Rede eines Kollegen beim Tag der Migranten

Ein Kollege, der unserer Zeitung
nahe steht und in Lichtenhagen an der Kundgebung teilnahm schickte uns eine
Redebeitrag zu, den er spontan auf der Lichtenhagener Kundgebung halten konnte:

 

Liebe Rostocker Mitbürgerinnen und
Mitbürger,

erlauben Sie mir, einige Bemerkungen
zu dieser Kundgebung zu machen.

 

Ich bin selber Betriebsrat und ein
aktiver Unterstützer der Anti-G8- Proteste 
hier in und um Rostock. Ich selbst komme von der Ostsee und habe sehr
lange in Kiel gelebt und gearbeitet, so dass mir der Schiffbau, die Häfen und
die Arbeit dort ein Begriff sind.

 

Glauben Sie mir, dass mir die
Teilnahme an der Großdemonstration gegen den G8 Gipfel am letzten Samstag
unvergesslich bleiben wird. In bin den Zug durch die Hamburger Straße zum Hafen
mitgegangen, ich habe dort eine Zeitung, die ich unterstütze, verteilt. Ich
habe zahllose Menschen aus den Wohnvierteln getroffen, Alte und Junge. Aber so
viele sind arbeitslos.

 

Unter an der Neptunwerft habe ich
diese Gedenkstele gesehen, die wohl ehemalige Werftarbeiter aufgestellt haben,
nachdem die Werft platt gemacht worden war. Was ich dort las – es ist wohl an
die Kapitalisten dieses Betriebes gerichtet -, das ist mir nahe gegangen:

 

„Arbeit?

Leben?

Zukunft?

Was habt Ihr getan?“

 

Und dahinter die Ruinen der
Neptunwerft!

 

Glauben Sie mir, das ist mit nahe
gegangen. Wie viel Arbeit, wie viele Familien haben darunter gelitten, dass
diese Werft platt gemacht wurde??

 

Und hier in Lichtenhagen, als sich
diese Kundgebung unter diesem massiven Polizeiaufgebot  zu sammeln begann, da hatte ich hier ein
langes Gespräch mit einem Kollegen. Er ist Hartz-IV-Empfänger, und ich brauche
wohl keinem zu erklären, was das bedeutet.

 

Liebe Lichtenhagener!

Ist es Ihnen nicht angesichts der
wirtschaftlichen Lage und der Tatsachen, unter denen hier viele leiden, nicht
schon irgendwann einmal durch den Kopf gegangen, einmal wegzugehen, ein anderes
Land zu suchen, wo es Arbeit gibt, von der man leben kann, anständig leben
kann, ein Land, wo es eine gewisse soziale Sicherheit gibt? Haben Sie diesen Gedanken
noch nie gehabt?

 

Aber wir wissen alle, dass es Länder
gibt, wo es noch schlimmer ist, Länder, verwüstet von der Politik der G8, deren
Chefs sich nächste Woche dort drüben in Heiligendamm treffen werden. Verwüstet
durch Ausplünderung, Umweltzerstörung, durch die Vernichtung der einheimischen
Wirtschaften durch das Diktat des internationalen Kapitals. Denken Sie an den
Schrecken der Kriege im Irak und in Afghanistan, die von diesen G8-Staaten und
anderen angezettelt wurden, an die vielen durch das Kapital und seine G8
Staaten korrumpierten und gekauften Folterregimes, die die Völker vieler dieser
Länder unterdrücken!

 

Kann man es da nicht verstehen, dass
auch diese Menschen fliehen, nach einem Platz suchen, wo man sicher ist, wo man
leben kann und die Solidarität der Menschen an seiner Seite hat? Ist das nicht
ein Menschenrecht?

 

Erlauben sie mir zum Abschluss ein
Zitat des Humanisten Goethe. In seinem „West-östlichen Diwan“ lässt er einen
persischen Gesandten sagen:

Ein Land, das sein Fremden nicht
beschützt, ist dem Untergang geweiht.

 

In diesem Sinne. Ich danke Ihnen.

Kein Mensch ist illegal!

Hoch die Internationale Solidarität!

Hier noch ein Link zu einem Videoclip zum Tag der Migranten:

http://www.g8-tv.org/index.php?play_id=1701