In der Nr. 1/04 von „Arbeit Zukunft“ hatten wir im
Artikel „So kann es nicht weitergehen!“ eine Umfrage des Handelsblattes vom
2.1.04 unter 1000 europäischen Managern zitiert. Die Manager hatten allen
Industrieländern Schulnoten gegeben. Dabei schnitt Deutschland mit Note 3,4 am
schlechtesten und China am besten ab.
Wir schrieben dazu:
„Bemerkenswerterweise kam China bei dieser Umfrage
unter Managern auf Platz 1. In China sind nach Meinung der befragten Manager
die „Standortbedingungen“ ideal. Dort fühlt sich die Wirtschaft wohl!
Ja, so haben sie es gern: Rechtlose Menschen, kein
hinderlicher Arbeitsschutz, Millionen arbeitslose Wanderarbeiter, die für eine
Schüssel Reis schuften bis zum Umfallen, keine lästigen Umweltschutz-Auflagen,
unumschränkter Herrscher im Betrieb sein.“
Ein Artikel auf S.3 der Stuttgarter Zeitung vom
12.1.04 unter der Überschrift „Chinesen billiger als Maschinen“ bestätigt
auf zynische Weise unsere Darstellung. Darin wird über die in der Stadt und
Region Shenzhen konzentrierte chinesische Spielwarenindustrie berichtet: „Zwei
Drittel aller weltweit verkauften Spielwaren stammen aus China. Dort wird unter
unbeschreiblichen Bedingungen produziert. Viele Beschäftigte an den
Fließbändern sind den Fabrikanten hilflos ausgeliefert. Manche Arbeiterinnen
sterben einfach an Erschöpfung.“ Und weiter: „Einer Untersuchung…
zufolge erhalten manche der Fließbandarbeiter nur 300 Yuan im Monat – 30 Euro.
Wer mehr verdienen will, muss im Akkord schuften. Die Bedingungen sind hart:
Oft erkranken die Frauen an den giftigen Dämpfen der Kleber und Chemikalien,
verletzen sich an Maschinen oder sterben einfach an Erschöpfung.
Von acht Uhr morgens bis nach Mitternacht musste
Li Chunmei in einer Spielzeugfabrik arbeiten, bis sie eines Nachts im Bad ihres
Wohnheimes zusammenbrach. Sie sei gestorben bevor der Krankenwagen gekommen
sei, berichtete die ‚Washington Post’. ‚Guolaosi’ nennen Chinas Zeitungen das
Phänomen – Tod durch Überarbeitung.“
Und der Artikel gibt offen zu: Niedrige Löhne,
überlange Arbeitszeiten führen nicht etwa zu Investitionen – wie uns der Chor
der Kapitalisten, Politiker, Wirtschaftsfachleute usw. jeden Tag vorsingt. Im
Gegenteil! Weil die menschliche Ware Arbeitskraft so billig ist, lohnen sich Investitionen
in Maschinen für das Kapital nicht.
Auch die Verantwortlichen werden erstaunlich offen
genannt:
„Profiteur dieses Systems ist die Spielzeugindustrie.
Internationale Konzerne erwirtschaften mit Kinderspielzeug Milliardenumsätze.
Aber auch Handelsriesen, Restaurantketten oder Schokokonzerne profitieren von
den niedrigen Produktionskosten.“ Es wird klar gesagt: „Die großen
internationalen Firmen haben das Monopol“.
Ein Beispiel:
„Eine von Gealex in Shenzen hergestellte
Spielzeugkamera kostet nach Branchenschätzungen nicht viel mehr als einen Euro.
Die Lohnkosten betragen dabei nur wenige Cent. In Spielzeugläden in den USA
wird die Kamera für 19,99 Dollar verkauft.“
Monopolprofite und Extraprofite durch die koloniale
Ausbeutung – da freut sich das Kapital! Klar, dass China da das Traumparadies
für Unternehmer ist und bei den Managern die beste internationale Benotung
erhielt. Das ist die Marschrichtung des Kapitals: Hungerlöhne, Ausbeutung bis
zum Tod, keine soziale Absicherung!
Obwohl der Artikel der Stuttgarter Zeitung recht
offen die kriminellen Zustände beschreibt und die Verantwortlichen benennt,
bleibt er in den Konsequenzen bemerkenswert lahm. Es wird die Erfüllung eines
„Verhaltenskodex“ aus dem Jahr 2001 verlangt, der auf „Druck christlicher Verbände“
vom Weltverband der Spielzeugfabriken selbst verfasst wurde. Doch der Artikel
gibt selbst zu, wie aussichtslos diese Forderung in der Realität des
Kapitalismus ist. Er fragt zum Schluss, was die Schließung einer skandalösen
Fabrik entsprechend dem Kodex für Folgen hätte: „Würde dies einen
Unterschied bedeuten? ‚In den Fabriken sieht es überall gleich aus’, sagt eine
der Näherinnen.“
Ein verbrecherisches System, das nicht vor Mord durch
Überarbeitung und gnadenlose Ausbeutung zurückschreckt! Ein solches System kann
nicht mit einem heuchlerischen „Verhaltenskodex“ verbessert, es muss
abgeschafft werden – wie wir in dem oben erwähnten Artikel in „Arbeit Zukunft“
Nr.1/04 bereits schlussfolgerten.
ernst