Nur markige Worte? Zum notwendigen vollständigen Verbot der Insektengifte “Neonicotinoide”

„Wir haben es satt“, Demonstration 2013, Foto von Dirk Ingo Franke, Wikipedia CC

Es ist uns peinlich, aber wir müssen mal GroKo-Minister(innen) loben… Die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte: “Die EU-Mitgliedstaaten sollten über so ein Verbot bald abstimmen und die Bundesregierung muss dann Ja sagen.” Julia Klöckner verkündet in ihrer Regierungserklärung: “Was der Biene schadet, muss weg vom Markt!” und sogar der Ex-Landwirtschaftsminister und Glyphosat-Fan Christian Schmidt (CSU) äußerte im vergangenen Dezember: “…dann müssen sie komplett verboten werden.

Doch halt! Das Wörtchen “muss” zeigt, dass es noch kein Regierungs- bzw. Parlamentsbeschluß ist, also nur Zukunftsmusik, und es ist auch zu befürchten, dass so manches Hintertürchen offen bleibt…

Worum geht es eigentlich? Um die in der Landwirtschaft eingesetzten “Neonicotinoide”, eine Stoffgruppe von 3 Insektiziden (Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid), die in der Landwirtschaft zum Schutz des Saatguts gegen schädliche Insekten eingesetzt werden. Produzent ist die Firma Bayer. Diese Gifte machen jedoch keinen Unterschied zwischen schädlichen und nützlichen Insekten. Schon vor einigen Jahren wurde vermutet, dass z.B. auch Honigbienen geschädigt werden. Auf die Bedeutung der Honigbienen für unsere Ernährung brauchen wir hier wohl nicht ausführlich einzugehen, und es ist wohl auch bekannt, dass sie auch durch andere Gefahren wie z.B. parasitische Milben bedrohe sind – und damit unsere Nahrungsversorgung. Überhaupt soll die Anzahl der Insekten in Deutschland sehr stark gesunken sein. Nun kommt die Bayer-Keule noch dazu! Die Bienen kommen in Kontakt mit den giftigen Neonicotinoiden nicht nur durch den Blütenstaub und den Nektar, den sie sammeln, sondern auch durch aufgewirbelten Staub und durch Wasser. Die Gifte werden außerdem kaum abgebaut, reichern sich also im Boden an. Für Bienen weiß man: bereits eine geringe Dosis des Gifts lähmt sie oder beeinträchtigt ihr Lern- und Orientierungsverhalten, kann sie sogar töten.

Das ist seit Jahren vermutet worden, wurde aber im März diesen Jahres von der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, bestätigt. Ihre Experten werteten zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen über die Auswirkungen der Neonicotinoide aus. Jose Tarazona, Leiter des Bereichs Pestizide bei der EFSA: “Insgesamt wurde das Risiko für die drei bewerteten Bienentypen (Honigbiene, Wildbiene, Hummel – AZ) bestätigt.”

Im Jahr 2013 schränkte aufgrund der schon damals der EFSA vorliegenden Erkenntnisse die EU den Einsatz der drei Gifte ein: sie durften auf Rapsfeldern, auf Gurkenfeldern und auf Apfel- und Kirschplantagen nicht mehr angewendet werden. Allerdings gab es – wie üblich – Sondergenehmigungen. Die EFSA erhielt den Auftrag, weitere Erkenntnisse zu sammeln. Im Jahr 2016 gab es dann einen umfassendere Zwischenbericht, der in der EU zur Forderung nach einem kompletten Freilandverbot führte, was jedoch abgelehnt wurde – man wolle erst das komplette Untersuchungsergebnis abwarten.

Das liegt nun seit Februar diesen Jahres vor. Umweltschutzorganisationen fordern daraufhin ein komplettes Verbot, ebenso die Grünen. “Die Bienengifte müssen jetzt schleunigst vom Acker – der Frühling darf nicht noch stummer werden”, so Harald Ebner, zuständig für Bioökonomie- und Gentechnik-Politik.

Es wird unsere Leser(innen) nicht überraschen, dass es auch Kritik an den EFSA-Untersuchungen gibt. Nun ratet doch mal, von wem? Ja, genau – wie seid Ihr bloß so schnell darauf gekommen? Die Firma Bayer teilte mit, sie sei mit den Ergebnissen der Risikobewertung “grundsätzlich” (!!! – AZ) nicht einverstanden – ja, ja, diese Grundsätze können wir uns denken, wir haben andere! Nach Auffassung von Bayer stehen die EFSA-Ergebnisse im Widerspruch zu anderen “umfassenden wissenschaftlichen Beurteilungen” zur Bienengesundheit. Uns fällt da das schöne deutsche Sprichwort ein “Wes Gift ich ess, dess’ Lied ich sing!”

Es gibt aber auch andere Beurteilungen der EFSA-Ergebnisse. So z.B. die von Prof. Ralf Menzel, Neurobiologe an der FU Berlin, fast sein ganzes Forscherleben war er mit Bienen und Hummeln beschäftigt: “Diese drei Neonicotinoide sind in der Tat höchst gefährlich für die bestäubenden Insekten.” Der EFSA-Report weist nach seiner Auffassung manche Berichte zurück, nach denen keine schädigenden Auswirkungen auf Bienen gefunden worden seien, “insbesondere solche, die mit Mitteln der Industrie durchgeführt wurden.” Und Alexandra Maria Klein, Professorin für Naturschutz und Landschaftsökologie an der Uni Freiburg, bescheinigt der Studie, sie sei gut durchdacht und gut durchgeführt – alles sei kritisch diskutiert. Ja – von wem bekommen die denn ihr “Gift”?

Wir haben zu Beginn dieses Artikels schon gewisse Bedenken angedeutet an markigen Formulierungen: Verstärkt werden sie dadurch, dass ein Antrag der Grünen und der … im Bundestag auf ein komplettes Verbot mit den GroKo-Stimmen abgelehnt wurde – von denselben Leuten, die behaupten, ihre Vertreter würden bei der bevorstehenden EU-Abstimmung für solch ein Verbot stimmen. Ministerin Klöckner versuchte das in einem Interview mit Philipp May vom Deutschlandfunk auf uns albern erscheine Weise zu begründen. Den berechtigten Verdacht, der Antrag sei abgelehnt worden, weil er von der Opposition kam, wies sie zurück. Als ein Grund für die Ablehnung musste herhalten, dass die Grünen die Regierung aufgefordert hatten, aber Beschlüsse werden doch vom Parlament gefasst! So einen Antrag können wir nicht annehmen! Außerdem; die Grünen überdramatisieren alles, der Frühling ist gar nicht stumm, das kann doch jeder hören, der mit offenen Ohren durch die Welt geht! Recht hat sie, die Dame, doch das hatten die Grünen auch gar nicht behauptet – das Originalzitat hat AZ oben angeführt.

Na ja, wir könnten vielleicht noch weiter argumentieren, aber eigentlich reicht es schon – von dem uns peinlichen Lob für einige MinisterInnen ist nicht viel übriggeblieben…

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Aufmüpfige Beschäftigte des leider stillgelegten Opel-Werks in Bochum hatten eine einleuchtende Erklärung für das Wort “Mystiker”: das sind Menschen, die die Gewerkschaftsführer, Betriebsratsvorsitzenden, Politiker und ähnliche hervorragende Menschen auffordern, sie “mysten” eigentlich dies oder jenes tun…

Und der Kabarettist Urban Priol ist der Meinung, Angela Merkel regiere mit Würde; er erklärte das auch überzeugend: Angela Merkel würde dies tun…

(Quelle: hauptsächlich ein Artikel von Tom Nebe (dpa): Bienen in Gefahr