Korrespondenz: Neonazis marschieren in Rostock – Übergriffe auf Antifaschist/innen

Am gestrigen Samstag, dem 30. Juni 2007, konnten zwischen
190 und 200 Neonazis der NPD und der so genannten „freien
Kameradschaftsszene“ von 2.000 Polizist/innen aus 7 Bundesländern gegen den
Protest von 600-800 Antifaschist/innen abgeschirmt durch Rostock marschieren.

 

Dabei kam es immer wieder zu Schikanen der Polizei gegenüber
Antifaschist/innen. Jeglicher Protest direkt an der Route der Neonazis wurde
von der Polizei unterbunden, der Versuch der Formierung einer Sitzblockade
unter Androhung von Gewalt vereitelt. Auch Mitglieder des Rostocker
Friedensbündnisses wurden willkürlich ihrer Bewegungsfreiheit beraubt und
erhielten Platzverweise. Polizei und vorgesetzte Behörden scheinen weiterhin
davon auszugehen, dass die Neonazis nicht nur das formale Recht hätten, ihren
Aufmarsch durchzuführen, sondern dass dieses auch noch frei von für die
Neonazis vernehmbaren Unmutsbekundungen und Protest von antifaschistischer
Seite zu geschehen hätte.

 

Bereits im Vorfeld des Aufmarsches kam es zu einem
folgenschweren Übergriff von Neonazis auf Antifaschist/innen, der in den Medien
bisher überhaupt nicht oder aber stark verzerrt wiedergegeben wird. Wir dokumentieren
deshalb im Folgenden eine Pressemitteilung der Beratungsstelle für Opfer
rechter Gewalt LOBBI mit dem Titel „Rechter Gewaltexzess vor NPD-Demo in
Rostock“ vom 30. Juni 2007:

 

*** Beginn Pressemitteilung LOBBI ***

 

Neonazis griffen in Zug nach Rostock mit äußerster
Brutalität anreisende Gegendemonstranten an und nahmen später unbehelligt an
rechter Demo teil

Mehrere Schwerverletzte und Dutzende Verletzte sind die
Folge eines Überfalls von Neonazis am heutigen Sonnabend vor einer
NPD-Demonstration in Rostock. Mit äußerster Brutalität gingen die Rechten gegen
ihre Opfer vor und prügelten auf Erwachsene wie Kinder ein.

Der Angriff ereignete sich in dem Dorf Pölchow, wenige
Kilometer vor Rostock. Etwa 70 Menschen wollten an den Gegenveranstaltungen zu
einem NPD-Aufmarsch teilnehmen und stiegen in Schwaan in den Zug in die Hansestadt.
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 100 Neonazis in der Bahn. Zeugen machten
unter ihnen auch die NPD-Landtagsabgeordneten Udo Pastörs, Stefan Köster und
Tino Müller aus.

Am Haltepunkt Pölchow starteten die Neonazis ihren
offensichtlich gut vorbereiteten Angriff. Sie sperrten Fluchtwege ab und
drangen von mehreren Seiten in den Zug ein. Ein Rechter mit Militärmütze und Lederhandschuhen,
der bereits mehrmals vor dem Neonazi-Laden in Rostock gesehen wurde, brüllte:
„Jetzt seid ihr dran.“

Daraufhin zerschlugen die Neonazis mehrere Scheiben, zogen
mit äußerster Brutalität ihre Opfer einzeln aus dem Zug, traten und prügelten
mit Zaunlatten auf sie ein. Ein Opfer wurde über einen Zaun eine mehrere Meter
tiefe Böschung hinuntergeworfen. Mehrere Personen wurden bewusstlos geschlagen
und hatten nach dem Angriff Gedächtnislücken. Ein Kleinkind erlitt
Schnittwunden durch die eingeschlagenen Scheiben. Auf dem Bahnsteig lagen ganze
Büschel ausgerissener Haare der Opfer. Zeugen berichten, dass die Neonazis
ihren Angriff mit Digitalkameras und Handys fotografierten und filmten.

„Wir konnten über einen Zaun springen, vor den Nazis
weglaufen und bei einer Anwohnerin die Polizei alarmieren“, erzählt einer
der Anwesenden. „Ich trug nur leichte Verletzungen von Schlägen davon.
Jene, die nicht fliehen konnten, waren der hemmungslosen Brutalität der Nazis
jedoch schutzlos ausgeliefert. Ich hatte Angst, dass jemand den Angriff nicht überleben
könnte.“

Augenscheinlich befanden sich keine Polizeibeamten in dem
Zug, die die Anreise der Neonazis zu überwachten oder gegen den Angriff
einschritten. Erst nach 30 Minuten trafen Polizeieinheiten in Pölchow ein. Statt
gegen die rechten Angreifer aktiv zu werden, nahmen sie die Personalien einiger
Betroffenen auf und begannen damit, sie zu filmen. Festnahmen der Neonazis
erfolgten nach Zeugenaussagen nicht. Anschließend wurden die Betroffenen zurück
in den Zug gebracht und mussten mit den Tätern in einem Zug nach Rostock
fahren. Dort wurden die Personalien der restlichen Angegriffenen aufgenommen.
Zeugen beklagen, dass einige der traumatisierten, zitternden und weinenden
Betroffenen von den anwesenden Polizeibeamten verhöhnt worden sind.

Die Angreifer, unter anderem aus Berlin, Güstrow, Wismar,
den Landkreisen Ostvorpommern und Bad Doberan, konnten in Rostock unbehelligt
an der Demonstration der NPD teilnehmen. Obwohl sie auf ihren Handys und Digitalkameras
Beweismaterial mit sich trugen, griff die Polizei nicht ein.

Quelle: http://www.lobbi-mv.de/presse/pm070630.php

Kontakt LOBBI: nord@lobbi-mv.de

 

*** Ende Pressemitteilung LOBBI ***

 

Für kommenden Samstag, den 7. Juli 2007, hat die NPD einen
weiteren Aufmarsch in Rostock angekündigt. Sollte der Aufmarsch durch die Stadt
bestätigt werden, werden wir erneut zu seiner Verhinderung aufrufen.

Wir bedanken uns an dieser Stelle – nicht zuletzt – auch
ganz herzlich bei den vielen Menschen, die an unserem Stand am Margaretenplatz
den Aufruf „NPD-Verbot jetzt!“ und den Offenen Brief an den Oberbürgermeister
der Hansestadt Rostock mit der Forderung nach dem Erhalt des Namens der
Ilja-Ehrenburg-Straße unterschrieben haben.

 

Mit friedensbewegtem Gruß!

Rostocker Friedensbündnis