen durch Steuern, sowie Beiträge der Privatkassen. Über
die Verantwortung des Kapitals für die ruinöse Vernutzung der Gesundheit der
Arbeitenden und Erwerblosen Menschen schwieg er, die daraus logisch folgende
Beitragsparität als Minimum erklärte er für endgültig beendet.

Er appellierte an die Moral und den „Anstand“ der „Manager“,
die tausende von Arbeitsplätzen vernichten. Kein Wort der Aufklärung und
Enthüllung, dass dieses Verhalten der Profitlogik des Kapitals entspricht und
dass das Kapital keinen Anstand und keine Moral kennt, es sei denn eine
strukturelle Unmoral und einen negativen Anstand: Alles, aber auch alles, was
der schrankenlosen Ausbeutung und Profitmacherei nützt, ist gut! Alle, die sich
dem entgegenstellen, speziell kämpferische Gewerkschaften, sind schlecht!

Ein klarer Standpunkt zum kapitalistischen System ist nicht
zu erwarten von einem Gewerkschaftsführer, der nur Monate früher noch im
Spiegelinterview sagte: „Ich akzeptiere, dass sich die Grundlagen des
Sozialstaates durch die demografische Entwicklung, die anhaltende
Massenarbeitslosigkeit und die Globalisierung stark verändert haben. Deshalb
müssen wir intensiv darüber diskutieren, welche Aufgaben der Sozialstaat
künftig noch übernehmen kann und wie seine Strukturen umgebaut werden müssen.“
Da hat Sommer selbst im Chor der Sozialkahlschläger/innen mitgesungen! Nicht
vergessen werden darf, dass der DGB in der Hartz-Kommission vertreten war und
gegen die Hartz-Gesetze, die dort konzipiert wurden, nicht protestiert,
geschweige denn die Basis der Gewerkschaften aufgeklärt hat! Wer will mit
solchen Führern etwas erreichen!?

Es gab am 21.10 2006 zahlreiche Plakate, die einen
Generalstreik forderten! Das ist ein ernster uind weitgehender Vorschlag, der
für Sommer und die anderen Gewerkschaftsführer, die auf den anderen Demos
sprachen kein Thema war. Kein Zweifel: Erst wenn die Basis der Gewerkschaften
in den Betrieben sich dies Problem zu eigen macht, es diskutiert, erst wenn sie
den Generalstreik glaubhaft fordert und vorbereitet, dann kann daraus etwas
werden. Ein Generalstreik kann und wird nur von unten kommen, er muss gegen
diese Führer durchgesetzt werden. Und da ist noch eine gewaltige Arbeit zu
leisten.

Denn so gut es ist, dass wieder viele Empörte und
Aktivist/innen auf die Straße gingen, dass sich wieder ungezählte Menschen
spontan den Demos anschlossen – der große Aufschrei, ja Aufstand war es noch
nicht! Dafür waren es, trotz des auch für viele überraschend großen
Mobilisierungserfolges zu wenige Menschen! Weder wurde die zahlenmäßige Wucht
der inzwischen als typische Ventil-Aktion des DGB-Vorstands eingestuften
Massendemos am 3. April 2004 erreicht, noch der Kampfgeist der selbst
organisierten Demos, speziell der am 1. November 2003 in Berlin. Aber das
spricht überhaupt nicht gegen diese Aktionen, sie müssen weitergetrieben
werden.

Wenn diese Bewegung weitergehen soll, dann müssen die
klassenkämpferischen Kräfte sowohl in den Betrieben des Landes als auch in all
den zahllos vorhandenen Initiativen in Gemeinden, Städten, Stadtteilen sie
aktiv und gemeinsam in die Hand nehmen. Hier müssen die
Vertrauensleute-Gremien, die kämpferischen Betriebsräte, Gruppen und
Initiativen gewerkschaftlicher Kolleg/innen die Forderung nach betrieblichen
und weiteren öffentlichen Aktionen in die Hand nehmen und noch stärker dafür
sorgen, dass immer größere Teile der Belegschaften einbezogen werden.

Diese Aufgabenstellung trifft auf eine komplizierte
politische und ökonomische Gemengelage.

Viele klassenkämpferische Gewerkschafter/innen aus den
Betrieben sind noch zu sehr abgetrennt vom Kampf der Betroffenen des
Sozialkahlschlags in Stadt, Stadtviertel, Gemeinde bzw. auf Straßen und
Plätzen, vom Kampf der Globalisierungsgegner, der Antifaschisten und Antiimperialisten.
Aber sie stehen heute auch mit ihren Kolleg/innen in einem unausgesetzten
Abwehrkampf gegen eine Kapitaloffensive, die unter den Kapitalforderungen
„Standortsicherung!“ durch „Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich!“,
völlige Flexibilisierung aller Arbeitsbedingungen zu Gunsten der Unternehmen“,
„Lohnsenkung“ und „Bezahlung, abhängig vom Kapitalerfolg!“ auf die Beschäftigen
niederprasselt. Längst agitieren die Unternehmer/innen und ihre Manager aktiv
und brutal-erpresserisch unter ihren Beschäftigten, spinnen Intrigen gegen
aktive Gewerkschafter/innen. Wer da nicht tagtäglich auf der Hut ist, wird vom
Kapital überrumpelt! Das ist Alltag!

Deshalb ganz aktuell eine Gratulation an die Kolleg/innen
von der zum Schweizer Saurer-Konzern gehörenden Textilmaschinen-Firma Zinser in
Ebersbach/Fils(Baden-Württemberg), die mit einem mehrtägigen Streik soeben
einen Anerkennungstarifvertrag erkämpften, der die Wiedereinführung der
wichtigsten IG-Metall-Tarifstandards sicherstellt. Wer kennt diese Firma, diese
Belegschaft? Kaum jemand. Und doch haben sie gezeigt, was zu tun ist, nicht der
Vorstand der IG Metall, der sich bei Siemens (Kamp-Lintfort/Bocholt, heute
BenQ) und in anderen Fällen über den Tisch ziehen ließ. Und diese Aussage gilt
auch für all die anderen Kolleg/innen und Belegschaften, die in diesem
alltäglichen Klassenkampf standhalten, trotzen und kämpfen!

Die Saurer-Kapitalisten hatten neben anderen Forderungen die
Zinser-Kolleg/innen sogar zurück auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen
drücken wollen! Sie haben die Quittung in der einzigen Sprache erhalten, die
sie wirklich verstehen: durch den Streik! Nach wenigen Streiktagen mussten
diese Herren jammernd klein beigeben, da sie ihren Lieferverpflichtungen anders
nicht mehr nachkommen konnten. Nur so geht’s! Diese Erkenntnis muss überall
wieder in die Köpfe und Herzen!

Diese Kampfbereitschaft muss in die gesamte Klasse, in die
Gesellschaft, in die breite Öffentlichkeit transportiert werden! Gewerkschafter
und Gewerkschafterinnen müssen raus aus dem Betrieb und in die Öffentlichkeit
mit ihren, mit unseren Problemen und Auseinandersetzungen. Und umgekehrt: Sie
müssen sich solidarisieren mit Studenten, Rentnern, Jugendlichen, Schülern und,
ja auch, mit kämpfenden Bauern! Sie sind, organisiert die stärkste Kraft. Alle
gemeinsam gegen das Kapital!

Anders sind Forderungen nach Wiedereinführung einer
Besteuerung der Vermögen des Kapitals, nach Verhinderung der Mehrwertsteuererhöhung
und der Rente mit 67, nach einem Mindestlohn von 10 Euro/Stunde nicht zu
realisieren.

 

Die revolutionären Gruppen bieten in dieser gärenden
Situation des Klassenkampfes nach wie vor ein trauriges Bild! Sie stehen
absolut nicht auf der Höhe der Zeit! Sie schwanken stark und haben keine klare
revolutionäre Ausrichtung.

Einerseits gibt es die Tendenz zu Sektierertum. Es werden
abstrakte Abhandlungen mit Phrasen ohne Bezug zu dem realen Kampf der Massen
verbreitet. Das erscheint sehr „revolutionär“ und „prinzipiell“, ist jedoch vom
Volk und von der Arbeiterklasse losgelöst.

Andererseits gibt es die Tendenz der Anpassung an die
Bewegung, den Opportunismus. Man schließt sich einfach den „stärkeren
Bataillonen“ an, d.h. man läuft der Linkspartei hinterher und hegt dabei die
Hoffnung, so könne man etwas praktisch für die Massen erreichen.

Beide Wege sind falsch! Als Revolutionäre müssen wir
prinzipienfest sein, ohne sektiererisch zu werden, und gleichzeitig am Kampf
der Massen aktiv teilnehmen und eine entsprechende Taktik dafür entwickeln, die
hilft, diesen konkreten Kampf weiter voran zu treiben und Schritt für Schritt
auch anzuführen. Führer wird man aber nicht dadurch, dass man sich in
sektiererischer Weise dazu erklärt, sondern dadurch, dass man dem lebendigen
Klassenkampf Nutzen bringt und die Massen von einer richtigen Taktik und
Strategie geduldig überzeugt. Prinzipienfestigkeit, also eine revolutionäre
Strategie und Zielsetzung, mit der geduldigen Klein- und Überzeugungsarbeit,
also einer konkreten revolutionären Taktik, zu verbinden, das ist die Aufgabe,
die von den Revolutionären gelöst werden muss.

Sektierertum und Opportunismus spalten die revolutionäre
Bewegung, führen zu ihrer Schwächung und machen sie in den Augen der Massen
lächerlich. Und die Zersplitterung führt in einem gefährlichen Kreislauf dazu,
dass die Mini-Organisationen kaum bundesweit am Klassenkampf teilnehmen und
eine Taktik und Strategie entwickeln können, die dann auch im Kampf erprobt und
überprüft werden kann. Die dadurch entstehenden Schwächen können dann leicht zu
erneuten Spaltungen oder zu Resignation und Zerfall führen.

Das gemeinsame Flugblatt von „Arbeit Zukunft“ und drei
weiteren revolutionären Organisationen war ein erster Schritt in die richtige
Richtung. Hier wurden die beiden Elemente einer revolutionären Politik korrekt
verbunden. Es wurde eine revolutionäre Perspektive aufgezeigt, zugleich aber
auch eine konkrete Taktik für die derzeitige Situation formuliert. Statt z.B.
nur einfach auf der Gewerkschaftsführung herum zu dreschen, wurden richtige
gewerkschaftliche Forderungen, die sich von der Basis her entwickelt haben,
aufgegriffen, unterstützt, erweitert und in den Zusammenhang mit dem Kampf
gegen das System gestellt. Das war ein kleiner, aber richtiger Anfang. Es wird sicher
noch viele intensive Diskussionen benötigen, um eine revolutionäre Strategie
und Taktik in unserem Land zu entwickeln, die alle Kräfte, die das wollen,
vereint und den Weg zu einer starken Kommunistischen Arbeiterpartei eröffnet.
Wir sind entschlossen, diesen Weg weiterzugehen.

 

Weitergehende Perspektiven sind notwendig!

 

Die Abwehr der Angriffe des Kapitals ist wichtig, aber nicht
ausreichend. Das Kapital verändert die Gesellschaft in seinem Sinn. Es nimmt
keine Rücksicht. Warum sollten da Arbeiter, Angestellte, Bauern, Arbeitslose,
Beamte, Rentner, Schüler und Studenten nicht ebenfalls die Frage stellen: Was
für eine Gesellschaft brauchen wir?

Moderne Technik, gestiegene Produktivität sind nichts Schlechtes.
Sie werden nur in der Hand des Kapitals zum Fluch für die, die diese neuen
Möglichkeiten schaffen. Unter kapitalistischen Bedingungen dienen sie dazu, den
Reichtum einer kleinen Minderheit zu erhöhen, während zugleich die Mehrheit der
Menschen ärmer wird. Sie können aber genauso dazu dienen, mit weniger Arbeit
mehr Wohlstand zu schaffen, die Arbeitszeit zu verkürzen, das Leben angenehmer
zu machen. Dazu ist es notwendig, dass das Kapital entmachtet und enteignet
wird und dass Arbeiter, Angestellte, Bauern, Arbeitslose, Beamte, Rentner,
Schüler und Studenten gemeinsam dieses Land und seine Wirtschaft in ihren
Besitz nehmen und entsprechend ihren Interessen verwalten und entwickeln.

Im ersten Anlauf ist der Sozialismus gescheitert. Doch man
kann aus Fehlern lernen und es besser machen. Die brutale Entwicklung des
Kapitalismus setzt den Sozialismus wieder auf die Tagesordnung.

 

Kämpfen wir weiter dafür, dass dieser Protest weitergeht und
ausgedehnt wird!

Alle gemeinsam gegen das Kapital!