Friedrichshafen: Mit massiver Polizeigewalt Neonazi-Demo gesichert

Polizeiaufmarsch in Friedrichshafen
Friedrichshafen – In „Arbeit Zukunft“ Nr. 6/2005 berichteten
wir schon von der Demonstration der Neofaschisten am 08. Okt. 2005, als diese
Friedrichshafen zur „National befreiten Zone“ machen wollten. Damals gelang
ihnen das wegen der massiven Gegenaktionen der Antifaschisten nicht. Am
Samstag, dem 15. Juli, versuchten es die Neonazis wieder. Und diesmal mit
massivem Polizeischutz!

Schon im Vorfeld hieß es: „Die Polizei rechnet mit Gewalt.“
In der örtlichen Presse stand zu lesen: „Wegen der Erfahrungen vom Oktober
2005 (Rechte und Linke gerieten heftig aneinander) bereiten Wolfsturm

[Polizeichef des Bodenseekreises] zwei Dinge besondere Sorge: junge
Menschen, die sich aus Neugierde ins Getümmel stürzen, und friedliche Gegner
des Naziaufmarsches, die sich mit gewaltbereiten Antifaschisten vermischen.
Sein Appell: den Naziaufmarsch ignorieren oder weit weg vom Ort möglicher
Auseinandersetzungen seinen Protest gegen die Demo zum Ausdruck bringen.“

Diesem Wunsch der Polizei trug ein bürgerliches Bündnis
gegen den Aufmarsch der Neonazis, bestehend aus bürgerlichen Parteien, Kirchen
und Gewerkschaften, auch Rechnung.

OB Büchelmeier appellierte an die Bürger, am Samstag den
Bahnhof zu meiden und „damit einer Konfrontation mit den extremistischen
Demonstranten welcher Couleur auch immer aus dem Weg zu gehen“
(zitiert
nach suedkurier.de). Sekundiert wurde ihm dazu vom CDU-Landtagsabgeordneten
Ulrich Müller, der meinte „dass die Teilnehmer der Gegendemonstration des
parteiübergreifenden Bündnisses für Toleranz und Demokratie der Polizei ihre
schwierigen Pflichten
[nämlich die Nazis zu schützen – S.N.] erleichtern
sollten, indem sie alsbald nach der Veranstaltung diese verlassen und nicht in
das Bahnhofsgebiet oder andere an diesem Tage sensible Gebiete gehen.“
Nach
Ansicht Müllers „hätten es Neonazis und linksextreme Kräfte auf eine
Konfrontation abgesehen.“

Ganz so, wie die Herren bürgerlichen Politiker es wollten,
kam es dann doch nicht.

Zu meinen eigenen Eindrücken: Wir kamen mit dem Zug gegen
halb elf Uhr an – der Aufmarsch der Neonazis sollte um 13:00 Uhr am Bahnhof
beginnen. Der Bahnhof von Friedrichshafen war jetzt schon, also 2 ½ Stunden vor
Demobeginn, praktisch hermetisch von der Polizei abgeriegelt (siehe Bilder). Es
gab Wasserwerfer, Hundestaffeln und berittene Polizei. Spanische Reiter
verhinderten jedes unkontrollierte Passieren des Bahnhofsplatzes und der daran
vorbeiführenden Strasse. Laut Presse waren rund 1.100 Polizisten in der Stadt und
hunderte weitere in der Region im Einsatz.

Die oben erwähnte friedliche Gegenkundgebung fand auf dem
Adenauerplatz, einige hundert Meter entfernt vom Bahnhof statt. Dort hielten OB
Büchelmeier und anschließend ein Pfarrer eine Rede. Das war’s dann auch schon.
Büchelmeier hielt es abermals für nötig, der Polizei für ihren Einsatz (zum
Schutz der Neonazi-Demo!) zu danken und davor zu warnen, Richtung Bahnhof zu
gehen. Vor und während der Kundgebung verteilten bzw. verkauften wir unsere
Zeitung. Ein Jugendlicher, der sich als „Anarchist“ bezeichnete, übernahm einen
Packen Werbeflyer für das antifaschistische und antiimperialistische
Jugendlager in Dänemark und verteilte sie. Er fand es gut, dass es eine
kommunistische Zeitung gibt. Ansonsten war von linken Parteien und
Organisationen, außer der MLPD, nichts zu sehen.

Die warnenden Worte des OB konnten natürlich nicht
verhindern, dass gegen 13:00 Uhr immer mehr Leute, von Ver.di eine ganze
Gruppe, Richtung Bahnhof abzogen. Die bürgerliche Presse schreibt: „DGB und
IG Metall sollen aus dem Bündnis ausgestiegen sein, nachdem man dort
entschieden hatte, dass man die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschisten nicht dabei haben wollte“
. Saubere „Demokraten“!

Die Autonomen hielten sich offenbar schon entlang der
geplanten Demoroute der Neonazis auf.

Am Bohnhofsplatz dann das gleiche Bild wie vorher:
Polizeiauto an Polizeiauto, dazu zwei Wasserwerfer jeweils an den Ecken
postiert, berittene Polizei. Jetzt aber standen eine ganze Menge Neugieriger,
vereinzelt Gegendemonstranten, vor den Absperrgittern. Von den Neonazis war
nichts zu sehen. Ganz weit hinter den Absperrungen sah ich einmal ein
Transparent.

Wir fuhren dann mit dem Zug nach Hause, in der Annahme, es
würde nicht mehr viel passieren bei dieser massiven Polizeipräsenz. Da hatten
wir uns allerdings getäuscht. An einer Stelle der Demoroute musste die
berittene Polizei einschreiten, um die Faschos vor Angriffen zu schützen. In
der Nähe der Schlusskundgebung warfen „gewalttätige Linke“ faule Eier und
Steine in Richtung der Demo-Teilnehmer. Auch dort griffen berittene Polizisten
ein und drängten die Gegendemonstranten ab. Diese leisteten teils Widerstand
durch Sitzblockaden. Die Scheibe eines Polizeifahrzeugs ging durch einen
Steinwurf zu Bruch. Die Polizei nahm rund 30 Personen fest – „aus dem linken
Spektrum“
, wie die bürgerliche Presse berichtet.

Dass es nicht nur „linke Chaoten, sondern auch Bürger,
die hier mit ihrer Präsenz ein Zeichen setzen wollten“
[suedkurier.de vom
17.07.06] sind, die den Faschisten die Straße streitig machen und sich nicht
fernab des Geschehens die friedfertigen Sprüche der bürgerlichen Politiker
anhören wollen, ist ein gutes Zeichen.

Übrigens waren es laut Polizeischätzungen 160 Neonazis!

 

Kein Fußbreit den Faschisten!

 

S.N.