IG Metall –Ausschlussverfahren gegen Aktive der Sindelfinger „Alternative“!

Die Politik des Daimler-Konzerns und ihre Folgen sind bekannt. (Vgl. Arbeit-Zukunft 1/2010)

Mit aller Macht versucht die Konzernleitung die Lasten der Krise auf die Schultern der Beschäftigten abzuwälzen. Trotz massiver Umsatzeinbrüche will sie mehr Umsatz und mehr Profit machen – auf Kosten der Daimler-Beschäftigten.
Das heißt konkret: Verlängerung der Arbeitszeiten, Steigerung der Arbeitsintensität, Verkürzung der Taktzeiten, Arbeitsverlagerung, Abbau von Arbeitsplätzen, vor allem aber deutlich weniger Lohn.
Oft genug unterstützte die Mehrheit des Betriebsrats diese gegen die Interessen der Beschäftigten gerichtete Politik.
Empörung und Wut vieler Kolleginnen und Kollegen wuchsen und wachsen weiter. Etliche Kolleg/innen im Werk Sindelfingen wollten die Politik der Firmenleitung und die Politik des Co-Managements der Betriebsratsmehrheit nicht mehr widerstandslos hinnehmen. Daher wurde im Mai letzten Jahres eine Arbeitsgruppe namens „Alternative“ ins Leben gerufen, erstmals bei Mercedes-Benz in Sindelfingen.
Die Gruppe gab ein Informationsblatt gleichen Namens – „Alternative“ – heraus. Es kritisiert die Sozialpartnerschafts- und die Verzichtspolitik der Betriebsratsmehrheit.
Die unmittelbare Folge dieser Publikation: Auf Drängen der Betriebsratsmehrheit wurden die Unterstützer/innen der „Alternative“ aus allen Strukturen der Vertrauenskörperleitung (VKL) ausgeschlossen und man versucht, sie aus allen anderen betrieblichen und gewerkschaftlichen Strukturen hinauszudrängen, so der Vorwurf der „Alternative“.
So sah sie sich gezwungen, bei der Betriebsratswahl 2010, mit einer eigenen Liste „Alternative“ zu kandidieren. Sie tritt mit einer Kandidatin und zehn Kandidaten an. Alles IG Metall-Mitglieder.

Die Stuttgarter IG Metall hat nun ein „Untersuchungsverfahren zur Feststellung von gewerkschaftsschädigendem Verhalten“ gegen die elf Sindelfinger eingeleitet. Uwe Meinhardt, Zweiter Bevollmächtigter der Verwaltungsstelle, bestätigte am 23. Februar einen entsprechenden Beschluss des Ortsvorstands (Quelle: junge Welt). Grund: ihre Kandidatur auf der Liste „Alternative“. Die elf erklären in einem Soli-Aufruf: „Die IG Metall ist eine Arbeitnehmerorganisation, sie ist unsere Gewerkschaft! Wir wollen und werden bei der IG Metall bleiben!“
Deshalb bitten sie die Kollegen bei Mercedes-Benz und in anderen Werken um Solidarität.
So wiederholt sich scheinbar das Drama, das sich die Jahre zuvor bei Mercedes-Benz in Untertürkheim Mettingen abspielte in erneuerter Version.
Tom Adler, Betriebsratsmitglied bei Mercedes-Benz in Untertürkheim/Mettingen, einer der Anführer der dortigen Alternative bezeichnet am 24.02.2010 in „junge Welt“, das Vorgehen der Gewerkschaftsspitze in Sindelfingen als „anachronistischen Unfug“: „Sowohl die IG Metall als auch die Betriebsratsmehrheit in Sindelfingen wären gut beraten, wenn sie selbstkritisch ihre Politik der vergangenen Jahre reflektieren und aus Fehlern lernen würden, anstatt Kritik mit der Keule von Satzungsverfahren zu bekämpfen“. Dass kritische Stimmen mit administrativen Mitteln nicht mundtot gemacht werden könnten, habe nicht zuletzt die Erfahrung in Untertürkheim gezeigt. Die Gewerkschaftsführung selbst befördere mit diesen Maßnahmen die von ihr beklagte Spaltung.

Kommentar der Redaktion
Nehmt endlich die kämpferischen Kolleg/innen ernst, statt sie zu verfolgen!

Schon wieder wird gegen organisierte und engagierte Gewerkschafter/innen bei Mercedes-Benz, diesmal in Sindelfingen, mit Ausgrenzung und der Drohung mit dem Ausschluss aus der IG Metall vorgegangen, nachdem sie eine eigenständige Liste zur Betriebsratswahl beantragt hatten.
Die IG Metall sollte sich selbstkritisch fragen, mit welchem Recht die Anführer von BR und Vertrauenskörper Kolleg/innen verfolgen, die in den harten Klassenauseinandersetzungen des Dezember 2009 in Sindelfingen zu einer wichtigen Stimme ihrer Kolleg/innen wurden.
War ihnen Mettingen keine Lehre, wo sie zum Schluss alle ihre Ausgrenzungsziele aufgeben, die verhasste Mettinger Betriebszeitung „Alternative“ hinnehmen mussten, nur damit es zu einer gemeinsamen Liste mit den Kolleg/innen um Tom Adler und andere kam?
Man muss mal eine Wahlzeitung der Mettinger „Alternative“ gesehen haben. Diese Fraktion bietet massenhaft Kandidat/innen auf, wenn es sein muss. Sie hat eine Massenbasis. Was die „offizielle“ IG Metall im Allgemeinen und speziell gegen diese Kollegen an Politik betrieb und jetzt erneut in Sindelfingen in Bewegung setzt, das hat so geendet, dass man wohl im Falle, dass die Mettinger „Alternative“, wieder allein antritt, mit noch massiveren Verlusten in der Betriebsratswahl hätte rechnen müssen als 2006. An Hans Baur und Uwe Meinhardt, die Stuttgarter IG-Metallbevollmächtigen: Wollt Ihr das noch mal erleben?
Wir kennen die „Alternative“ nicht in allen Einzelheiten, und wir werden sie nicht unkritisch unterstützen. Aber die Forderungen ihres Wahlprogramms können die Kolleg/innen in zahlreichen Betrieben nachvollziehen.
Beispiele, die in allen Industriebetrieben Widerhall finden: „Wertschätzung, Gerechtigkeit, Basisarbeit!… Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!… Nicht zensierte, offene Informationen für die Belegschaft!…“ Das kapieren viele sofort, das wollen viele, hier spricht jemand Klartext!
Arbeit Zukunft unterstützt auch, was die Sindelfinger „Alternative“ von der IG Metall fordert:
„Die Geschlossenheit – nicht nur der IGM sondern möglichst der gesamten Belegschaft – ist in der praktischen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber absolut notwendig! Diese Geschlossenheit jedoch einzufordern bei der Debatte um gewerkschaftliche Ziele und bei den Betriebsratswahlen, läuft darauf hinaus, bürokratische Maulkörbe zu verhängen. Geschlossenheit setzt Einsicht und Überzeugung voraus. Die kann man nicht verordnen, sie kann nur das Ergebnis einer freien, kontroversen und öffentlichen Debatte sein.“
Dem muss sich die IG Metall, müssen sich Erich Klemm und seine Betriebsratsführung bei Mercedes-Benz dringend stellen!
Heute geht die Konfrontation zunehmend von den Unternehmen und ihren Verbänden aus, die weder Rücksicht auf die Interessen ihrer Beschäftigten noch auf die bisher praktizierte Methoden der Sozialpartnerschaft nehmen. Sollen sich die gewerkschaftlichen Interessenvertreter in den Betrieben den Diktaten ihrer Firmenleitungen beugen, um den sozialen Frieden und die ”Partnerschaft“ mit ”ihren“ Unternehmen nicht aufs Spiel zu setzen? Niemals!

Diese Fragen gehören offen diskutiert. Sie lassen sich, auch mit Hinweis auf vermeintlich passende Satzungsbestimmungen und der Drohung des Gewerkschaftsausschlusses nicht unterbinden. Deshalb schließen wir uns dem Protest gegen die Ausschlussdrohung an!

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