Korrespondenz: 10. Montagsdemo in Kiel

Auf dem Kieler Asmus-Bremer-Platz versammelten sich am letzten Montag
über 80 Demonstranten um ihren Protest gegen die Hartz-Reformen und
die Agenda 2010 zu bekunden. Die Demonstrationszugsroute ging durch die
Haupteinkaufsstraße, vorbei am Karstadtgebäude und zurück
zum Ausgangspunkt. Ein Genosse hielt am offenen Mikrofon eine Rede die
ihr im nachfolgenden lesen könnt. Die Rede bekam von den Demonstranten
viel Applaus, die Passanten ließen sich davon leider nicht von ihrer
abentlichen Einkaufstour abbringen.

„Liebe Veranstaltungsteilnehmer und sonstige Zuhörer!

Wir leben in einem der reichsten Länder dieser Erde. Trotzdem erlaubt
sich die herrschende Klasse dem einfachen Normalbürger seine in einem
halben Jahrhundert mühsam erstrittenen sozialen Absicherungen wieder
wegzunehmen. Sie nennen es zwingend notwendig „Reformen“ zur Sicherung
des „Sozialstaates“. Die in mehreren Stufen zu erfolgende „Gesundheits-Reform“
– besser gesagt „Gesundheits-Verhinderungsreform“ – die Agenda 2010, die
Hartz-Reformen von I bis IV und was noch danach kommt. Wenn sie alle verwirklicht
sind, bleibt vom „Sozialen“ nichts mehr übrig. Was der wirkliche Zweck
dieser Reform ist, müsste uns allen schon längst klar sein: Es
ist eine gewaltige Umverteilungsaktion des von uns allen erwirtschafteten
Bruttosozialprodukts von unten nach oben. Es existieren keine wirtschaftlichen
Sachzwänge, um etwa die Konkurrezfähigkeit der deutschen Wirtschaft
wieder herzustellen. Diese ist nämlich
noch gar nicht abhanden gekommen, obwohl dies ständig behauptet wird.
Wir erinnern uns: Die erste sogenannte „Gesundheitsreform“ wurde vor über
20 Jahren noch von der von Helmut Schmidt geführten sozialliberalen
Bundesregierung II auf den Weg gebracht. Diese Regierung wurde nicht zuletzt
deshalb vom Volk abgewählt. Wie von aufgeklärten Menschen nicht
anders erwartet, trat die von Kohl geführte CDU/FDP-Regierung an,
um den eingeschlagenen Kurs noch zu forcieren. Sie betrieb aber den Sozialabbau
immer noch in relativ bescheidenen Schritten, ließ jedoch keine Zweifel
an ihrer Absicht aufkommen, dass die Zeit der großen und drastischen
Einschnitte noch kommen werde. Aber erst einmal wollte man die zu erwartenden
Neubürger in der noch einzuverleibenden DDR nicht zu sehr erschrecken
und vor der bundesdeutschen Wirklichkeit abschrecken. Vielleicht hätten
sie sich sonst doch noch für den Fortbestand ihrer Eigenständigkeit
entschieden. In all diesen Jahren eilte die deutsche Wirtschaft von einem
Exportüberschussrekord zum nächsten. Auch im vorletzten und in
diesem Jahr konnte die Dominanz der deutschen Wirtschaft gesteigert werden.
Der Exportüberschuss des Vorjahres konnte schon nach Ablauf eines
dreiviertel Jahres übertrumpft werden. Wir sind Exportweltmeister!
Dies alles trotz der angeblich „viel zu teuren“ Arbeitskräfte und
trotz der angeblich unverhältnismäßig hohen Lohnnebenkosten.

Das mit dem Exportüberschuss sei eine Täuschung, behaupten
sie. Wir müssten einen Großteil der exportierten Güter
im Ausland unter Billiglohn-Bedingungen produzieren lassen, um sie zu konkurrenzfähigen
Preisen verkaufen zu können. Dies ist eine Milchmädchenrechnung,
denn was im Ausland produziert wird, wird ja erst mal wieder importiert,
hier vervollständigt und dann wieder, mit hohem Profit, exportiert.
Nur die Arbeiter profitieren nicht davon, weder die deutschen noch die
ausländischen. Die einen nicht, weil man ihnen ihren Arbeitsplatz
weggenommen und ins Ausland verlagert hat, die anderen, weil man ihnen
nur Hungerlöhne bezahlt und ihnen jegliche soziale Absicherung vorenthält.
Auf der anderen Seite wachsen die Profite ins Unermessliche, können
sich die Herren Kapitalseigner, Vorstände und Aufsichtsräte von
Aktiengesellschaften mit fürstlichen Gehältern und Abfindungen
bei ihrem Ausscheiden selber bedienen. Noch mehr: Sie jonglieren mit Milliardensummen,
die von tausenden Werktätigen in Fabriken und Werkstätten in
Laboratorien und Handelshäusern erarbeitet wurden. An den Börsenplätzen
der Welt steigern oder verspielen sie ihren Gewinn mit Tricks und Spekulationen.
In letzterem Fall wird der Staat wieder zur Kasse gebeten und damit natürlich
wieder der ehrliche Steuerzahler. Fazit ist: Das Kapital ist angetreten
zum breiten Angriff den Sozialstatus der Massen. Sie wollen die Uhr zurückdrehen
und Bedingungen wie im Frühkapitalismus wiederherstellen. Das bedeutet
Massenelend und Willkürherrschaft der reichen Oberschicht. Vollkommene
Existenzunsicherheit, keine Zukunftssicherheit, aber Krankheit und Siechtum
der Massen!

Lassen wir das nicht zu!

Wehren wir uns, so lange es noch möglich ist!

Verweigern wir uns ihrer Gefolgschaft und beantworten wir ihre Angriffe
mit Massenstreiks!