Reformpaket: Zur Kasse bitte!

In großformatigen Anzeigen preist die Bundesregierung ihre „Wohltaten“
für 2004 an. Sie verspricht „mehr Geld für eigene Wünsche“ und bezieht
sich damit auf die Steuerreform, mit der Bürger und Unternehmen um 15
Mrd. Euro entlastet werden.

In der Tat sinken die Steuersätze, der Eingangssteuersatz um 3,9% und
der Spitzensteueratz um 3,5%. Bei der ersten Gruppe mag dann für die
Erfüllung „eigener Wünsche“ vielleicht mal ein Abendessen drin sein,
wobei letztere Gruppe sich schon mal auf eine schöne Urlaubsreise
freuen darf. Wer jetzt noch zu den Pendlern gehört, sieht sich einer
gekürzten Pauschale von ca. 40 Cent auf jetzt 30 Cent gegenüber. Und
wer ein Haus oder Wohnung erwerben wollte, muß zudem mit einem Drittel
weniger Eigenheimzulage rechnen. So wird für die meisten nichts aus dem
Steuergeschenk der Bundesregierung.

Dagegen findet sich kaum ein Spitzenverdiener in der gesetzlichen
Krankenversicherung wieder. Damit hat er doppelt Glück, denn immerhin
sind 9 von 10 Bundesbürgern in der GKV versichert und nur die müssen
die beschlossenen Zuzahlungen zahlen. Die Kosten der Gesundheitsreform
werden mit 7,3 Mrd. Euro angegeben, also der Hälfte der versprochenen
Steuerentlastung. Der Werbetext der Bundesregierung verspricht, daß
„die Gesundheitsreform die Qualität verbessert“. Den Nachweis bleibt
sie schuldig. Investitionen könnten die Qualität verbessern, aber
Einsparungen stellen selten eine Verbesserung dar. Oder will die
Bundesregierung allen Ernstes erklären, daß die Nichtbezahlung von
nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten, wie etwa Schmerzmitteln
oder Magenpräparaten, eine Verbesserung darstellt? Ebenso wurden die
Erstattung von Krankentransporten gestrichen oder Zuschüsse für Brillen.

Besonders ärgerlich ist die Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro pro
Quartal. Doch wer jetzt glaubt, mit 4 mal 10 Euro im Jahre wäre die
Kröte geschluckt, der irrt. Denn Besuche beim Zahnarzt kosten ebenso 10
Euro, wie Notfälle oder überhaupt die Inanspruchnahme des Notdienstes,
auch wenn man die 10 Euro im Quartal schon gezahlt hat. Auch
Überweisungen vom Psychotherapeuten werden nicht anerkannt, sofern er
kein Arzt ist. Das Regelwerk ist so undurchschaubar, daß auch die Ärzte
nicht durchblicken. Dabei erhalten sie nicht mal einen
Verwaltungsaufwand von den zu zahlenden Beträgen und sind nur
Inkassobüro der Krankenkassen. Führt der Weg von der Arztpraxis in die
nächste Apotheke steht wieder Ärger ins Haus. Denn nun werden
Zuzahlungen von mindestens 5 Euro bis höchstens 10 Euro pro Medikament
fällig, vorher waren es je nach Packungsgröße 4 bis 5 Euro. Auch
Krankenhausaufenthalte kosten nun 10 Euro, pro Tag versteht sich. Jeder
kann sich ausrechnen, daß sich die Beträge auf hunderte Euro im Jahr
summieren. Zwar gibt es Belastungsgrenzen, bei einem
Sozialhilfeempfänger etwa 70 Euro, aber bei höherem Jahreseinkommen,
etwa 50.000 Euro, liegt die zumutbare Selbstbeteiligung schon bei 1000
Euro. Von Steuergeschenken kann also keine Rede mehr sein.

Die Bundesregierung verspricht, daß zumindest so „die Beiträge für alle
Versicherten und Unternehmen sinken“. Würden die Beiträge sinken, so
hätten allein die Unternehmer den ganzen Nutzen, denn die besagten
Zuzahlungen hat allein der Versicherte zu zahlen. Doch die Senkung der
Beiträge ist nicht absehbar. Nach Umfragen wollen viele Versicherungen
die Beiträge nicht senken und wenige nur um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte.
Das würde den Durchschnittsverdiener um dann nicht mal drei Euro im
Monat entlasten. Diese Mogelpackung ruft zu Recht den Widerstand von
Versicherten und Ärzten hervor. SPD – Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt glaubt der Ärger werde nur von kurzer Dauer sein. So erklärte
sie: „Da müssen wir durch. Das ist im Februar vorbei.“ Es liegt an
uns  diese Prognose zum Fall zu bringen.
(J.T.)