Ein ungewohnter Beitrag zum 25jährigen Dienstjubiläum von Karol Woytyla im Vatikan

EIN POLNISCHER PAPST AN DER SPITZE DES VATIKANS

Von Enver Hoxha
Sonntag 22. Oktober 1978

Ein neuer Papst zog in den Vatikan ein. Dieser ist polnischer
Nationalität, zuvor Kardinal von Krakau, dem berühmten Zentrum des
polnischen Katholizismus. Bekanntlich hat die Kirche in Polen einen
außerordentlich großen Einfluss. In Fragen des Glaubens rangiert Polen
gleich hinter Italien. Mit Kardinal Wyszynski an der Spitze haben sich
die polnischen Kardinäle sämtlichen pseudokommunistischen,
pseudosozialistischen Regierungen Polens, sei es unter Ochab, sei es
unter Gomulka, sei es unter Gierek, widersetzt und haben es zu großen
Privilegien gebracht. In letzter Zeit hat Gierek die Zügel gänzlich
schießen lassen; in Polen macht Wyszynski das Gesetz. Der Staat dort
hat nicht nur den Gläubigen völlig freie Hand gelassen, Kirchen und
Kathedralen zu füllen, sondern hat auch noch auf seine Kosten komplette
neue Kirchen gebaut anstelle von Sälen für Kultur.

So ist die Tatsache, dass ein neuer Papst an die Sitze des Vatikans
tritt, von großer Bedeutung nicht nur für den römisch-katholischen
Glauben, sondern sie hat auch einen besondern politischen Aspekt. Der
neue Kardinal, Woytyla, der den Namen Johannes Paul II. annahm, wird
eine internationale römisch-katholische Politik betreiben. Nach vier
Jahrhunderten tritt an die Spitze des Vatikans erstmals ein
nicht-italienischer Papst und ausgerechnet ein polnischer. Ich bin der
Meinung, dass die Besetzung der Sitze der römisch-katholischen Kirche
durch diesen Papst ein Werk des CIA, ein Werk der vereinigten Staaten,
ein Werk Brzezinskis, dieses Polen, der gegenwärtig Berater des
amerikanischen Präsidenten (Jimmy Carter – die Red.) für die nationale
Sicherheit ist.

Der Vorgänger Woytylas, Papst Johannes Paul I., der vormalige Kardinal
von Venedig, wurde einen Monat, nachdem er vom Konklave „einmütig„, wie
es heißt, gewählt worden war, morgens tot im Bett gefunden. Man sagt,
er sei „völlig unerwartet gestorben„, doch möglicherweise war sein Tod,
wie auch seine Wahl, doch nicht so normal. Das könnte ein geschickt
eingefädeltes Manöver gewesen sei, denn, der da starb, war weder alt
noch herzkrank. Bei ihm wurde die Taktik angewandt, die Wahl völlig
regulär, sehr befriedigend, ganz widerstandslos erscheinen zu lassen,
ihm dann aber in konspirativer Weise das de profundis zu singen, um den
neuen polnischen Papst, den von den USA festgelegten, an die Spitze zu
bringen, welcher mit seiner Politik in erster Linie dem amerikanischen
Imperialismus dienen wird.

Das Auftreten dieses neuen Papstes wird insbesondere viele Länder
Europas, aber auch zahlreiche andere Länder der Welt beeinflussen;
besonders um dem Imperialismus zu helfen und um das Proletariat und die
Völker zu belügen. In Polen wird sich dieses Ereignis stark auswirken,
ebenso in der Tschechoslowakei, in Ungern und in Frankreich, wo es die
Bourgeoisie tief befriedigt, wenn an der Spitze der römischen Kirche
ein nicht-italienischer Papst steht. Die Italiener andererseits,
besonders die Christdemokraten, aber auch ganz allgemein alle
bürgerlichen Parteien des Landes, all die verschiedenen Parteien der
italienischen Bourgeoisie und die italienischen Katholiken traf bald
der Schlag, weil der Papst nun nicht mehr einer der Ihren, kein Papst
der italienischen Kirche, sondern einer mit polnischer
Staatsangehörigkeit ist und den Segen in den USA bekommen hat…

Enver Hoxha, Tagebucheintrag. Zitiert nach „die Supermächte„, Tirana 1986
Deutsche Ausgabe S. 564, Text anhand des albanischen Originals leicht überarbeitet