Veranstaltung im Eine Welt Haus München: Akteure und Interessen in Nah- und Mittelost – Der unerklärte Weltkrieg

Korrespondenz: Es vergeht kein Tag an dem wir nicht durch
Schreckensmeldungen aus dem Nahen und Mittleren Osten aufgestört werden. Wer
kämpft hier und warum gegen wen? Dieser Fragestellung ging am 7. Februar im
Eine Welt Haus München Bahman Nirumand nach.

 

Einen Tag vor dem offiziellen Beginn der NATO-
Kriegskonferenz in München lockte das Referat von Bahman Nirumand, Autor
zahlreicher Bücher zum Nahen- und Mittleren Osten, zahlreiche Besucher in den
Vortragssaal des Eine Welt Hauses. Die Besucher hatten, wie sich in der
anschließenden Diskussion herausstellte, sehr unterschiedliche Erwartungen von
diesen Vortrag, denen der Referent nicht in allen Fällen gerecht werden konnte.
Über diese ereignisreiche und vielschichtige Region ist in einem Abendvortrag
nur ein Überblick möglich, wie der Referent eingangs bemerkte. Immerhin wusste
Bahman Nirumand von folgenden Ländern zu berichten: Afghanistan, Pakistan,
Saudi Arabien, Irak, Israel/ Palästina und schließlich die von den meisten
Besuchern erwarteten Ausführungen über den Iran.

 

Gründe für den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus

Mit allgemeinen Ausführungen über den Aufschwung des
islamischen Fundamentalismus im Nahen- und Mittleren Osten begann Bahman
Nirumand den Einstieg in diesen vielschichtigen Vortrag. Für den Referenten
waren drei Ereignisse  maßgeblich für die
Entstehung bzw. den Aufschwung fundamentalistischer Gruppen und Organisationen,
in den siebziger Jahren, die sich ideologisch auf den Islam berufen von
Bedeutung:

  1. Die
    Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion.
  2. Die
    iranische Revolution unter Chomeini.
  3. Die
    Aufrüstung des Irak unter Saddam Hussein, vor allem mit Unterstützung des
    US- Imperialismus und der Krieg gegen den Iran

 

Wegen der faktenreichen Ausführungen Nirumands alleine für
die Einleitung seines Vortrages, an dieser Stelle nur einige Anmerkungen.
Nirumand verbreitete die altbekannte Legende der Revisionisten, die Sowjetunion
sei in einen Krieg gegen Afghanistan „hineingestolpert“! Die USA hätten demnach
der Sowjetunion eine Falle gestellt, in der diese dann hereingefallen wäre!
Auch das Argument Nirumands, dass der Widerstand gegen die
sozialimperialistischen Besatzer nur in erster Linie, mit Hilfe von
US-Waffenlieferungen  aufgebaut werden
konnte, geht in Richtung Verklärung. Diese Anmerkung hinterließ einen sehr
einseitigen Eindruck und verdeckte die Motive für den Kampf gegen die Eindringlinge
und Besatzer. Denn die Revisionisten aus Moskau waren unerwünscht! Zum zweiten
Ereignis für den Aufstieg des islamischen Fundamentalismus, die iranische
Revolution (Umsturz des US-hörigen Schah- Regimes), erinnerte  Nirumand, dass auch viele linke
Organisationen zunächst die Umwälzungen durch das Regime der Mullahs
unterstützten, bevor sich der Terror gegen die Linke selbst ausweitete. So unterstützte
u.a. auch die Tudeh-Partei einige Zeit die islamische Revolution! Zum dritten
Ereignis. Die Aufrüstung des Irak durch die imperialistischen Länder führte
Nirumand an, dass das Regime unter Chomeini durch diesen Krieg weiter gestärkt
wurde. Chomeini bezeichnete diesen Krieg gar „als Geschenk des Himmels“! Von
den ständigen Krisen, so der Referent, profitiert und lebt das Regime noch
heute.

 

Geopolitische Ziele der US-Außenpolitik

Zu den geopolitischen Zielen der US-Außenpolitik, so
Nirumand, gehört natürlich schon lange die Kontrolle über die gesamte Region
des Nahen und Mittleren Ostens. In den USA mögen Republikaner und Demokraten
verschiedene Methoden für diese Bestrebungen vorschlagen und anwenden, doch
haben beide Parteien  das gleiche
strategische Ziel! In Bezug auf die Anschläge in den USA vom 11.September 2001
äußerte sich Nirumand, dass die Pläne für einen Angriff und zur Besetzung Afghanistans
schon vor den Anschlägen in den USA bestanden haben. Zu den unzähligen Theorien
über den 11.September, zu denen auch Verschwörungstheorien gehören, wollte sich
der Referent vernünftigerweise nicht äußern, weil er es auch nicht wissen kann,
was an jenem Tag ganz konkret geschehen ist! Auch über die bevorstehenden
Präsidentschaftswahlen, über die Vorwahlen, in den USA gab Bahman Nirumand eine
vernünftige und nüchtern Aussage ab, indem er keine Hoffnungen für eine
plötzliche Friedenspolitik mit Alternativen wie Obama und Clinton hege.

 

Zur deutschen Beteiligung am Krieg in Afghanistan

In Anspielung eines Streitgespräches, das der Referent vor
einiger Zeit mit Peter Struck (SPD) führte, indem er eine Bilanz der Besetzung
Afghanistans unter Beteiligung auch der Bundeswehr zog, gab er Inhalte dieses
Gesprächs wieder. Struck argumentierte mit dünnen Argumenten für eine deutsche
Beteiligung: „Wir haben einige Schulen gebaut“, so der SPD-Politiker
beispielsweise. Nirumand berichtete von der Bilanz, die er Politikern wie
Struck vorhalten kann. Da ist etwa die Tatsache, dass bisher noch kein
funktionierendes Staatswesen außerhalb der Hauptstadt Kabuls besteht. Immerhin
sind die Besatzer schon seit 2001, also sieben Jahre lang im Land. Des weiteren
bilanzierte er weiter, die Waren kommen zu 90 Prozent aus dem Ausland. Selbst
das Trinkwasser, das die Bundeswehr täglich für ihre Truppen benötigt, muss aus
Deutschland eingeflogen werden! Die Polizeiausbildung in Afghanistan, die von
den deutschen Kriegstreibern als eine positive Entwicklung dargestellt wird,
wird schon allein dadurch entzaubert, dass 60 Prozent der von der deutschen
Polizei ausgebildeten Kräfte zu den Taliban überlaufen, weil diese eine bessere
Bezahlung bieten. Und überhaupt, „Demokratie kann man nicht von außen
einbomben!“ Demokratie kann sich nur aus dem Innern eines Landes entwickeln, so
Nirumand. Einen Vertreter der Weltbank zitierte Nirumand, dieser hätte noch nie
in seinem Leben ein derart korruptes Land erlebt, wie das heutige Afghanistan!
Wohl auch dies ein Grund, warum die Taliban heute längst noch nicht entmachtet
sind. Selbst Präsident Karsai rechnet damit, dass vermehrt Gebiete an die
Taliban fallen könnten. Die Lösung der NATO ist, dass immer mehr Soldaten, die
immer mehr Gewalt ausüben, eingesetzt werden. Und dass sich auch Deutschland
immer mehr am Krieg beteiligen soll. Eine Lösung sieht Nirumand in einer
„unabhängigen UNO- Verwaltungsaufsicht“ über das Land, die vor allem die
Aufgabe hätte, Gelder sinnvoll für den Wiederaufbau des Landes zu verteilen.
Sicherlich auch dies ein kontroverser Vorschlag!  

 

Zur Situation in Pakistan und Saudi Arabien

Auch zu diesen beiden Ländern äußerte sich der Referent.
Beide Länder stecken in ungeheuren Widersprüchen. Saudi Arabiens Regierung etwa
spielt sich als Hüter von Mekka und Medina in der islamischen Welt auf,
anderseits hat sich dieses Regime völlig den USA ausgeliefert. Von
US-Stützpunkten aus wird Krieg geführt. In beiden Ländern, in Pakistan und
Saudi Arabien, als Statthalter des US-Imperialismus, könnten die Regimes
zusammenbrechen und neue Regimes unter Führung von fundamentalen
Islamisten  an die Macht kommen. Mit
riesigen Waffenarsenalen (Pakistan gar als Atommacht), so dass Szenario, würde
die Ausdehnung des Krieges in dieser Region zur großen Gefahr werden lassen, so
Nirumand.

 

Zum Krieg im Irak

U.a. zeichnete Bahman Nirumand  zur Lage im Irak die Ziele des Kapitals nach,
die mit der Besetzung des Landes verfolgt wurden. Fabriken und andere
Industrieunternehmen im Lande, wie z.B. Zementfabriken und Eisenhütten, die
sich zum Teil in relativ gutem Zustand befanden, wurden zerstört. Ausländischen
Unternehmen wird angeboten, ohne Steuern, ohne Zölle und mit anderen
Vergünstigungen im Land agieren zu können. Die erzielten Profite können dabei
außer Landes geschafft werden etc. Eigentlich, von diesen Bedingungen aus
betrachtet, ein Paradies für die Kapitalisten. Doch, so Nirumand, „nur wurde
die Rechnung ohne den Wirt gemacht!“
Soll heißen, die Besatzer und die
Vertreter des Kapitals, haben nicht mit solch einem Widerstand gerechnet. Die
den Unternehmen angebotenen Vergünstigungen werden kaum genutzt, aus der
Sicherheitslage ergibt sich für fast jede Investition im Land ein Risiko!

 

Zur Lage im Iran

Nach Ausführungen zu den verschiedenen Volksgruppen im Irak
und einigen Anmerkungen zu Palästina/ Israel, kam Nirumand , der selbst
gebürtiger Iraner ist, 1965 vor dem Schah-Regime in die Bundesrepublik
Deutschland floh, und sich fortwährend intensiv mit seinem Heimatland
auseinandergesetzt hat, auf den Iran zu sprechen. Seit 1979 ist Iran im Visier
der USA und mit dem derzeitigen „Atomkonflikt“ hat sich die Situation
dramatisch verschärft. Nach Nirumands Ansicht, hätte der Konflikt schon vor
Jahren gelöst werden können, hätten die USA verstärkt die Menschenrechtslage
zum Thema gemacht. Mit den verstärkten Drohungen gegen das Land, hätten die USA
Iran regelrecht zur Aufrüstung animiert. Denn Iran ist von Atommächten wie
Russland, Indien, Israel und Pakistan umzingelt. Es ist also nicht
ausgeschlossen, dass der Iran selbst an der Entwicklung der Atombombe arbeitet,
so Nirumand. Der Ausbau von US-Stützpunkten, von denen der Iran immer mehr
umgeben ist, die ständigen Drohungen und der Umstand, dass dieses Land für
mindestens 20-30 Jahre Erdöl fördern kann, das auch die USA gerne kontrollieren
würden, hat das Regime in Teheran animiert. Der Überfall der
angloamerikanischen Truppen auf den Irak, verdeutlichte, die Bedrohung der
Länder in dieser Region ist. Die Bedrohung ist keine Fiktion, sondern real. Tatsächlich
kann niemand einen Angriff der USA auf dieses Land ausschließen.
Ahmadinedschad  gilt heute weniger im
eigenen Land, dagegen in der Region im Allgemeinen als Held oder zumindest als
Symbolfigur für den Widerstand gegen die Supermacht USA.  Dieses mörderische Regime, so Nirumand
weiter, lebt von Krisen, ja könnte ohne diese gar nicht überleben und schafft
sich auf diese Weise auch Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. Das Regime
schafft sich gelegentlich sogar Krisen, wie z.B. mit der Leugnung des Holocaust,
obwohl,  so Nirumand, viele Iraner diesen
Begriff gar nicht kennen. Doch mit Kampagnen und Losungen, wie „Israel gehört
von der Landkarte radiert“, will das Regime die ganze Region „aufheizen“.

 

Klare Worte zum kapitalistischen China

Nicht nur die USA, Frankreich, Russland und Großbritannien
sind an Macht und Einfluss in dieser Region interessiert, in der es vornehmlich
um die Energiequellen geht. Auch das kapitalistische China, dass Nirumand
entgegen der Wortwahl vieler opportunistischer linker Organisationen, wie z.B.
der DKP, klar beim Namen nannte, ist bereit mit jeglichem Verbrecherregime
zusammenzuarbeiten, um ihre Ziele zu erreichen. So arbeitet China, ebenso wie
Russland eng mit  dem iranischen Regime
zusammen  und tritt aus diesem Grund
offen gegen Sanktionen auf, die den Iran treffen sollen. Eindringlich warnte
Nirumand davor, dass sich dieser, teilweise noch kalte Krieg um die Macht und
Rohstoffe, in einen heißen Krieg verwandeln kann.

 

Anschließende Diskussion und Fazit des Vortrages von Bahman
Nirumand
 

Zweifelsohne konnte Bahman Nirumand eine Vielzahl
interessanter Details in diesem Referat an die Zuhörer weitergeben. Ein sehr
faktenreiches, dichtes Referat mit viel Wissen über die Region. In der
anschließenden Diskussion machten sich jedoch auch die Schwächen des Vortrages
bemerkbar. Nirumand zeichnete ein ebenso bedrückendes und hoffnungsloses
Szenario für die Zuhörer auf. Lösungsvorschläge oder zumindest Lösungsansätze
kamen so gut wie nicht vor. Der Referent verwies einmal auf die UNO, ein
anderes Mal, im Fall Iran, auf die USA als Problemlöser. Ungerechtfertigt waren
sicherlich Vorwürfe während der Diskussion an Nirumand, er sei Verteidiger des
Regimes im Iran, oder gar gegenteilig, ein Agent der USA. Vielleicht bot jedoch
gerade ein Vortrag mit fehlenden Perspektiven Platz für Spekulationen und
Angriffe gegen seine Person. Auch wollte sich Nirumand in der Diskussion nicht
zu Fragen eines Genossen unserer Organisation stellen, warum der Referent der
Rolle der Völker und deren Widerstand nur wenige Anmerkungen widmete. Der Frage
unseres Genossen, welche Meinung der Referent zu Tschetschenien habe und ob der
Widerstand dort gerechtfertigt sei, kam Nirumand trotz einer weiteren
Aufforderung nicht nach und begründete dies damit, weil es nicht zur Thematik
gehöre, die Zeit knapp wäre etc.

Der Referent schloss u.a. mit dem Hinweis die Diskussion, „die
USA sind heute in der gesamten Region verhasst wie noch nie in der
Geschichte!“                                   
(ab)

 

Literaturhinweise:

Wer sich intensiver mit den Thesen Bahman Nirumands
beschäftigen will, der kann sich u.a. mit seinen letzten Veröffentlichungen
auseinandersetzen:

„Iran – die drohende Katastrophe“ (2006) und „Der unerklärte
Weltkrieg“ (2007)