Dortmund: Trauerkundgebung zum 10. Jahrestag der Ermordung von Mehmet Kubasik

4.4.16, Dortmund: Gedenken an Mehmet Kubasik

Am 4. April 2006 wurde in der Mallinckrodtstr. 190 Mehmet Kubasik an seinem Kiosk vom NSU ermordet – eins von mindestens zehn Opfern. Wie in den vergangenen Jahren fand auch diesmal am „Tag der Solidarität“ ein Trauermarsch statt von der Gedenkplatte vor dem Haus durch die Innenstadt zum Platz der Abschlusskundgebung in der Nähe des Bahnhofs. Dort steht ein Gedenkstein mit den Namen aller zehn Opfer und dem Tag ihrer Ermordung. Aufgerufen hatten zahlreiche Parteien und Organisationen – DIDF hatte die Planung und Durchführung übernommen.
Am Trauerzug beteiligten sich etwa 500 Menschen, unter ihnen sehr viele ohne Migrationshintergrund, auch zahlreiche Jugendliche. Angehörige der Familie waren aus der Türkei, Frankreich und der Schweiz angereist – sie gingen an der Spitze des Zuges, der überwiegend schweigend verlief. Auf zahlreichen mitgeführten Transparenten wurde der notwendige Kampf gegen Rassismus und Faschismus propagiert und das Verhalten der verantwortlichen deutschen Organe kritisiert.
Oberbürgermeister Sierau kritisierte in seiner Rede ebenfalls das Verhalten von BND, Polizei und der Regierung. Die Aufgabe des Staates wäre es gewesen, Mehmet zu schützen. „Das ist nicht geschehen, ebenso wenig wie bei den anderen 9 Mordopfern des NSU oder den Opfern aus der Keupstraße in Köln.“ Er erwartet eine vorbehaltlose Aufklärung nicht nur dieses Mordes und sieht das als „Lackmustest“ für „unseren Rechtsstaat“ an.
4.4.16, Dortmund: Gedenken an Mehmet Kubasik - gegen NSU-Morde

Eine Vertreterin der Bundesregierung legte auf ihrer Reise einen kurzen Stopp in Dortmund ein, um ebenfalls einen Redebeitrag zu halten – da sie es eilig hatte, wurde von den Veranstaltern das Programm geändert. Neben den üblichen Floskeln, die Politiker bei solchen Anlässen von sich geben, berichtete sie über die Überraschung der Regierenden angesichts der Morde: die waren – zumindest ihren Worten nach – bis dahin der festen Überzeugung, dass die in der 3. Generation in Deutschland lebenden Nachfahren der ehemaligen „Gastarbeiter“ fest in die Gesellschaft integriert seien, und fielen nach Aufdeckung der NSU-Mordserie aus allen Wolken. Mölln, Solingen usw. – davon hatten „die da oben“ offenbar noch nie gehört oder es schnell wieder verdrängt. Oder sollte das die „Integration“ sein? „Die da unten“ wissen darüber schon lange Bescheid: eine wirtschaftliche Integration (in den kapitalistischen Arbeitsmarkt) ist zwar erfolgt, aber die gesellschaftliche Integration ist kaum erfolgt. Das ist auch jetzt bei den in Deutschland Hilfe suchenden Flüchtlingen zu befürchten, wenn „wir da unten“ es nicht verhindern!
Der Gedenkstein in Dortmund machte die Teilnehmer der Trauerkundgebung noch auf etwas anderes aufmerksam: Zwei Tage später, am 6. April, gab es in Kassel eine ähnliche Feierlichkeit wegen eines weiteren NSU-Opfers.