100 Jahre Novemberrevolution in Deutschland: Schluss mit dem Krieg! Alle Macht den Arbeiter- und Soldatenräten!

Revolution 1918/19: Zweifronten-Barrikade im Berliner Zeitungsviertel Anfang 1919 – gegen die reaktionären Noske-Truppen, CC AdsD

In „Arbeit Zukunft“ Nr.1, S.6 haben wir den Weg zur Novemberrevolution geschildert: Die Umwandlung der SPD zur Kriegspartei, die den imperialistischen Weltkrieg auf Seiten des Kaisers, der Feudalen und des Kapitals unterstützte. Der Kampf der Revolutionäre gegen den Krieg sowie die Inhaftierung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg mit Hilfe der SPD.

Wer diesen ersten Teil nicht hat, kann „Arbeit Zukunft“ Nr./18 bei uns bestellen oder den Artikel im Internet unter

https://www.arbeit-zukunft.de/2018/01/21/100-jahre-novemberrevolution-in-deutschland-auf-dem-weg-zur-novemberrevolution-1918/)

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Der imperialistische Krieg – ein grauenvolles Blutbad

Während die SPD-Führung Posten in der Reichsregierung erhielt, mussten Millionen Arbeiter in den Krieg ziehen und dort ihr Leben lassen. Insgesamt wurden weltweit ca. 18 Millionen Soldaten und Zivilisten in diesem Krieg ermordet.

Als Anlass für den Beginn des imperialistischen Krieges nahm der deutsche Kaiser einen angeblichen Angriff der serbischen Armee bei Temes Kubin am 26.7.14, der tatsächlich nie stattgefunden hat. Auf Druck des deutschen Kaisers erklärte der österreichische Kaiser am 28.7.14 Serbien den Krieg. Am 1. August erklärte der deutsche Imperialismus dem russischen Zarenreich den Krieg. Am 2. August wurde ohne Kriegserklärung gegen Frankreich Luxemburg besetzt. Am 4. August griff die deutsche Armee Belgien an, um von dort nach Frankreich vorzumarschieren. In kürzester Zeit waren alle großen europäischen imperialistischen Mächte in einem Krieg: England, Frankreich, Russland, ab 1917 auch die USA mit ihren Verbündeten gegen Deutschland und Österreich-Ungarn mit ihren Verbündeten. Insgesamt 40 Staaten beteiligten sich an diesem Krieg.

Rasch stagnierten die Fronten, vor allem die Westfront. Ein jahrelanger blutiger Stellungskrieg folgte, bei dem es oft nur um ein paar Meter Boden ging. Dabei wurden zum ersten Mal in großem Umfang moderne Waffen wie Panzer, Flugzeuge eingesetzt, mit denen man industriell und in großen Mengen morden konnte. Zum ersten Mal wurde Giftgas in großen Mengen eingesetzt, bei dem zahllose Soldaten elend erstickten. Waren anfangs noch einige Soldaten auf beiden Seiten geblendet von der nationalistischen Propaganda gern in den Krieg gezogen, schlug dies immer stärker in Enttäuschung, Wut und Hass gegen den Krieg um. Die Soldaten sahen, wie ihre Kameraden starben. Viele wurden verwundet. Sie sahen die Arroganz der Offiziere. Sie hörten von ihren Familien aus der Heimat, wie die Inflation rasant stieg und viele hungerten. Und sie sahen auch, dass die gegnerischen Soldaten Brüder, Arbeiter waren. Gerade bei den vielen sozialdemokratischen Arbeitern, die noch in der revolutionären SPD erzogen worden waren, wuchs die Einsicht, dass dies ein imperialistischer Krieg war, indem die Arbeiter der verschiedenen Länder gegeneinander gehetzt wurden und sich gegenseitig umbrachten.

Im Winter 1916/17 kam es in Deutschland zu massenhaftem Hunger. Aufgrund der Inflation konnten sich viele Familien kaum noch Nahrung leisten. Und für die Großbauern war es lohnender, die Ernte an die Tiere zu verfüttern oder zu Schnaps zu brennen. Denn die Oberschicht lebte gut von diesem Krieg und konnte sich Fleisch und Schnaps leisten. Das zeigte vielen, dass das Kapital vom Krieg profitierte, während die Arbeiterklasse mit Blut und Hunger zahlen musste.

Als es in Russland zu Massenstreiks, Aufständen und schließlich zur Februarrevolution 1917 kam, ermutigte das viele revolutionäre Gegner des imperialistischen Krieges. Als schließlich in der Oktoberrevolution 1917 die erste Arbeiter- und Bauernregierung gebildet und sofortige Maßnahmen für die Beendigung des Krieges und den schrittweisen Übergang zum Sozialismus ergriff, war dies für die Revolutionäre in Deutschland ein großer Ansporn, sich auch hier gegen den Krieg zu organisieren und für den Sozialismus zu kämpfen.

Als es am 5.12.17 zu einem Waffenstillstand zwischen dem revolutionären Russland und Deutschland kam, feierten dies deutsche und russische Soldaten an der Front gemeinsam.

Immer wieder kam es nun zu Befehlsverweigerung und Aufständen in der Armee. Im Januar 1918 kam es zu einer Streikwelle, die von revolutionären Obleuten organisiert wurde. An dem Streik beteiligten sich eine Millionen Arbeiter in ganz Deutschland. Die SPD, die eng mit dem Kapital verbunden war, sah die Gefahr, dass es auch in Deutschland zu einer Revolution kommen könnte und arbeitete mit allen Mitteln wie Täuschung, Lügen, Unterdrückung und Gewalt gegen diese Entwicklung. So wurde in Berlin der sozialdemokratische Führer Ebert Mitglied der Streikleitung bei den Januarstreiks und sorgte dafür, dass der Streik rasch abgebrochen wurde.

Eine letzte Offensive des deutschen Militärs im August 1918 an der Westfront brach schnell zusammen. und führte zu einer Katastrophe. Allein an einem Tag mussten 27.000 Soldaten ihr Leben für die Interessen des deutschen Imperialismus lassen. Am 29. September informierte die Militärführung den Kaiser und den Reichskanzler, dass die Lage aussichtslos sei. Sie empfahlen, einen Waffenstillstand und die Übergabe der Regierung an die SPD, damit man der die Schuld an der Niederlage geben könne. Die SPD trat nun offiziell in die kaiserliche Regierung ein. Gegenüber den Massen erklärte sie, sie wolle einen raschen Frieden herbeiführen, während sie in der Regierung alle Maßnahmen der Reaktion und des Kapitals unterstützte.

Die Novemberrevolution

Die Generäle wollten sogar den Krieg wieder aufnehmen. In Kiel plante die deutsche Marineleitung unter Admiral Franz von Hipper, die Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die Royal Navy in den Ärmelkanal zu entsenden. Die deutsche Flotte sollte kämpfen, bis auch das letzte Schiff untergegangen wäre. Das hätte den sinnlosen Tod von zehntausenden Matrosen bedeutet. Doch der Befehl wurde durch einen Funk-Offizier an die einfachen Matrosen weitergegeben. Die Matrosen hissten am 3. November 1918 rote Fahnen auf ihren Schiffen, entwaffneten die Offiziere und bildeten am 4. November 1918 gemeinsam mit den Kieler Arbeitern einen Arbeiter- und Soldatenrat.

Noch am selben Abend traf der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske in Kiel ein. Der Gouverneur hatte telegrafisch um die Entsendung eines SPD-Abgeordneten gebeten, der den Aufstand im Auftrag der neuen Reichsregierung und der Parteiführung unter Kontrolle bringen sollte. Noske erklärte dem Arbeiter- und Soldatenrat, er wolle die „Revolution zum Sieg“ führen und wurde zu seinem Vorsitzenden gewählt. Er organisierte mit Tricks und Lügen schrittweise die Entwaffnung der Revolutionäre und die Wiederbewaffnung der Offiziere. So konnte er den Einfluss der Räte in Kiel zurückdrängen. Die Ausweitung der Revolution auf Deutschland jedoch konnte er nicht verhindern.

Die Revolution breitete sich rasch aus.: Lübeck, Rendsburg, Bremen, Hamburg, Hannover, Braunschweig, Köln, München, Stuttgart, Wilhelmshafen… Überall wurden Arbeiter- und Soldatenräte gebildet und in wenigen Tagen die Monarchie beseitigt.

Doch der Führer der SPD, Ebert, war sich mit der Reaktion und dem Kapital darin einig, dass eine soziale Revolution verhindert und die reaktionäre staatliche Ordnung unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben müsse. Er wollte die bürgerlichen Parteien, die schon 1917 im Reichstag mit der SPD zusammengearbeitet hatten, sowie die alten Eliten des Kaiserreichs für den Staatsumbau gewinnen und eine befürchtete Radikalisierung der Revolution nach russischem Vorbild verhindern. Er erklärte, als er den Rücktritt des Kaisers forderte: „Wenn der Kaiser nicht abdankt, dann ist die soziale Revolution unvermeidlich. Ich aber will sie nicht, ja, ich hasse sie wie die Sünde.“

General Groener erklärte im Münchner Dolchstoßprozess im Oktober 1925 zur Rolle der SPD und der Gewerkschaftsführer, die am 6. November zu einem Gespräch mit der Reichsregierung und der Reichswehrführung eingeladen worden waren: „Von keiner Seite ist ein Wort gefallen, dass darauf schließen ließ, dass die Herren etwa auf eine Revolution hinstreben.“

Mittlerweile hatte sich die Revolution weiter ausgebreitet und auch Berlin erreicht. Nach dem Januarstreik 1918 hatte sich in Berlin eine illegale Organisation der revolutionären Obleute der Betriebe mit ca. 80 Mitgliedern aus USPD und Spartakus gebildet. Deren Aufstandsvorbereitungen wurden von Führern der USPD zu Fall gebracht und kurz darauf durch Verrat mehrere Mitglieder verhaftet. Für den 9. November wurde nun zum Generalstreik in Berlin aufgerufen. Das Militär bereitete sich darauf vor. Aber Truppen, die angefordert worden waren, kamen wegen der revolutionären Situation in ganz Deutschland nicht mehr durch. Nur die Lübbener und Naumburger Jäger wurden als „absolut sichere Bataillone“ nach Berlin gebracht. Alle beurlaubten Offiziere erhielten den Befehl, sich bewaffnet einzufinden, und wurden in Kampfgruppen eingeteilt.

Der Kampf um die Macht beginnt

Foto: MG-Posten vor dem Berliner Stadtschloss 1918, CC Wikipedia, Bundesarchiv

Am Morgen des 9. November strömten ungeheure Arbeitermassen aus allen Teilen in das Zentrum von Berlin. An der Spitze marschierten bewaffnete Arbeiter und revolutionäre Soldaten. Die Reaktion musste kapitulieren. Die Polizei, die vier Jahre lang auf wehrlose Menschen eingeprügelt und geschossen hatte, gab ihre Waffen ab. Kasernentore öffneten sich. Die Soldaten schlossen sich entweder an oder erklärten ihre Neutralität. Die Regierung gab angesichts der Machtverhältnisse den Befehl, nicht auf die Demonstranten zu schießen. Vor der Maikäferkaserne jedoch postierte ein reaktionärer Offizier einen Trupp Bewaffneter und ließ schießen. Drei Arbeiter wurden ermordet. Der Offiziersposten wurde schnell überrannt und die Kasernentore aufgesprengt. Die Soldaten schlossen sich der Revolution an.

Obwohl sowohl die SPD-Führer als auch der Reichskanzler Max von Baden flehentlich den Rücktritt des Kaisers forderten, um wenigstens den Kapitalismus zu retten, zögerte der Kaiser und das Militär. Im Hauptquartier im besetzten Belgien schmiedete der Kaiser sogar noch Pläne für einen Marsch in die Heimat. Doch selbst die reaktionärsten Offiziere konnten ihm angesichts der Lage nicht mehr helfen. Als die Lage unhaltbar wurde, erklärte Reichskanzler Max von Baden am 9. November:

Der Kaiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind.“

Der Kaiser, der Millionen Soldaten in den Tod geschickt und von ihnen „Mut und Tapferkeit“ verlangt hatte, floh feige ins Exil in die Niederlande.

Nun begann der Kampf um die Macht. die SPD, die eben noch versuchte hatte, die Monarchie zu retten, ließ noch in der Nacht vor dem 9. November ein Extrablatt des Vorwärts drucken, in dem sie zum Generalstreik aufrief, der schon lange ohne sie organisiert worden war. Aus SPD-Betriebsvertrauensleuten schuf sie einen „Arbeiter- und Soldatenrat“, der ihnen als Marionette diente. Nun wollten sie sich anhängen und Einfluss gewinnen. Die „Kampflosung“ ihre Aufrufs lautete: „Arbeiter, Soldaten, sorgt für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung! Es lebe die soziale Republik!“ SPD-Führer Ebert vereinbarte gleichzeitig mit Max von Baden, dass dieser zurücktrete und ihm, Ebert, das Amt des Reichspräsidenten übertrage. Mit revolutionärem Pathos verkündete um 14 Uhr SPD-Führer Scheidemann vor dem Reichstagsgebäude den revolutionären Massen, die Monarchie sei gestürzt und rief die Republik aus. Um 16 Uhr verkündete Karl Liebknecht auf Beschluss des wirklichen revolutionären Arbeiter- und Soldatenrates den Sturz der Monarchie. Er erklärte: „Die Herrschaft des Kapitalismus, der Europa in ein Leichenfeld verwandelt hat, ist gebrochen… Wenn auch das Alte niedergerissen ist, dürfen wir doch nicht glauben, dass unsere Aufgabe getan sei. Wir müssen alle Kräfte anspannen, um die Regierung der Arbeiter und Soldaten aufzubauen und eine neue staatliche Ordnung des Proletariats zu schaffen, eine Ordnung des Friedens, des Glücks und der Freiheit unserer deutschen Brüder und unserer Brüder in der ganzen Welt. Wir reichen ihnen die Hände und rufen sie zur Vollendung der Weltrevolution auf.“

Zur gleichen Zeit fanden im Reichstag Verhandlungen zur Regierungsbildung statt. Viele Arbeiter forderten, dass Karl Liebknecht in dieser Regierung sein sollte, weil sie ihm vertrauten. Doch die rechten SPDler und auch die USPD-Führer lehnten alle Bedingungen der Spartakusgruppe und Liebknechts ab. So wurde eine Regierung aus Ebert, Scheidemann und Landsberg für die SPD und Haase, Dittmann sowie Barth für die USPD gebildet. Der Kampf um die Macht sollte blutig werden.

In einem dritten Teil werden wir die Kämpfe, die Gründung der KPD, die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sowie die Ergebnisse der Novemberrevolution behandeln.

dm