Filmkritik: „Strajk- die Heldin von Danzig“

Korrespondenz: Am 08. März lief in den deutschen Kinos die deutsch-polnische Gemeinschaftsproduktion „Strajk“ an. Völker Schlöndorff der Regie führte unternahm den Versuch, die Entstehungsgeschichte der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc in einer Mischung aus Fiktion und Dokumentation, Biografie und Heiligengeschichte darzustellen.
Im Mittelpunkt dieses Films, über den Versuch die Entstehung der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc nachzuzeichnen, steht nicht etwa der damalige Gewerkschaftsführer und spätere Präsident Polens, Lech Walesa, sondern eine Arbeiterin, die wie zeitweise auch Walesa, an der Danziger Leninwerft beschäftigt war. Der Film stellt die Lebensgeschichte der Schweißerin und späteren Kranführerin Anna Walentynowicz im Zeitraum von 1961-1980 nach. Diese, heute mittlerweile 78-jährige Anna Walentynowicz und in der Geschichtsschreibung unbekannte, im Film Agnieszka genannte Arbeiterin, setzt sich couragiert für längere Pausenzeiten und gegen Normerhöhungen, Schikanen und Arbeitshetze ein. Mehrmals durch besonderen Fleiß und Einsatz im Betrieb von der Gewerkschaft ausgezeichnet, lehnt die gläubige Katholikin, trotz Bemühungen der Partei, einen Beitritt in diese kategorisch ab. Zunächst, durch ihren Fleiß von ihren Kolleginnen und Kollegen beschimpft, gewinnt sie doch für den mutigen Einsatz als Wortführerin gegen die bürokratische Betriebsleitung das Vertrauen der Belegschaft. Ein Brandunfall mit 21 Todesopfern, verursacht durch grobe Fahrlässigkeit und Arbeitshetze, versucht die korrupte Werksleitung auf die Arbeiterinnen und Arbeiter selbst abzuwälzen, um ihre eigene Verantwortung für den Unfall zu vertuschen. Den Hinterbliebenen wird in der Folge keine Hinterbliebenenrente gewährt. Im Zusammenhang mit den allgemein schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen in Polen der sechziger- und siebziger Jahre führt dieses Vorkommnis zu heftigen Protesten der ArbeiterInnen in Danzig. Die Auseinandersetzungen mit der entarteten, revisionistischen (den Sozialismus gab es nur noch in Worten, aber nicht mehr real) Staatsmacht enden in einer blutigen Niederschlagung einer Demonstration mit anschließenden Verhaftungen. Dieser niedergeschlagene Werftarbeiteraufstand spielt dann noch bei den späteren Streiks 1980, der in diesem Jahr gegründeten Solidarnosc eine wichtige Rolle. Als 1980 die Verhandlungen um die in die polnische Geschichte eingegangenen 21- Punkte-Forderungen mit dem Partei- und Staatsapparat begannen, soll sich Anna Walantynowicz mit den Worten an Lech Walesa gewandt und ins Abseits gestellt haben: „Jetzt mach du mal, Lech. Die Partei wird eine Frau nie ernst nehmen“.
Selbstverständlich stellt Schlöndorff die Staatsmacht als kommunistische Staatsmacht hin und gibt diesen Film damit auch eine antikommunistische Stoßrichtung. Einem bürgerlichen Filmemacher und noch dazu einer politisch so widersprüchlichen Gestalt wie Volker Schlöndorff wäre ein fortschrittlicher Standpunkt in dieser Frage auch nicht zuzutrauen. So wurde Schlöndorff z.B. von der Springer-Presse und von der CDU heftig kritisiert wegen der Unterstützung eines „Rechthilfefonds für die Verteidigung politischer Gefangener“, anderseits, Schlöndorff war lange SPD- Mitglied, unterstützte er im Wahlkampf 2005 Angela Merkel! Der Film hat eine Menge Schwächen.
Volker Schlöndorff steht in der Kritik sich nicht allzu sehr an die historischen Fakten gehalten zu haben. Selbst von der im Film dargestellten Hauptperson, der heute 78-jährigen Anna Walentynowicz, kam der Vorwurf der Verklärung ihrer Person und der Regisseur Schlöndorff unternehme den Versuch, die polnische Geschichte eindeutschen zu wollen.
Schwerlich nachzuvollziehen also, welche Rolle die Kranführerin „Agnieszka“ in der polnischen Geschichte tatsächlich gespielt hat. Trotz all der vielen Schwächen jedoch, lohnt sich ein Kinobesuch dennoch. Im Gegensatz zu pauschalen Filmkritiken z.B. des Neuen Deutschlands, in dem der Film als nicht ansehenswert beurteilt wird und der einseitig positiven Beurteilung in der Roten Fahne der MLPD sollte der Film für Marxisten doch etwas differenzierter gesehen werden, dass heißt mit seinen Schwächen aber auch mit den Seiten, die man als positiv und lehrreich erwähnen sollte.
Die berechtigten Anliegen und Forderungen der polnischen Arbeiterklasse, der völlig verkommene Gewerkschaftsapparat mit seinen skrupellosen Bürokratismus etwa, kommen gut und lehrreich zum Ausdruck. Wenn auch nur plakativ unzureichend, deutet der Film den Einfluss von Kirche und Vatikan auf die damaligen Ereignisse zumindest an. Der von Jean Michel Jarre für diesen Film komponierte Elektro-Soundtrack hintermalt Arbeitsszenen mit Feuer und Stahl auf der Danziger Schiffswerft mit einer proletarischen Ausstrahlung und entschädigt zudem etwas für die inhaltlichen Schwächen des Films. In der bürgerlichen Geschichtsschreibung ist die Gewerkschaft Solidarnosc als Vorreiter für Freiheit und Demokratie eingegangen. Ein kritischer Regisseur hätte beispielsweise am Ende des Films einen Blick auf das heutige Polen zeigen können und was von dem damals berechtigten Kampf der polnischen Arbeiterklasse übrig geblieben ist, oder wie arbeiterfeindlich sich Lech Walesa entwickelt hat:
Ein Regime, dass sich immer mehr den NATO- Imperialisten zugewandt hat, heute als Büttel der USA das Land für Militär- und Raketenbasen zur Verfügung stellt, und Soldaten für den Krieg im Irak bereitstellt!              [rab]