Tibet- Vortrag von Colin Goldner: „Fall eines Gottkönigs“

Korrespondenz: Beschäftigt man sich kritisch mit dem
Lamaismus und der Rolle und Persönlichkeit des Dalai Lama, so stößt man in der
Regel schnell auf den Namen Colin Goldner. Bücher und Einzelschriften über
Tibet, den Lamaismus sind von ihm veröffentlicht worden. Eine überarbeitete und
erweiterte Neuauflage seines Buches „Dalai Lama – Fall eines Gottkönigs“ ist
dieses Jahr im Alibri Verlag erschienen. Am 14. Juli 2008 kam Colin Goldner auf
Einladung der Freidenker München e.V. zu einem Vortrag ins Kulturzentrum
Giesing in München. Der Abend bot eine gute Möglichkeit, um sich relativ
schnell und dennoch faktenreich, über das brisante und umstrittene Thema Tibet
und Lamaismus zu informieren. Seit nunmehr über 20 Jahren befasst sich der
Buchautor, Wissenschaftsjournalist und Psychologe Colin Goldner mit Tibet und
dem tibetischen „Buddhismus“. In den neunziger Jahren war er als
Entwicklungshelfer in Tibet vor Ort, so dass er persönlich selbst Land und Leute
kennen gelernt hat. Beim Bau von Toilettenanlagen, die in Tibet vielerorts so
gut wie nicht vorhanden waren, lernte er nebenbei auch das politische und
kulturelle Tibet kennen. Die romantischen und in ihrer Darstellung im Westen
höchst einseitigen Vorstellungen über Tibet und dem Lamaismus gab es schon
damals, als Goldner im Land arbeitete. Der Slogan, „wenn schon Religion, dann
die des Dalai Lamas“, war damals bereits aktuell und allgegenwärtig
anzutreffen. Sanftheit, Naturverbundenheit, Friedensliebe, Spiritualität,
Tierliebe und noch viele andere edle Eigenschaften werden dem Lamaismus und
seinem geistigen sowie weltlichen Oberhaupt zugeschrieben. Nicht nur in Teilen
der Esoterik– und Psychoszene ist der Dalai Lama hochangesehen, sondern auch in
großen Teilen der Bevölkerung genießt er Autorität und einen guten Ruf. In
diversen Umfragen in Deutschland liegt der Dalai Lama als „moralische Größe“
ganz oben auf der Rangliste. Gerade diesen Menschen, die den Dalai Lama nur aus
dem verklärten bundesdeutschen Medienbild her kennen, hätte der Vortrag von
Colin Goldner die Augen öffnen können. Denn statt den romantischen
Vorstellungen, die hierzulande über den Dalai Lama verbreitet werden, machte
Goldner ganz andere Erfahrungen! Das an diesen Abend anwesende Publikum machte
„leider“ den Eindruck, bereits gut über Tibet und seine Geschichte der Lamas
aufgeklärt zu sein. Jedenfalls gab es während des Vortrages keine Einwände,
empörte Zwischenrufe o.ä., als Colin Goldner die lange Liste an reaktionären
Positionen und Vorkommnissen unter der feudalen Herrschaft der Lamas in Tibet
vortrug. So erreichte er offenbar diejenigen nicht, denen eine kritische
Auseinandersetzung gut getan hätte.

Ohne auf alle vorgetragenen Details konkreter eingehen zu
können, der Vortragsbericht würde den Rahmen dieser Berichterstattung sprengen,
seien hier einige wichtige Punkte erwähnt, die Goldner u.a. über den Lamaismus
aufführte und ansprach:

– Die menschen-, frauen- und homosexuellen-feindlichen
Positionen.

– Historische Ausführungen über das feudale System von
Ausbeutung und Unterdrückung.

– Die soziale und ökonomische Situation der Menschen.

– Die Kontakte der Lamas zu Alt- und Neonazis und zu anderen
reaktionären Organisationen.

– Die Kontakte der Lamas zu US-Geheimdiensten und die Unterstützung
mit Geldmitteln und Waffen, die der Clan um den Dalai Lama von US-Geheimdiensten
erhielt.

Streckenweise konnte der Eindruck entstehen, Colin Goldner
nehme in seinem Vortrag wegen der umfangreichen Anklagen gegen den Lamaismus
eine Pro-China-Einstellung ein. Doch sprach er sich an einigen Stellen auch
gegen die Politik Beijings in der Vergangenheit sowie Gegenwart aus. Eine
kritische Erwähnung fanden die allgemeinen Demokratiedefizite und die
Ausbeutungsverhältnisse im heutigen China. Und auch die Zerstörungen und
Verbrechen, die während der Kulturrevolution in China verübt wurden, sprach
Goldner an. Wobei Goldner ergänzte, dass die Kulturrevolution nicht nur Tibet
betroffen habe, sondern das ganze Land.

Lobende Worte fand Goldner teilweise zur Minderheiten-Politik
in Tibet. Diese sei zumindest nicht schlechter als in anderen chinesischen
Provinzen, so Goldner. Zumindest in diesem Punkt hat Goldener eine zu große
Toleranz und ein gewisses Verständnis für die chinesische Staatsmacht!  Tibetische Publikationen, ja die ganze
tibetische Kultur heute, sei für die ganze Bevölkerung besser zugänglich als
jemals zuvor, so der Referent, und erinnerte daran, dass die Feudalordnung ja
für die Bevölkerung überhaupt keine Bildung und echte Kulturteilhabe zuließ. Zumindest
können solche Ausführungen missverstanden werden! Ansonsten ist Colin Goldner
jedem zu empfehlen, der den Dalai Lama und sein Weltbild nur von den
bürgerlichen Medien her kennt!                                                                     
                                                          [bab]                                                                                                                                              

 

Zwei Artikel von Colin Goldner, erschienen am 26. und
27.03.2008 in der Jungen Welt:

www.jungewelt.de/2008/03-26/015.php

www.jungewelt.de/2008/03-27/006.php