München: Transrapid in die Tonne gekippt

Transrapid im Deutschen Museum Bonn, gnu-LizenzFreuen können und werden sich die zahlreichen Gegner des
Projekts einer Trasse des Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen. Letzte Woche verkündeten
Ministerpräsident Beckstein und die Vertreter der beteiligten Konzerne das
endgültige Scheitern.

Neben der Schlappe, die hier die bayrische Staatsregierung
und die CSU-Führung einstecken mussten, wird auch der Sumpf von Abzocke von
Steuergeldern durch die Monopole und die “heilige“ Angst der Politikerkaste vor
der Volksmeinung offenbar.

Energiefresser TransrapidZunächst zur Frage: „Ist der Transrapid eine moderne,
zukunftweisende Technik?“ Darüber gehen die Meinungen ganz erheblich
auseinander. Während die Befürworter sagen, dass mit der Magnetschwebetechnik
die Rollgeräusche der Eisenbahnräder entfallen und hohe Geschwindigkeiten
gefahren werden können, führen die Gegner an, dass der Transrapid bei hohen
Geschwindigkeiten ebenfalls Lärm erzeugt – ein durch den Luftwiderstand
erzeugtes knallartiges Geräusch – und dass er ein „Stromfresser“ ist, also
einen hohen Energieverbrauch hat. Die Magnetschwebetechnik wurde übrigens in
den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts patentiert, ohne dass es zur
praktischen Umsetzung gekommen wäre. Eine kommerziell genutzte Strecke gibt es
bis jetzt nur in Shanghai. Dort fährt der Transrapid auf einer 30 km langen
Strecke Verluste ein. Benutzt wird er hauptsächlich von neugierigen Touristen.
Nachdem das Shanghaier Umweltamt Anfang des Jahres grünes Licht für die
Verlängerung der Strecke vom Finanzdistrikt Pudong bis zum Inlandsflughafen
Hongquiao gegeben hat, demonstrierten die betroffenen Anwohner fast jeden Tag
gegen den Ausbau der Strecke, die mit einem Sicherheitsabstand von lediglich
22,5 m zwischen den Hochhäusern im Schanghaier Zentrum verläuft, berichtet die
Süddeutsche Zeitung am 10.01.2008.

In München wäre die Situation für die Anwohner im
Stadtgebiet nicht besser geworden: „…wird der Transrapid in weiten Teilen
oberirdisch fahren, oft nur 15 Meter an den Fenstern kleiner Einfamilienhäuser
entlang, oder 30 Meter vor großen Hochhäusern“
schrieb die AZ bereits im Januar
2006. Entsprechend stark war der Protest der künftigen Anwohner. Sie hängten
Protesttransparente aus den Fenstern und schlossen sich zu Initiativen
zusammen.

Wenn der Transrapid aber nicht zum Einsatz in Ballungsräumen
taugt, zu was dann?

Wenn man sich als Marxist schon mit „moderner Technik“
befasst, sollte man sich auch mit Marx’ Ausführungen zu „Maschinerie und große
Industrie“ in „Das Kapital“, Band I, beschäftigen. Sicher handelt es sich dort
um andere Maschinen, z.B. Spinn- und Webmaschinen, Dampfmaschinen usw. Doch
Marx weist anhand vieler Beispiele nach, dass moderne Technik vom Kapital nicht
zum Wohl der Menschheit eingesetzt wird, sondern vielmehr, um die
Arbeiterklasse stärker auszubeuten, die Mehrwertrate zu erhöhen und
Arbeitskräfte auf die Straße zu setzen.

Das kann man mit dem Transrapid natürlich nicht, aber es
würden für seinen Bau enorme Geldsummen verschlungen, die anderswo fehlen. Es
gäbe Einiges am öffentlichen Verkehrssystem zu modernisieren und dafür könnte
man die Milliarden, die für den Transrapid vorgesehen waren (zunächst 1,85
Milliarden €, welche die Konzerne zum Schluss auf 3,4 Milliarden € hochtreiben
wollten), auch nutzen. Z.B. Modernisierung des Schienennetzes und der
Sicherheitstechnik. Man glaubt es kaum: es gibt immer noch eingleisige
Hauptstrecken der Bundesbahn, wo Weichen und Signale mechanisch mit Handkraft
betätigt werden. Es gibt beschrankte Bahnübergänge mit Schrankenwärtern. Die
Bahnhöfe auf dem Land gammeln vor sich hin und verfallen, obwohl es bei
steigenden Benzinpreisen und drohender Klimakatastrophe sinnvoll wäre, sie
wieder zu öffnen und den Nahverkehr von der Straße auf die Schiene
zurückzubringen.

Und noch eins. Ein Sprichwort lautet: „Zeige mir Deine
Freunde und ich sage Dir, wer Du bist.“ Eine kleine Auswahl von Freunden des
Transrapid machen das klar: Den Vertrag für den Bau des Transrapid brachte
Edmund Stoiber letzten Herbst unter Dach und Fach. Er war damals noch bayrischer
Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender, Zögling des Erz-Rektionärs Franz-Josef
Strauß, der seinerzeit das „technische Wunderwerk“ Starfighter für die
Bundeswehr beschaffte, mit dem dann einige hundert Piloten abgestürzt sind.
Transrapid-Fan Erwin Huber, CSU-Vorsitzender und Finanzminister in Bayern,
derzeit tief verstrickt in die Affäre um die Milliardenverluste der bayerischen
Landesbank; natürlich die Bosse von
Siemens und Thyssen-Krupp, die sich von dem Transrapid-Auftrag Millionen aus
Steuergeldern und die Chance globaler Vermarktung erhofften. Witzigerweise gibt
es noch den Verein „Mobil in München e.V.“, der in seiner Junibroschüre 2007
nicht nur für den Transrapid wirbt, sondern auch gegen das Handyverbot in
U-Bahnen und gegen Tempolimits auf den Autobahnen ist.

Was hinter den Kulissen gemauschelt wurde und warum es jetzt
wegen der überzogenen Forderungen der Konzerne (oder der realistischen – dann
waren die im letzten Herbst genannten 1,85 Milliarden gelogen) zum Scheitern
des Projekts kam, wissen wir nicht. Fest steht, dass CSU-Führung und
Staatsregierung langsam kalte Füße wegen ihres Engagements für den Transrapid
bekamen. Schon im November titelte die Münchner Abendzeitung: „CSU besorgt über
Transrapid – Partei fürchtet Stimmenverluste bei Kommunalwahlen“
. Anfang
November (wir berichteten darüber) hatten 13.000 Bürger in der Münchner
Innenstadt gegen den Bau des Transrapid demonstriert, darunter auch Mitglieder
einzelner CSU-Ortsverbände mit eigenen Plakaten. Die Transrapid-Gegner reichten
auch Unterschriften für ein Volksbegehren zum Transrapid ein. Davor haben CSU
und bayerische Staatsregierung nicht zu Unrecht Angst: 1995 und 1996 wurde
nacheinander gegen ihren Willen per Volksentscheid zuerst der kommunale
Bürgerentscheid eingeführt und dann der bayerische Senat abgeschafft.

Deshalb ließen sie jetzt noch nachträglich das Volksbegehren
über die Finanzierung des Transrapid von
ihrem Verfassungsgericht für unzulässig erklären. Sehr treffend formulierte ein
Leser des Münchner Merkur in einem Leserbrief: „Auch ich bin Stammwähler der
Union. Nachdem aber führende Köpfe in der CSU eine Volksbefragung fürchten wie
der Teufel das Weihwasser, bin ich schwer am überlegen, ob ich meine Stimme
weiterhin für solch undemokratisches Verhalten geben kann.“

Es war richtig und gut, dass sich viele Menschen über
Partei- und ideologische Grenzen hinweg und aus den verschiedensten
Beweggründen gegen den Bau der Transrapid-Strecke zusammengeschlossen haben.
Wir haben mit einigen Veröffentlichungen in „Arbeit Zukunft“ und mit unserer
Teilnahme an der Großdemonstration im Herbst einen bescheidenen Beitrag zu
diesem Protest geleistet.

S.N.

 

Videos zu Stoiber und dem Transrapid: Da sieht man die
genialen Argumente der Transrapid-Befürworter.

http://www.youtube.com/watch?v=ch58NsscaFk

http://www.die-stimme-der-freien-welt.de/post/20060113/stoiber-transrapid

Und Stoibers Transrapid-Rede als Text:

„Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit zehn Minuten
ohne dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde
genommen am Flughafen am am Hauptbahnhof in München, starten Sie ihren Flug –
zehn Minuten – schauen Sie sich mal die großen Flughäfen an, wenn Sie in
Heathrow in London oder sonst wo meine s Charles de Gaulle in äh Frankreich
oder in äh in in äh in äh Rom wenn Sie sich mal die Entfernungen ansehen, wenn
Sie Frankfurt sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass zehn Minuten Sie
jederzeit… locker in Frankfurt brauchen um ihr Gate zu finden – Wenn Sie vom Flug- äh vom Hauptbahnhof
starten Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in
zehn Minuten an den Flughafen in an den Flughafen Franz-Josef Strauß dann
starten Sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München – das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof
im Grunde genommen näher an Bayern, an die bayerischen Städte heranwächst weil
das ja klar ist, weil aus dem Hauptbahnhof viele Linien aus Bayern
zusammenlaufen.“