Kommentar: Die „AIDS-Legende“ nicht nur der WELT

AZ ist in einer dreiteiligen Artikelfolge auf die uns bekannten Erklärungsversuche über die Herkunft des AIDS-Erregers HIV eingegangen. Von den acht Erklärungsversuchen blieb nur eine übrig, die alle bekannten Fakten erklären kann, juristisch aber nicht beweisbar ist. Wir wiesen unsere Leserinnen und Leser dabei auch auf den vom WDR vor 25 Jahren ausgestrahlten Dokumentarfilm „Die Afrika-Legende“ von Heino Claasen und Malte Rauch hin.

Gegen die beiden Filmemacher wird nun seit einiger Zeit der Vorwurf erhoben, sie hätten für die Fertigstellung dieses Films 40.000 Mark von der Stasi erhalten. Das berichtet die Springer-Zeitung DIE WELT am 30.9.2015 und auf ihrer Homepage unter dem Titel „Die Aids-Legende des WDR und das Geld der Stasi.“ Dort heißt es u.a.: „Gute Desinformation wirkt fort, auch wenn ihre Urheber schon längst nicht mehr aktiv sind. So gesehen gehört die Behauptung, der Aids-Virus (HIV) sei Ende der 70er-Jahre von US-Biowaffen-Spezialisten im Labor gezüchtet worden, zu den besten Lügenkampagnen der jüngeren Zeitgeschichte.“

Die „Lügengeschichte“ wird dann allerdings nicht wissenschaftlich belegt, sondern es wird lediglich behauptet: „Denn…(heute steht) fest: Die ersten nachweislichen Opfer von Aids starben bereits 1959/60, übrigens im Kongo. HIV ist zweifelsfrei in seinerzeit gesicherten Proben nachgewiesen worden.“ Ein Beleg, eine Quelle für diese Aussage wird vom WELT-Redakteur erstaunlicherweise nicht genannt. Er ist bei der tatsächlichen Desinformationskampagne offenbar nicht ganz auf dem Laufenden: zumindest in Zeitungsmeldungen und Fernsehberichten kann man erfahren, dass HIV „um 1900“ vom Affen (?) auf den Menschen überging; dann hat er sich offenbar für 80 (nach WELT für 60) Jahre vom Kulturschock des Übergangs erholen müssen, bevor er als verheerendste Seuche ausbrach…

Wenn wir davon ausgehen, dass kein(e) WELT-Leser(in) die WDR-Dokumentation kennt, ist die Irrtumswahrscheinlichkeit sicherlich sehr gering. Und obwohl wir auch davon ausgehen, dass kaum ein(e) WELT-Leser(in) ARBEIT ZUKUNFT liest, weisen wir darauf hin, dass man sich diesen Film bei YouTube ansehen kann: „AIDS – Die Afrika-Legende“

Wir zitieren weiter aus der WELT: „Die beiden Autoren, die Historiker Douglas Salvage und Christopher Nehring, zeigen in ihrer Arbeit mit dem Titel „Die Aids-Verschwörung“ detailliert: Die DDR-Staatssicherheit und der sowjetische Geheimdienst KGB verbreiteten in enger Kooperation die Lüge (! – AZ) von der angeblich amerikanischen „Biowaffe“ HIV, entwickelt im Speziallabor.“ Die zitierte Arbeit stützt sich auf „wichtige Dokumente zur Aids-Legende“ im Archiv des kommunistischen Geheimdienstes Darschawna Sigurnost (DS) in Bulgarien. Namentlich erwähnt werden die Stasioffiziere Wolfgang Mutz und Hans Pfeifer von der Abteilung HVA X (zuständig für die Desinformation westlicher Medien).

Für den WELT-Redakteur ist unwichtig, wo und wie HIV entstanden ist, jedenfalls nicht in den USA – für uns ist unwichtig, wie Stasi, KGB, DS und andere Geheimdienste der ehemals sozialimperialistischen Staaten wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Zwecke missbrauchten und den Missbrauch finanzierten (was sie zweifellos taten). Diese wissenschaftlichen Erkenntnis über den Ursprung von HIV stammen weder von den beiden Filmemachern (die allerdings auf sie eingehen) noch von irgendwelchen Geheimdiensten. Sie stammen von zahlreichen Wissenschaftlern verschiedener Länder und wurden nicht erst vom Forscherehepaar Segal vorgetragen – von diesen allerdings am ausführlichsten und am besten belegt. Merkwürdig, diese Forschungsarbeiten werden im WELT-Artikel mit keinem Wort erwähnt. Sollte der Verfasser des Artikel etwa zu den antikommunistischen Weltverschwörungs-Theoretikern gehören? Aber wir helfen ihm da jetzt ein bisschen. Das Forscherpaar Segal arbeitete auf dem Gebiet der Biologie, sie als Immunbiologin, er war Leiter des Institutes für allgemeine Biologie der Humboldt-Universität Berlin. Ach herrje, das hätten wir jetzt vielleicht doch nicht schreiben sollen – die liegt ja in Ost-Berlin, also in der ehemaligen DDR! Und die beiden wurden mit Ost-Mark bezahlt. Meine Güte, hoffentlich finden die von der WELT jetzt nicht irgendeinen Bulgaren (oder gar Rumänen ?), der über Stammtisch-Gespräche mit den Segals berichtet! Die waren ja ganz links, haben sogar gegen die Nazis gekämpft, und das in Frankreich, wo er doch in der Sowjetunion geboren ist!

Zur Unterstützung des WELT-Artikelschreibers noch ein Zitat aus der TAZ vom 9.1.2015: „Dass die vermeintlichen Forschungsergebnisse (der Segals – AZ)allesamt(Hervorhebung AZ) falsch sind und gezielt gestreut wurden, um die Glaubwürdigkeit der USA zu untergraben, weiß zu diesem Zeitpunkt (1987 – AZ) noch niemand.“ Schau an, die TAZ-Redakteurin Tania Witte in trauter Eintracht mit der Springer-Welt. Aber nun kommen doch sicherlich die unwiderlegbaren Beweise für Falschheit aller vermeintlichen Forschungsergebnisse? Die sind übrigens von den Segals in ihren Veröffentlichungen allesamt mit Quellenangaben belegt, nur die Stasi und den KGB haben sie da nicht angegeben…

Tania Witte von der TAZ beruft sich übrigens ebenfalls auf die oben erwähnten Selvage und Nehring, doch anders als der WELT-Redakteur erwähnt sie die Segals, z.B. wie folgt: „Jakob und Lilli Segal wurden willige Gesichter der Kampagne (von Stasi und KGB – AZ); ob sie bewusste Mitarbeiter der Geheimdienste waren oder von ihnen manipuliert wurden oder von sich aus mit ihrer Forschung anfingen, kann nicht abschließend geklärt werden. Auf jeden Fall glaubten sie an ihre These, die beide bis zu ihrem Tod vertraten.“ Wir sind überzeugt: Die Segals waren nicht nur überzeugte und aktive Antifaschisten, sondern auch Anti-Imperialisten, was nun sicherlich von interessierten Kräften gegen sie und ihre Arbeit ausgelegt wird.

Doch nun wieder ernsthaft: selbst wenn Stasi und Co Desinformation bei dem Thema betrieben haben, selbst wenn sie die beiden Filmemacher finanziell unterstützt haben (die beiden gehen übrigens gegen diese Behauptung gerichtlich in Frankfurt vor) – das sind keine wissenschaftlichen Widerlegungen einer der „besten Lügenkampagnen der jüngeren Zeit.“

Uns sind übrigens nur Veröffentlichungen der Segals bekannt, in denen sie begründet vermuten, HIV I und/oder HIV II seien in Fort Detrick (nicht im Pentagon, Frau Witte!) entwickelt worden; sie haben auch nicht behauptet, es seien dazu Versuche mit Strafgefangenen durchgeführt worden, sondern sahen das als eine mögliche Erklärung dafür an, dass AIDS in den USA zuerst bei Schwulen und Fixern in Slums der Großstädte auftrat.

Die wissenschaftlichen Argumente der Segals und anderer Forscher müssen wissenschaftlich widerlegt werden und nicht mit tatsächlichen oder angeblichen Zahlungsbelegen irgendwelcher Geheimdienste.

Die Autoren Selvage und Nehring sind Historiker und keine Biologen, Virologen, Immubinologen usw., auch Frau Witte von der TAZ nicht. Die beiden Herren mögen die Unterlagen über die Tätigkeit der Geheimdienste richtig ausgewertet haben – damit jedoch ist der nicht nur von den Segals geäußerte und wissenschaftlich untermauerte Verdacht (! – AZ) nicht nur der Segals aber nicht widerlegt. Und Frau Witte? Tja, die beruft sich auch nur auf die verschwörungstheoretischen Interpretationen der gerade erwähnten Herren.

„Gute Desinformation“ mag zwar langlebig sein, aber letztlich wird sich die Wahrheit durchsetzen – wir denken, das können Springer-Redakteure ais eigener Erfahrung bestätigen!