Korrespondenz: Über 90 Tage Streik im Callcenter S-Direkt

Streik bei S-Direkt in Halle/SaaleSeit 9. Juli sind die Kollegen vom Callcenter S-Direkt in Halle/S., einer 100%igen Tochter der Sparkasse im Streik. Die Kollegen haben seit 1996(!) keine Lohnerhöhung bekommen und verdienen heute 7,30€ brutto die Stunde, sodass viele Kollegen zum Amt gehen müssen, um den Lohn aufzustocken.Von ihrer ursprünglichen Forderung von 10€ Stundenlohn sind die Kollegen schon runtergegangen auf jetzt 8,50€. Später sollen es dann 9€ sein. In der Firma arbeiten z.Z. rund 800 Leute, wovon jetzt ca.380 Verdi-Mitglieder sind, welche zum großen Teil erst in den letzten 2 Jahren mühselig angeworben wurden. Davon sind jetzt ca. 250 Kollegen aktiv am Streik beteiligt. Leider sitzen aber auch rund 80 bis 100 Leute täglich oben in der Firma, um Streikbrecherarbeit zu machen. Die Meinungen der Kollegen zum Problem der Streikbrecher sind sehr unterschiedlich, sie reichen von Verständnis bis zu völliger Ablehnung. Ein erster Erfolg war, als bereits beim ersten Warnstreik über 50 Kollegen an einem Tag in Verdi eingetreten sind.Die Fronten in diesem Streik sind schon längst verhärtet. Das bislang einzige Angebot der Geschäftsleitung galt zunächst nur für Beschäftigte, die bereits 12 Jahre im Betrieb sind und da die Firma erst 15 Jahre existiert betrifft das die wenigsten. Die Medienresonanz war zunächst verhalten, wurde aber größer als die Kollegen in Frankfurt/M und anderen Städten demonstrierten. Am 4. Oktober suchte „Erzengel Gabriel“, Obermufti der „S“PD, die Kollegen am rund um die Uhr besetzten Streikzelt in der Innenstadt heim. Er offenbarte Unterstützung für die Kollegen und die Mindestlohnforderung der „S“PD von 8,50€. Das fand die Mehrheit der Kollegen natürlich gut. Es muss aber doch gesagt werden, dass die „S“PD mit ihrer Regierungspolitik des systematischen Sozialabbaus (Hartzgesetze, Leiharbeit) erst dafür gesorgt hat, dass wir heute z.B. Mindestlohn brauchen. Die „S“PD hat deswegen zigtausende Mitglieder verloren und jetzt gibt sie sich wieder „sozial“. Sind die Menschen so vergesslich? Was die „S“PD getan hat, darf aber nicht vergessen werden! Aber zurück zum Streik. Es gilt jetzt, die Kollegen bei S-Direkt mit aller Kraft zu unterstützen. Selbst ein guter Tarifvertrag würde die kapitalistische Ausbeutung der Lohnarbeit zwar nicht beenden, wäre aber ein notwendiger erster Schritt für einen besseren Lohn. Und es wäre ein wichtiges Signal und gutes Beispiel für andere Betriebe, dass sich kämpfen lohnt.

Wie wir schon in unserem Flugblatt vom 30. 9. schrieben, ist dieser Streik an sich jedoch kein Einzelfall. Wir beobachten in den letzten 10 Jahren in Deutschland und Europa einen deutlichen Anstieg von Streiks, Demonstrationen, Besetzungen usw. Es kommt darauf an die gemeinsamen Klasseninteressen aller Lohnabhängigen zu erkennen, die Kräfte zu bündeln und die sozialen Kämpfe höher zu entwickeln.

Die Geschäftsleitung bei S-Direkt ist indessen immer noch uneinsichtig. Aber die Verdi-Streikkasse ist gut gefüllt. Die Kollegen brauchen weiterhin Mut, Ausdauer und die Unterstützung durch die Arbeiterbewegung. Wir wünschen ihnen jedenfalls viel Kraft und Erfolg!

J. Uhlemann, Gewerkschafter und DKP-Mitglied

PS:

Weitergehende Forderungen für kommende Kämpfe wären:

30- Stundenwoche bei vollem Lohn!

10€ Mindestlohn!

Festeinstellung aller befristeten Kollegen!

Volle Rente mit 60 statt 67!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit für Männer und Frauen in Ost und West!


Aktuelle Infos unter: http://www.sd-verdi-betriebsgruppe.de