Pflegenotstand – Keine Zeit für einen Schluck Wasser

Im Landtag NRW gab es am 18. Juni eine Pressekonferenz zur „Personalsituation in Krankenhäusern“. Unter anderen verkündete Sylvia Bühler (verdi) Dinge, die alle schon wissen. Dann aber legte die Krankenpflegerin Esther Hasenbeck aus Essen los und schilderte ihren Klinik-Alltag:

Man will morgens manchmal schon weinend nach Hause gehen, weil es heißt: Kollege X ist krank… Wir kommen jeden Tag an unsere Grenzen. Wir arbeiten nicht mehr unter menschlichen Bedingungen und die Patienten werden nicht unter menschenwürdigen Bedingungen versorgt. Ich habe bestimmt schon hundert Dienste gemacht, ohne einen Schluck Wasser zu trinken… ohne auf die Toilette zu gehen, Dienste, ohne zwischendurch in ein Butterbrot zu beißen…. Meine Mutter war auch Pflegerin, sie ist in Frührente: Rücken kaputt… Spätestens nach zwei Jahren im Beruf ist der Grundgedanke, Menschen helfen zu wollen, bei vielen Kollegen schon vernichtet – die ersten flüchteten schon während oder kurz nach der Ausbildung… In der normalen Nachtschicht 2 Pfleger auf 36 Patienten… Wir tun alles, aber da passieren Fehler. Wir müssen Prioritäten setzen, wir gehen jeden Tag Risiko… Das Menschliche bleibt auf der Strecke…Bis zum regulären Renteneintritt hält kaum einer diesen Knochenjob durch… Warum werden Milliardenrettungsschirme über Banken gespannt? Warum fließt so wenig Geld in die Betreuung von Menschen? Auch Kanzlerin Merkel und ihr Minister Spahn benötigen eines Tages einen Pfleger!“

Da können wir Dich beruhigen, liebe Esther! In der christlich-abendländischen Leidkultur wird für die beiden garantiert gut gesorgt werden! Schließlich gehörst Du nur zum „Personal“, sie aber nicht!

Nach einer Überschlags-Untersuchung der Gewerkschaft „verdi“ fehlen bundesweit etwa 80.000 Krankenpfleger, allein in NRW rund 18.000 – deutsche Kliniken sind demnach europaweit Schusslicht, viele Dienstpläne seien von vornherein unrealistisch, jeder Krankheitsfall im Personal werde zum Notfall im Dienstplan.

Am übernächsten Tag gab es in Düsseldorf vor einem Hotel, wo sich „Fachpolitiker“ trafen, eine Demonstration von offiziell 3.000 Pflegekräften und sich solidarisierenden Menschen – Teilnehmer nennen eine weit höhere Zahl. Die „Deutsche Stiftung Patientenschutz“ fordert eine Umkehr der Beweislast: nicht der Patient müsse nachweisen, dass dieses Medikament seine Gesundheit schädige, sondern die Herstellerfirma müsse beweisen, dass der Gesundheitsschaden nicht von ihrem Medikament herrühre. Bisher können die Firmen sich da herausreden, vor allem, wenn jemand mehrere verschiedene Medikamente gleichzeitig nimmt.

Die Gesundheitsminister Spahn vom Bund und Laumann aus NRW (beide CDU) wurden von den Demonstrierenden mit einem Pfeif- und Sirenenkonzert empfangen. Sie forderten mehr Personal für Kliniken und Heime. Spahn balzte um die Gunst der Protestierenden: „Ich weiß, Sie haben viel Vertrauen in die Politik verloren, geben Sie uns die Chance, es zurückzugewinnen durch konkrete Taten.“ Meine Güte, wie viele Chancen wollen die denn noch kriegen? Und was sie vorhaben, ist auch nicht sehr vielversprechend: Ein paar Tausend Arbeitsplätze sollen geschaffen werden und bei Behandlungsfehlern sollen Patienten leichter Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche stellen können! Komm, Du Dummerchen, ich erklär Dir mal, wie man so ein Formular ausfüllt – dann können wir es auch schneller ablehnen! Ja, geht’s noch toller? Sind das die „Chancen“, die ihr versemmeln wollt?