Libyen: Frankreich erneut auf dem Kriegspfad

Der Artikel vom 24. Februar in „Le Monde“, der bestätigt, dass Frankreich mit seinen amerikanischen und britischen Verbündeten in Libyen einen Geheimkrieg führt, ist nicht wirklich eine Überraschung. Seit mindestens 2 Jahren ist die Rede davon, den 2011 begonnenen schmutzigen Job, der zum Mord an Gaddafi und zum Zusammenbruch des Landes geführt hat, zu Ende zu bringen. Der amerikanische Imperialismus macht kein Hehl daraus, das seine Armee gezielte Attentate und Bombardements aus der Luft ausführt. In Großbritannien hat der Oppositionsführer der Labour-Partei im Parlament Premierminister Cameron aufgefordert, das Parlament zu befragen, bevor er erneut eine Militäroperation jedweder Art in Libyen durchführt. Sogar Italien, die ehemalige Kolonialmacht, gab zu, Agenten im Land zu haben. Seit 2014 tritt Le Drian, der Verteidigungsminister, für Luftschläge und Spezialeinsätze in Libyen ein. Der Artikel bestätigt nur, was jeder vermutet hat: der Krieg in Libyen hat wieder begonnen; alle Protagonisten von 2011 sind schon da, außer dass seitens Frankreich Hollande Sarkozy ersetzt hat und der Krieg gegen den Terrorismus an die Stelle der Verteidigung der Menschenrechte als Vorwand für die Intervention getreten ist.

Momentan ist es vor allem auf Seiten Frankreichs ein Geheimkrieg, der die Luftstreitkräfte und am Boden die Soldaten der Geheimdienste der DGSE und COS (1) an vorderste Front stellt. Der Verteidigungsminister verrät weder etwas über die Zahl noch über die Stationierung dieser Schattenarmee. Nach manchen Quellen sind es wenigstens tausend und ihr Eindringen in das Land wird erleichtert durch das Bestehen von Militärbasen im Norden des Tschad und des Niger, die kürzlich im Rahmen der Operation „Barkhane“ (2) eingerichtet wurden.

Was soll diese Taktik des Geheimkrieges? Ein führender Beamter des Verteidigungsministeriums gibt eine teilweise Antwort: „Das letzte, das getan werden muss, ist in Libyen zu intervenieren. Jedes offene militärische Engagement ist zu vermeiden. Man muss diskret handeln.“ Ein anderer weist, noch präziser, darauf hin, dass es keinen legalen Rahmen für die Entsendung von Bodentruppen gibt und fügt hinzu „aber auch wegen budgetärer und politischer Gründe“.

Es sind zuvorderst Gründe, die mit der Situation in Libyen zusammenhängen. Das Land ist immer noch in zwei Parlamente und zwei Regierungen getrennt. Im Dezember 2015 wurde in Skhirat eine politische Übereinkunft zwischen zwei gegnerischen Fraktionen geschlossen, aber sie wurde seither nicht bestätigt. Alle politischen Kräfte Libyens wurden durch den Krieg von 2011 traumatisiert, der das Vorspiel zur Aufteilung des Landes und der Neuverhandlung der Erdölkontrakte war. Dazu kommt, dass die Mehrheit der Länder des Maghreb, insbesondere Tunesien, sich gegen ein erneutes Abenteuer des Westens in diesem Land stellen, durch das die Gefahr droht, dass neue Flüchtlingswellen entstehen, die Dschihadisten sich in ganz Nordafrika und im Sahel ausbreiten und folglich einen großen Teil des afrikanischen Kontinents dauerhaft destabilisieren.

Aber wenn dieser Krieg geheim gehalten wird, dann hat das auch mit innenpolitischen Gründen zu tun. Was etwa die Präsidentschaft Hollandes angeht, so regt die Häufung der französischen Aggressionen in Mali, Zentralafrika, dann in Syrien und jetzt erneut in Libyen immer mehr Menschen auf. Es werden nicht mehr nur die menschlichen und finanziellen Kosten dieser Interventionen vorgebracht, sondern die Zielsetzung. In Afghanistan und im Irak wird seit Jahren Krieg geführt, die Länder werden zerstört, und mit welchen Ergebnissen? Syrien ist auf dem gleichen Weg mit seiner Folge von Toten, Zerstörungen, Flüchtlingen und Migranten, die niemand will. In den letzten Monaten seit den Attentaten vom November 2015 in Paris ist die Diskussion über den Krieg und den Kriegszustand in die politische Landschaft Frankreichs eingebrochen. Die Regierung hat nicht mehr die Bewegungsfreiheit wie 2013, als fast alle Abgeordneten für die Verlängerung der Operation „Serval“ (3) in Mali stimmten. Das Interesse an einem geheimen, nicht erklärten Krieg besteht auch deshalb, weil er an einer Prüfung durch das Parlament und dem Urteil der öffentlichen Meinung vorbeigeht. Der Wutausbruch des Kriegsministers Le Drian, der der Zeitung „Le Monde“ mit „einer Untersuchung wegen Verstoßes gegen ein Geheimnis der Verteidigung nach der Veröffentlichungen von Informationen über die Anwesenheit von französischen Spezialkräften und Geheimagenten in Libyen“ drohte, ist bezeichnend für die Sackgasse, in die sich die Regierung verrannt hat: Alle Mittel sind recht, um alles zum Schweigen zubringen, was Gefahr läuft, die Verurteilung der von der Regierung geführten Kriegspolitik zu befördern. Hollande, Valls und Le Drian schlagen den gleichen, wenig ruhmreichen Weg ein, den der Sozialist Guy Mollet und dann De Gaulle vor gut einem halben Jahrhundert eingeschlagen haben. Der Kriegszustand, der Ausnahmezustand konnten den Marsch des algerischen Volkes in seine Unabhängigkeit und die wachsende Opposition des französischen Volks gegen einen unerklärten Kolonialkrieg nicht stoppen.

1) DGSE – Auslandsgeheimdienst; COS – Kommando Spezialoperationen

2) Operation „Barkhane“: französische Antiaufstands Operation in der afrikanischen Sahel-Zone. Sie wird unterstützt von Burkina Faso, Mali, Niger und Mauretanien, ehemaligen frz. Kolonien.

3) Operation „Serval“: Vorgänger-Operation von „Barkhane“ im Norden von Malis.

Aus „La Forge“ Nr. 03/2016, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs (PCOF)