Diskussionsveranstaltung im Eine Welt Haus München: Bahnprivatisierung – Mit Hochgeschwindigkeit auf’s falsche Gleis

Korrespondenz: Auf reges Interesse stieß am 22.11.07 eine
Diskussionsveranstaltung im Eine Welt Haus in München zum Thema
„Bahnprivatisierung in Deutschland und international“. Zu diesem Thema führte
Winfried Wolf, der Autor einer gleichnamigen Studie hierzu ist, durch eine sehr faktenreiche und
interessante Veranstaltung.

Dicht gedrängt war der Stoff zum Thema Bahnprivatisierung an
diesen Abend. Winfried Wolf, der als einer der führenden politischen Experten
zum Thema Verkehrsmittel Bahn und Bahnprivatisierung gilt, gab eine
vielschichtige Übersicht hierüber. Im Einstieg seines Referates entzauberte
Winfried Wolf die einstigen Vorstellungen, die Utopisten über das
Verkehrsmittel Eisenbahn hegten. Viele dieser romantischen Vorstellungen, über
das Zusammenwachsen der Völker und ähnliches, allein durch das Verkehrsmittel
Bahn hätte sich nicht bewahrheitet. Die Bahn in der Klassengesellschaft drückte
dieses Klassenverhältnis selbst aus. Der Referent wies auf die Waffentransporte
der Bahn im 1.Weltkrieg ebenso hin, wie auf die Deportation von Juden und
Kriegsgefangenen im 2.Weltkrieg durch die Faschisten. Die Einteilung der
Zugabteile in Klassen drückt zudem die Klassengesellschaft selbst in gewisser
Weise aus.

Auch die heutigen Ziele und Versprechungen der Deutschen
Bahn AG, wie sie sich nunmehr nennt können nicht eingehalten werden. Die
Eindämmung des Flugverkehrs und damit die Entlastung der Umwelt ist der Bahn
ebenso wenig gelungen wie die Steigerung des Fahrgastkomforts. Pannen und
Verspätungen haben stetig zugenommen. In Bezug auf die Bahnverspätungen der
Bahn AG macht, so Wolf, ein alter Witz aus der DDR zur Deutschen Reichsbahn die
Runde: „Was sind die vier Feinde der DR? –Antwort: Frühling, Sommer, Herbst und
Winter!“

Gelungen ist der Deutschen Bahn seit ihrer Zerschlagung und
Aufteilung in 5 Aktiengesellschaften auch nicht der Abbau von Subventionen,
einer der propagandistischen Hauptargumente für die Zerschlagung. Jährlich
fließen etwa 15 Milliarden Euro an Subventionen auf die Konten der Bahn AG.
Dabei gibt es zur Privatisierung der Bahn, wie z.B. die Bahnprivatisierung in
Großbritannien zeigt, eindeutige Erfahrungswerte, zu welchen Ergebnissen eine
solche Umsetzung führt. Privatisierte Bahnen führen immer zum Abbau der
Flächenversorgung. Gefahren wird dort, wo es hohe Renditen gibt oder dort wo
der Staat mit Subventionen einspringt. 6000-9000 Kilometer Schienennetz sollen
mit der Bahnprivatisierung für das Erste wegfallen, ein gewaltiger Rückschritt!
Der Trend zeigt sich schon längst hier in Deutschland: Immer mehr Haltestellen
zwischen Städteverbindungen fallen zugunsten von Schnellbahnen einfach weg. Es
gibt wieder einen verstärkten Trend zu 1.Klasse- Abteilen, kaum besetzt aber
teuer.

Besonders interessant ist auch die Information, wer heute
dem Vorstand der Bahn angehört. Erstmals ist keiner unter ihnen, der
ursprünglich aus dem Bereich Eisenbahn stammt! Bahnchef Mehdorn ist Flugzeugingenieur,
Personalchefin Suckale kommt von der Ölindustrie, ebenso ist die BASF im
Vorstand vertreten etc. Aus dem Nachbarland

Österreich wusste Winfried Wolf zu berichten ist Ex-Rennfahrer
Niki Lauda in den Aufsichtsrat der ÖBB (Österreichischen Bundesbahn) berufen
worden, obwohl Lauda selbst in einem Hochglanzmagazin kein Geheimnis daraus
machte, dass er persönlich nicht viel von öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bahn
und Straßenbahn hält. Na dann, da hat man wohl den „Richtigen“ für dieses Amt
gefunden und man wusste während des Vortrages nicht so recht, ob man sich über
diese Information empören oder darüber schmunzeln soll!

Kein Wunder, dass die Flughäfen die Bahn nach ihren
Vorstellungen modeln wollen; die Chemie-Industrie versucht, möglichst billig ihre
Güter über die Schiene zu transportieren etc. und diese dabei Erfolg haben ihre
Interessen durchzusetzen. Auch müsste ein Bahnchef doch versuchen dieses
Unternehmen Bahn so teuer wie möglich zu verscherbeln, möchte man meinen.
Bahnchef Mehdorn bemüht sich jedoch, die Deutsche Bahn weit unter ihren
eigentlichen Wert zu drücken, um das weitgehend vom Steuerzahler aufgebaute
Unternehmen zu verramschen. Mehdorn setzt den Börsenwert der Bahn auf 13
Milliarden an, obwohl der Wert auf mindestens 183 Milliarden Euro geschätzt
wird! Nach diesem Vortrag und der anschließenden Diskussion war man jedenfalls
ein Stückchen weiter darüber aufgeklärt, was im kapitalistischen Deutschland an
Betrug gegenüber der Arbeiter- und Volksbewegung wieder einmal vor sich geht!

[ab]                            

 

Medientipps:

Wer das gleichnamige Heft zum Vortrag, „Mit
Hochgeschwindigkeit auf’s Abstellgleis“, von Winfried Wolf beziehen möchte, der
kann dieses unter folgender Adresse für 3,- € beziehen:

isw, Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsordnung
e.V., Johann-von-Werth-Str.3, 80639 München.

 

Eine DVD, „Bahn unterm Hammer“, herausgegeben vom Bündnis
Bahn für Alle, kann zum Preis von 15,- € unter folgender Bestelladresse bezogen
werden:

Bahn für Alle

c/o Attac Bundesbüro

Münchner Str. 48

60329 Frankfurt am Main